Smarte Software: Digitalisierung treibt die Mobilitätswende voran

Der Erfolg der Mobilitätswende hängt neben der Weiterentwicklung der Motor- und Batterietechnologien stark von der Zuverlässigkeit der Ladeinfrastruktur und der Effizienz von Ladeprozessen ab. Welche Rolle die Digitalisierung dabei spielt, führt Markus Eisel, Geschäftsführer und Partner der Valantic GmbH, in seinem Gastbeitrag aus.

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Die Mobilitätswende in Deutschland und Europa nimmt inzwischen deutlich an Fahrt auf, was sich auch in konkreten Zahlen niederschlägt. Im zweiten Quartal 2022 lag die Gesamtzahl der in Deutschland betriebenen E-Ladestationen laut Statista bei rund 30.600 Stromzapfsäulen. Ein einsamer Rekord, im Vorjahresquartal waren es erst 24.400.

Deutschland ist, was die Wende hin zu klimafreundlicher, nachhaltiger Mobilität angeht, auf einem guten Weg. Dieser Eindruck drängt sich auf. Auch bei den Automobilherstellern ist die Wende in den Köpfen angekommen. Der Volkswagen Konzern, um nur ein Beispiel zu nennen, will zwei Drittel aller geplanten Investitionen in E-Autos und digitale Technologien stecken. Bis 2027 sind Gesamtinvestitionen von 180 Milliarden Euro geplant – davon fließen gut 122 Milliarden Euro in Elektrifizierung und Digitalisierung.

Mobilität ist im Wandel. Die nächsten Jahre halten große Veränderungen bereit – und auch viele Chancen. Ein nicht ganz so rosiges Szenario tut sich auf, wenn man sich den Status quo des schweren Fernlastverkehrs anschaut. Die Zahl der E-Lkw, die auf Europas Straßen rollen, ist noch verschwindend gering. Von etwa drei Millionen europäischen Lkw fahren nur wenige hundert rein elektrisch – bislang.

Die Gründe liegen auf der Hand: Im Gegensatz zum Pkw-Verkehr gehen mit der Elektrifizierung und Digitalisierung des Transportwesens im Langstreckenbereich deutlich komplexere Anforderungen einher. Kraftfahrer unterliegen strengen Regeln, was die Einhaltung von Lenk-, Rast- und Pausenzeiten angeht. Nach einer Fahrtzeit von maximal 4,5 Stunden ist eine 45-minütige Rast zwingend einzuhalten. Zusätzlich nehmen Pünktlichkeit und Verlässlichkeit im Sinne des Kunden einen sehr hohen Stellenwert ein. Trifft die Lieferung zu spät ein, wandert der Kunde zur Konkurrenz.

Smarte Algorithmen als persönlicher Lotse

Im lokalen Auslieferungsverkehr sind solche Kriterien weniger ein Thema. Die Distanzen und täglichen Fahrtstrecken sind in den meisten Fällen mit täglichem Aufladen in den Depots abdeckbar. Im Langstreckenbereich jedoch liegt die Messlatte für Wirtschaftlichkeit und Effizienz ungleich höher. Dort müssen eine Vielzahl von Parametern optimiert und bestmöglich zur Deckung gebracht werden, damit das Logistikunternehmen erfolgreich und termintreu seine Kunden bedienen kann. Dazu zählen:

  • die zurückzulegende Fahrtstrecke
  • Batteriekapazität
  • Verbrauch (abhängig von der Last des Lkw)
  • Gesetzlich vorgeschriebene Lenk-, Last- und Pausenzeiten
  • Verfügbarkeit von Ladestationen auf der Fahrtstrecke
  • Wartezeiten an den Ladestationen
  • Aktuelle Verkehrsdaten (Baustellen, Staus, zähfließender Verkehr etc.)
  • Wetterdaten und weitere Umgebungsinformationen

Intelligente Algorithmen, auf die Kraftfahrzeuglenker bequem und einfach über eine mobile App auf ihrem Smartphone zugreifen, können einen entscheidenden Beitrag leisten, unter Berücksichtigung aller Einflussgrößen, um den optimalen individuellen Fahrplan zu berechnen. Mathematisch und IT-technisch geht es um ein Optimierungsproblem, für den Kraftfahrer und sein Logistikunternehmen geht es um Zeit, Ressourcen und zufriedene Kunden.

Digitalisierung macht dabei den entscheidenden Unterschied, zum Beispiel Systeme, die die Verwaltung von Ladestationen unterstützen oder Plattformen und Apps, die der Fahrer eines Elektrofahrzeugs nutzt, um verfügbare Ladepunkte „just in time“ zu finden.

Damit das alles perfekt funktioniert, ist eine vollständige Bereitstellung und Vernetzung aller Komponenten und Daten erforderlich. Milence zum Beispiel, ein Joint-Venture aus Daimler Truck, Volvo Trucks und Traton, arbeitet am Aufbau eines europäischen Netzwerkes von Schnellladestationen für den Schwerlast- und Fernkraftverkehr.

