So gelingt die eichrechtskonforme und zukunftssichere Kopplung von Bezahlterminal und Ladestation
Die Umsetzung der Alternative Fuel Infrastructure Regulation (AFIR) erfordert für Betreiber von Ladesäulen eine ganzheitliche Payment-Strategie. Ein integriertes Bezahlterminal ermöglicht eine kontaktlose Autorisierung, genaue Abrechnung und vor allem mehr Planungssicherheit. Ein Gastbeitrag von Dominik Freund, Compleo Charging Solutions AG.
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Wer eine Ladestation betreibt oder plant, fragt sich: Wie gelingt es, Laden und Bezahlen regel- und eichrechtskonform in Einklang zu bringen? Denn deutsche Ladesäulenverordnung (LSV) und europäische Alternative Fuel Infrastructure Regulation (AFIR) sorgen hier mit immer neuen Änderungen für Verunsicherung. Die AFIR soll laut Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz noch im Sommer 2023 in Kraft treten. Sie ist in einem Trilogverfahren zwischen EU-Parlament, -Kommission und -Rat Ende März 2023 finalisiert worden und schreibt im DC-Bereich über 50 Kilowatt einen Kartenleser oder ein Kontaktlos-Terminal zum Bezahlen und Autorisieren eines Ladevorganges vor. Im Bereich unter 50 Kilowatt lässt sich zusätzlich eine weitere „sichere Zahlmethode“ anwenden. Charge Point Operator (CPO) müssen einen Weg finden, effizientes Laden an öffentlich zugänglichen Ladepunkten per Debit- und Kreditkarte bestmöglich autorisieren und abrechnen zu lassen. Es ist sinnvoll, auf eichrechtskonforme, integrierte oder externe Payment-Terminals zu setzen.
E-Mobilität benötigt tragfähige Infrastruktur, um ihre volle Schlagkraft entfalten zu können. Das bedeutet: Sollen sich E-Fahrzeuge durchsetzen, müssen Ladestationen gebaut werden. Im Ladesäulenregister der Bundesnetzagentur finden sich Stand Januar 67.288 Normalladepunkte und 13.253 Schnellladepunkte für rund 1,6 Millionen in Deutschland zugelassene Elektroautos. Künftig sind jedoch dringend weitere Ladepunkte erforderlich. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr plant im Masterplan Ladeinfrastruktur II eine Million öffentlich zugängliche Ladepunkte bis 2030 – Ansporn, in diesem Feld aktiv zu werden. Jedoch müssen Vorgaben wie AFIR und LSV sowie Eichrecht Berücksichtigung finden.
Ohne gültige Baumusterprüfbescheinigung (BMPB) kann Ladeinfrastruktur in Deutschland nicht eichrechtskonform betrieben werden. Das gilt sowohl für Ladestationen als auch für Payment-Terminals. Kann ein Payment-Anbieter keine BMPB vorlegen oder fehlen Seriennummer sowie metrologische Kennung, ist die Lösung nicht eichrechtskonform und daher nicht empfehlenswert. Stattdessen sollten CPOs auf einfache und sichere Ad-hoc-Bezahlmöglichkeiten aus einer Hand setzen, um für alle AFIR-, LSV- oder andere Eventualitäten gerüstet zu sein.
AFIR-Vorgaben für AC- und DC-Ladestationen
Die AFIR enthält technische Mindestanforderungen an einen sicheren und interoperablen Aufbau und Betrieb von öffentlich zugänglichen Ladepunkten für elektrisch betriebene Fahrzeuge. Neue AC- und DC-Ladestationen müssen laut AFIR über eine standardisierte Schnittstelle verfügen, die das Übermitteln des Standortes sowie Informationen zu Verfügbarkeit und Funktionsfähigkeit ermöglichen. Über sie sollen auch Abrechnungs- und Autorisierungsdaten ausgetauscht werden können. Alle öffentlichen Ladepunkte über 50 Kilowatt müssen zudem eine Möglichkeit bieten, Ladevorgänge über Debit- oder Kreditkarte zu bezahlen. Hierbei kann es sich sowohl um physische Karten als auch um digitale Debit- oder Kreditkarten handeln, die beispielsweise in mobile Geräte wie Smartwatches oder Smartphones integriert sind. Ladepunkte unter 50 Kilowatt Leistung können zusätzlich eine „sichere Bezahlung“ etwa mit „dynamischen QR-Code“ anbieten. Jede der drei möglichen Bezahlvarianten im Bereich unter 50 Kilowatt kann auch exklusiv alleinstehend angeboten werden.
Eine PIN-Eingabe wird von der AFIR nicht vorgeschrieben. Trotzdem ist ein PIN-Pad sehr zu empfehlen, da es insbesondere bei physischen Karten aufgrund der fehlenden „Strong Customer Authentication“ vorkommt, dass eine Aufforderung zur PIN-Eingabe nötig wird, um den Ladevorgang zu authentifizieren und zu starten, etwa wenn bereits viermal hintereinander mit einer Debit-Karte kontaktlos bezahlt wurde. Ist das der Fall, kann auf eine andere Karte wie Kreditkarte oder mobile Bezahlkarte in einer Smartwatch ausgewichen werden. Besitzt ein Kunde jedoch keine Alternativbezahlmethode startet der Ladevorgang nicht. Ein PIN-Pad löst das Problem. Auch Roaming bleibt als Zahlvariante bestehen: Der E-Mobilist kann diskriminierungsfrei entscheiden, wie er oder sie zahlen möchte. Ab 1. Januar 2027gibt es eine Nachrüstpflicht mit Kartenbezahlmöglichkeit für Ladestationen über 50 Kilowatt.
