„E-Mobilität ist erwachsener geworden.“
E-Fuels, Wasserstoff oder Elektromobilität? Seit rund drei Jahren führt Christian Krüger die BayWa Mobility Solutions GmbH, also die Mobilitätstochter der BayWa AG. Wir haben mit ihm über das Geschäft mit HPC-Ladeinfrastruktur, die besten Standorte dafür und die Technologieoffenheit im Konzern gesprochen.
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Die Elektromobilität ist endgültig aus dem Hafen, dachten wir. Doch die von der FDP ausgelöste Debatte um E-Fuels lässt Zweifel aufkommen, ob der Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor in Europa wirklich gelingt. Wie blicken Sie auf dieses Thema?
Ich sehe das entspannt. Nur weil das eine nicht verboten wird, heißt es nicht, dass sich das andere nicht durch-setzen kann. Betrachtet man die Entwicklung der Branche in den letzten Jahren wird klar, dass sich die E-Mobilität insbesondere im Pkw- und leichte Nutzfahrzeuge-Bereich durchsetzen wird. Letztendlich wird der Kunde entscheiden, was für ihn die beste Wahl ist. Und hier sehen wir die E-Mobilität sehr weit vorne.
Ihre Muttergesellschaft setzt ebenfalls auf E-Fuels, zudem auf Wasserstoff und LNG. Dagegen treiben Sie bei der BayWa Mobility Solutions die Elektromobilität voran. Wie gehen Sie mit der hausinternen Technologieoffenheit um?
Das stimmt: Nachdem die Zulassungszahlen von Elektrofahrzeugen in den vergangenen zwei Jahren deutlich zugenommen haben, die Ladeinfrastruktur sukzessive wächst und die Politik das Thema sehr stark fördert, haben wir die Ausrichtung der BMS angepasst und fokussieren uns seither auf das Thema E-Mobilität. Dies ermöglicht uns eine Beschleunigung unserer Projekte, in denen wir Flottenkunden wie Ladeinfrastrukturbetreibern von der Planung bis zur Abrechnung alles aus einer Hand anbieten können. Aber die BayWa ist ein Grundversorger. Dementsprechend ist Technologieoffenheit für uns sehr wichtig. Alle von Ihnen genannten Antriebsarten gehen bei der BayWa Hand in Hand. Das beste Beispiel dafür ist die BayWa Tank- und Ladekarte. Wir maßen uns als Konzern nicht an, von Beginn an genau zu wissen, wo die Reise hingeht, sondern behalten uns durch unsere Technologieoffenheit die Flexibilität, auf Veränderungen im Markt zu reagieren. Nicht alle Eier in einen Korb zu legen, sondern das eigene Angebot zu diversifizieren – so wie es der BayWa-Konzern grundsätzlich tut – reduziert Risiken.
Sie leiten die BayWa Mobility Solutions seit Anfang 2020. Wie hat sich die Elektromobilität seitdem aus Ihrer Sicht entwickelt. Oder anders gefragt: Wo stehen wir aktuell?
Kurz gesagt, die Industrie rund um das Aufladen von batteriebetriebenen Fahrzeugen wird stetig professioneller. Wir sehen Konsolidierung und einen kontinuierlichen Ausbau des Angebots hinsichtlich Services sowie vorhandener Infrastruktur. E-Mobilität ist erwachsener geworden.
Wie hat sich das Geschäft der BayWa Mobility Solutions seit 2020 konkret entwickelt? Und in welcher Rolle sehen Sie Ihr Unternehmen am Markt?
Die BayWa Mobility Solutions hat sich in den zwei Jahren ihres Bestehens einen guten Namen in der Branche erarbeitet und 2022 einen Marktanteil von 7% bei den Schnellladepunkten erreicht. Rund 800 der in Deutschland bis 01.10.22 errichteten 11.523 Schnelladepunkten kommen aus unserer Hand. Und unser Auftragsbuch für dieses Jahr ist gut gefüllt. Wir werden den Ausbau der Ladepunkte für unsere Kunden mindestens verdoppeln – eher noch verdreifachen. Wir spüren zum ersten Mal so richtig, dass es die Kunden und Marktteilnehmer mit dem Ausbau der Ladeinfrastruktur ernst meinen und Geld in die Hand nehmen. Momentan haben wir viele Aufträge von großen Energieversorgern und Tankstellenbetreibern. Da voraussichtlich in einigen Jahren eine gewisse Sättigung beim Aufbau öffentlicher Ladeinfrastruktur eintreten wird, werden wir uns dann künftig auch auf Servicethemen und die Betriebsführung fokussieren. Zukünftig werden wir nicht nur Ladeinfrastruktur für Dritte bauen, sondern diese auch selbst betreiben. Wir wollen ein Geschäftsmodell aus der Betriebsführung von öffentlicher Ladeinfrastruktur machen, beispielsweise in Form von großen Ladeparks, ähnlich wie Tankstellen.
Mitte Juni veranstalten Sie in Kooperation mit der forward concept GmbH die erste Charging Night in München: Was wollen Sie damit erreichen?