Dazu ein Rechenbeispiel, das die Dimensionen illustriert: Der Energieverbrauch eines schweren Lkw liegt derzeit bei circa 1,2 bis 1,6 kWh pro Kilometer. Bei aktuellen Batteriekapazitäten von 750 bis 1.000 kWh ergeben sich damit Reichweiten von 400 bis 600 Kilometern. Die Ladeintervalle liegen also bereits heute im Bereich der gesetzlich vorgeschriebenen Lenk- und Pausenzeiten. In naher Zukunft will Milence die Ladekapazität seiner Lkw-Mega-Charger auf 1.000 kW pro Stunde hochschrauben. Ein schwerer Lkw könnte damit in 30 bis 45 Minuten, also in der gesetzlich vorgeschrieben Rastzeit, seine Batterien an der reservierten Ladestation vollständig aufladen.

In naher Zukunft kommt es darauf an, unter Berücksichtigung von historischen Auslastprofilen entlang der Haupttransportrouten ein Netz von Mega-Chargern für den Schwerlast- und Langstreckentransport aufzubauen. Die zweite nicht minder wichtige Schlüsselkomponente: Smarte Algorithmen, auf die Kraftfahrer per mobiler App zugreifen und die ihnen ermöglichen, exakt abgestimmt auf ihren individuellen Fahrplan Ladestationen zu finden und gegebenenfalls zu reservieren.

4.600 Mega-Charger für den Schwerlasttransport

Dazu ist ein entschlossener Ausbau der E-Infrastruktur nötig. Das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) hat berechnet, dass ein Ladenetz auf Basis des bekannten Gütertransports in Europa und bei einer 15-prozentigen Durchdringung für Langstreckentransporte etwa 4.600 Mega-Charging-Stationen benötigt (Quelle: Fraunhofer-Studie). Erste Projekte sind bereits abgeschlossen und gehen in Betrieb: Aral und die Grafschaft Bensheim haben Anfang des Jahres einen Charging-Korridor für E-Lkws entlang des stark befahrenen Rhein-Alpen-Korridors in Betrieb genommen. Sechs Ladestationen sind bereits nutzbar, zwei weitere sollen in den kommenden Monaten in Bad Honnef und Köln folgen.

Ergänzend zum stationären Aufladen während der Rastzeiten laufen Pilotprojekte, die per Oberleitung, vergleichbar mit dem öffentlichen Personennahverkehr, das Aufladen der Batterien während der Fahrt ermöglichen. Ein prominentes Beispiel: Vor dreieinhalb Jahren ist Deutschlands erste Oberleitung für Lkw auf der A5 bei Frankfurt in Betrieb gegangen. Im Oktober letzten Jahres wurde die Strecke um sieben Kilometer erweitert. Die Erweiterung der Teststrecke solle weiterführende Erkenntnisse zum Praxiseinsatz der Ladetechnologie bringen, erklärt Gerhard Lerch vom Geschäftsbereich Verkehrsmanagement der Autobahn GmbH. Durch die unterschiedlich langen Streckenabschnitte erwarte man sich genauere Erkenntnisse über das Ladeverhalten bei unterschiedlichen Ladezeiten, so Lerch.

Projekt iLaPark: intelligenter Laden und Parken

In Zukunft wird auch Machine Learning und Künstliche Intelligenz eine wesentliche Rolle spielen. Im Forschungsprojekt iLaPark entwickelt valantic Software & Technology Innovations gemeinsam mit Edag, der Frankfurt University of Applied Science, Intillion, Hubject und dem House of Energy ein KI-Basiertes System, das die Verteilung von Ladevorgängen in Parkhäusern optimiert. iLaPark soll die Nutzung von Elektromobilität im urbanen Raum voranbringen und wird mit circa 1,6 Millionen Euro vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert. Ziel ist es, mehr Ladestationen in die Parkhäuser zu bringen und diese optimal für E-Autofahrer und die elektrischen Netze zu nutzen.

Diese wenigen Projektbeispiele zeigen: Es tut sich viel in Sachen E-Infrastruktur; Deutschland drückt bei der klimafreundlichen, nachhaltigen Mobilitätswende kräftig aufs Gaspedal. Digitalisierung und intelligente Software spielen dabei eine erfolgsentscheidende Schlüsselrolle, nicht nur beim Suchen und Finden verfügbarer Ladestationen über benutzerfreundliche mobile Apps, sondern auch bei Planung, Rollout, Wartung und Service der gesamten Ladeinfrastruktur und der Abrechnung des „getankten Stroms“.

Dafür sind Ökosysteme nötig, wo unterschiedliche Partner ihre Daten teilen, Datenformate standardisieren und die entsprechenden Schnittstellen bereitstellen. Damit die klimafreundliche Mobilitätswende gelingt, denn davon profitieren wir alle, im Nah-, Fern-, Pkw- und Schwerlastverkehr.

Autor: Dr. Markus Eisel

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