Kostenrisiko und fehlende Rechtssicherheit
Einige Marktakteure haben Lösungen entwickelt, die es Ladeparks (auch durch Nachrüstung) ermöglichen, Ladevorgänge mit Debit- oder Kreditkarte zu autorisieren und abzurechnen. Manche lassen ihre Lösung durch Konformitätsbewertungsstellen zertifizieren, andere bieten (aktuell) nicht zertifizierte Lösungen. Das ist technisch zwar möglich, rechtlich aber unzulässig – vor allem dann, wenn behauptet wird, dass das System aus Ladesäule und Payment-Terminal eichrechtskonform sei. Payment-Terminals lassen sich nicht einfach zu bestehenden Ladeparks hinzufügen, denn das Gesamtsystem muss für eine Installation bei Produktionsabschluss (End-of-Line) geeicht werden. Ladestation und Payment-Terminal müssen also eine Einheit bilden.
Andere Payment-Terminal-Anbieter haben Compleo-Ladetechnologie angebunden. Das lässt sich zwar technisch recht problemlos umsetzen, ist aber nicht eichrechtskonform, solange Baumusterprüfbescheinigungen (BMP) nicht einen entsprechenden Vermerk enthalten – selbst wenn jede einzelne Ladestation im Ladepark als eichrechtskonform gekennzeichnet sein sollte. CPOs laufen so Gefahr, dass Eichbehörden die Option der Autorisierung und des Bezahlens über ein Payment-Terminal eines Drittanbieters anmahnen und zur Nachbesserung auffordern. Ladesäulen dürfen zwar dann noch über Roaming betrieben werden, allerdings nicht länger über ein nachgerüstetes Payment-Terminal. Neue Ladeparks verstoßen mit einer hinzugefügten und nicht eichrechtskonformen Lösung gegen das Eichrecht und können die AFIR nicht erfüllen. Dies ist mit Kostenrisiken für CPOs verbunden.
Eichrechtskonformität: Merkblatt der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt
Wer nun wissen möchte, wann das Zusammenspiel von Ladestation und Bezahlterminal denn nun eichrechtskonform ist, für den nennt die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in einem aktuellen Merkblatt zum Thema zwei Optionen, um eine Baumusterprüfbescheinigung (BMPB) für das Ad-Hoc-Laden mit Payment-Terminal zu erhalten. Entweder wird das Payment-Terminal demnach Teil der Baumusterprüfbescheinigung der Ladesäule oder der Wallbox (1) oder das Payment-Terminal selbst erhält eine Baumusterprüfbescheinigung (2). Kann ein Anbieter keine Baumusterprüfbescheinigung vorlegen, sind Zuordnungen nicht möglich und fehlen Seriennummern oder metrologische Kennung, ist die Lösung aus aktueller Sicht der PTB nicht eichrechtskonform. Von einem Aufbau einer derartigen Lösung kann unter Berücksichtigung des Aspektes Rechtssicherheit für CPOs nur abgeraten werden. Wer also eine Ladestation plant oder sein Angebot erweitern und dabei eichrechtskonform vorgehen will, lässt sich idealerweise zu Beginn eines Ladesäulenvorhabens die Baumusterprüfbescheinigung des Herstellers von Ladestationen (Möglichkeit 1) oder die des Anbieters des Payment-Terminals (Möglichkeit 2) zeigen.
Fazit: Heute schon für morgen planen
Das Thema Ad-Hoc-Payment ist für Hersteller und CPOs zweifelsohne herausfordernd. Allerdings gibt es inzwischen Anbieter im AC- und DC-Bereich, die den Bedarf an öffentlichen Ladestationen mit eichrechtskonformen Payment-Terminals decken können, sodass nicht zu befürchten ist, dass der Ausbau der Ladeinfrastruktur in Deutschland gebremst wird. Im AC-Bereich gibt es nach Compleo-Recherchen derzeit vier Anbieter und im DC-Umfeld fünf Hersteller. Um den Verbraucherschutz zu stärken und die Herstellung von Ladestationen mit Payment-Terminals zu vereinfachen, sollten bis zur Einführung der AFIR folgende Fragen beantwortet werden: Ist es möglich, dass die Ladestation unter das Eichrecht fällt, das Payment-Terminal hingegen unter die Payment Service Directive 2 (PSD2)? Und reicht eine derartige Aufteilung mit Blick auf den Verbraucherschutz aus? Derzeit ist die Herangehensweise nicht absehbar. Hilfreich und ratsam für Ladestationsbetreiber und solche, die es werden wollen, ist aber, bereits heute auf ein zertifiziertes, ganzheitliches und rechtsicheres Lade-Bezahl-Beleg-Angebot zu setzen.
Autor: Dr. Dominik Freund, Compleo Charging Solutions AG
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