Wir wissen, dass – aus Nutzersicht – das E-Auto Laden vom Zielerlebnis nach wie vor ein gutes Stück entfernt ist. Hier muss Vorhandenes optimiert und mit Neuem zusammengebracht werden. Diesem Grundgedanken entspringt unser Veranstaltungsformat Charging Night, welche am 13.06.2023 in München stattfindet. Bei dieser Netzwerkveranstaltung kommen Wissens- und Entscheidungsträger der mittlerweile etablierten charging industry und Mobilitätsbranche zusammen, um über die Mobilität von Morgen zu diskutieren. Zusammen mit unserem Kooperationspartner forward concept, einer Beratung für Startups im Energie-, SaaS- und E-Mobility Sektor, sind wir als BayWa die Gastgeber.
Was erwartet die Gäste dieser Veranstaltung?
Thematisch werden wir uns mit dem Zusammenspiel verschiedener Antriebstechnologien auseinandersetzen und zum aktuellen Markthochlauf der E-Mobilität sprechen. Dazu wird es Impulsvorträge, u.a. von Constantin Schwaab und Wulf Schlachter geben. Ein Startup Open Mic, moderiert von Tobias Scharfen, Geschäftsführer der forward concept GmbH, gibt zudem jungen innovativen Unternehmen aus der Branche die Möglichkeit sich vorzustellen. So wollen wir Erfahrung und Innovation zusammenbringen. Die Anmeldung zur Charging Night ist öffentlich, weitere Informationen zum Event finden Sie hier.
Das Thema Ladeinfrastruktur besteht in der öffentlichen Wahrnehmung fast nur noch aus dem superschnellen HPC-Laden. Entsprechende Ladeparks sprießen wie Pilze aus dem Boden. Ist aus dem Laden eine Art modernes Tanken geworden?
Das ist unser Ziel, zumindest für den urbanen und suburbanen Raum. Hier sehen wir den idealen Einsatzbereich für Ladeparks. Was will denn der Fahrer eines Elektroautos? Möglichst schnell Strom tanken und sicher nicht ewig lang an der Ladestation stehen. Mittlerweile sind die technischen Voraussetzungen sowohl bei den Fahr-zeugen als auch bei den Stationen vorhanden, dass das Laden viel schneller von statten geht als noch vor ein paar Jahren. Und dann sind wir wieder bei der klassischen Tankstellensituation: Große Flächen, Durchfahrtsvarianten, kurze Aufenthaltsdauer. Schließlich hat jeder Betreiber das Interesse möglichst viel Frequenz auf seinen Ladepunkt zu bekommen, um ein Geschäftsmodell daraus zu entwickeln.
Was sind die besten Standorte für HPC-Lader? Sie bauen ja für Vattenfall jetzt verstärkt im Einzelhandel.
Das stimmt, gerade im urbanen Raum bewegen wir uns mit vielen unserer Rollout-Projekte im halböffentlichen Bereich. Das liegt daran, dass die Einzelhändler mit den Parkplätzen die entsprechenden Flächen haben, E-Ladesäulen als eigenen Wettbewerbsvorteil sehen und die Zeit eines Einkaufs (ca. 30 Min.) ausreicht, um das Auto auf ca. 60-80 Prozent zu laden. Zeit, in denen das Auto also nur steht, wird sinnvoll genutzt, während sein Besitzer einkaufen ist. Und: Die Leute fahren danach wieder weg und blockieren keine wertvolle Standfläche.
Spielt das AC-Laden für die BayWa Mobility Solutions überhaupt noch eine Rolle?
Im urbanen Raum sehe ich für das AC-Laden keine Zukunft. Der Ausbau mit Wallboxen in den Tiefgaragen von Wohnungseigentümergemeinschaften geht aus Kostengründen nur sehr langsam voran und öffentliche AC-Ladesäulen entsprechen nicht mehr den Ansprüchen der Nutzer. Die Reichweiten haben sich deutlich erhöht, sodass es meist ausreicht, ein- bis zweimal die Woche eine Lademöglichkeit zu haben. Dafür kann der Autofahrer einen Schnellladepark anfahren, wo das Fahrzeug dann maximal eine halbe Stunde steht. Die aktuellen AC-Ladepunkte in den Städten entpuppen sich daher mehr und mehr als exklusive E-Auto-Parkplätze für die Nacht. Das Worst-Case-Szenario für den Betreiber eines Ladepunktes.
Die BayWa kennt man im Süden auch als Tankstellen-Betreiber: Wollen Sie dieses Bild in die Zukunft tragen – womöglich mit Strom, konventionellen Kraftstoffen und E-Fuels, sofern sich die FDP durchsetzt?
Vom Tankstellengeschäft an sich haben wir uns 2019 mit dem Verkauf der 170 AVIA Tankstellen ein Stück weit verabschiedet. Seitdem betreibt die BayWa ausschließlich Automatentankstellen im kleineren Stil. Wenn wir ein Bild in die Zukunft tragen wollen, dann das des technologieoffenen Lösungsanbieters für CO2-optimierte Wärme- und Mobilitätslösungen. Die BayWa ist ein Grundversorger für ihre Kunden. Energie-, Wärme-, Mobilitätslösungen sind eng damit verbunden. Und solange zum Beispiel Heizöl oder konventionelle Kraftstoffe gebraucht wer-den, werden wir unsere Kunden damit versorgen. Das ist kein Widerspruch.
Herr Krüger, vielen Dank für das Gespräch!
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