Rohstoffpartnerschaft: EU bahnt sich Weg für Verhandlungen mit USA
Nach der Kommission muss nun noch der Europäische Rat die Verhandlungsrichtlinien annehmen, damit wäre dann die Kommission ermächtigt, ein Abkommen auszuhandeln, das Bestimmungen über eine Reihe von Punkten enthält – unter anderem über Handelserleichterungen, damit kritische Rohstoffe, die in der EU gewonnen oder verarbeitet werden, in E-Fahrzeugen verwendet werden können, die für die US-Steuervergünstigungen im Rahmen des Inflation Reduction Acts (IRA) infrage kommen.
Hintergrund der aktuellen Lösungssuche ist ein Streit über US-Subventionen für grüne Technologien, die zum Jahreswechsel mit dem Inflation Reduction Act der US-Regierung eingeführt wurden. Die EU kritisierte seinerzeit umgehend, dass das Gesetz zu einer Abwanderung grüner Technologieunternehmen in die USA führt und steuerte seinerseits mit eigenen Subventionslockerungen gegen. Parallel sind im Frühjahr Bemühungen angelaufen, eine Einigung mit den USA zu erreichen.
Dazu folgende Chronik: Mitte März kündigten US-Präsident Joe Biden und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erstmals an, ein Abkommen über kritische Mineralien für die Batterien von E-Autos aushandeln zu wollen. Wenig später legte die US-Regierung ein Konzeptpapier hierfür vor. Im Mai wurde berichtet, dass die Verhandlungen zwischen den USA und der EU über die geplante Rohstoffpartnerschaft länger als erwartet dauern und sich bis in den Sommer hinein in die Länge ziehen könnten.
Flexibles oder verbindliches Abkommen?
Wie die US-Tageszeitung „Politico“ unter Berufung auf eingeweihte Personen berichtete, gab es zu jenem Zeitpunkt Uneinigkeit über die formale Ausgestaltung des Abkommens. Während die USA auf einem verbindlichen Pakt bestehen sollen, dränge die EU auf ein flexibleres Abkommen, das nicht die zeitraubende Zustimmung ihrer 27 Mitgliedsländer erfordert, hieß es in dem Bericht. Hinter vorgehaltener Hand soll im Mai seitens der EU sogar diskutiert worden sein, ob sich das Abkommen überhaupt noch lohnt.
In der jetzt offiziell von der EU-Kommission herausgegebenen Mitteilung zu den innerhalb der EU gefassten Verhandlungsrichtlinien klingt das nun so: „Wenn die EU und die USA ein Abkommen über kritische Mineralien schließen, wird sichergestellt, dass die EU als Verbündete für den von den USA zur Bekämpfung der Inflation erlassenen „Inflation Reduction Act“ auf einer Ebene mit Partnern steht, mit denen die USA durch ein Freihandelsabkommen verbunden sind. So können Unternehmen aus der EU auf dem US-Markt unter gleichen Wettbewerbsbedingungen mit Wettbewerbern aus den USA und Drittländern wie Chile, der Republik Korea und Japan konkurrieren.“ Es ist also konkret von einem Äquivalent zu einem Freihandelskommen die Rede, das „auf einer Ebene“ zu einem solchen steht.
Die Verhandlungsrichtlinien selbst umreißt die EU nicht – verständlicherweise. Im nächsten Schritt soll nun der Rat den Vorschlag prüfen und einen entsprechenden Beschluss erlassen. Die Kommission „wird dann in der Lage sein, förmliche Verhandlungen mit den USA aufzunehmen und das Abkommen schnell abzuschließen“, heiß es in der Mitteilung.
„Die Aushandlung eines Abkommens über kritische Mineralien mit den USA ist von entscheidender Bedeutung. Damit wird der EU als Verbündeter der USA durch den „Inflation Reduction Act“ eine Behandlung zuteil, die der im Rahmen von Freihandelsabkommen gewährten Behandlung vergleichbar ist“, äußert Exekutiv-Vizepräsident Valdis Dombrovskis, zuständig für Handel. Auf diese Weise werde sichergestellt, dass die Bergbau- und Chemieunternehmen in der EU fairen und reibungslosen Zugang zum US-Markt erhalten und die Hersteller von Elektrofahrzeugen sowohl in der EU als auch in den USA beliefern können. „Wir brauchen rasche Fortschritte bei diesem spezifischen Abkommen, damit Unternehmen in der EU im Rahmen des „Inflation Reduction Act“ genauso wie US-Unternehmen behandelt werden. Darüber hinaus wird unsere Zusammenarbeit bei der Entwicklung sauberer Technologien im Rahmen des ökologischen Wandels ausgebaut. Außerdem wird der Zugang zu nachhaltigen und vertrauenswürdigen Quellen kritischer Mineralien, die ohne Ausbeutung von Arbeitskräften genutzt werden, ausgeweitet.“
2022 kam ein Drittel der in die USA importieren E-Autos aus Deutschland
Allein im Jahr 2022 exportierte die EU kritische Rohstoffe im Wert von 8,3 Milliarden Euro, die für diese Branche von Bedeutung sind. Und: Laut einem im März erschienen Artikel des „Handelsblatt“ kam 2022 allein ein Drittel aller in die USA importieren E-Autos aus Deutschland. Bekämen US-Kunden die Steuervorteile nur bei inländischen Herstellern, würde der Absatz massiv einbrechen. Die Vorgaben für die US-Steuergutschrift sehen bisher bekanntlich vor, dass ein förderfähiges Fahrzeug in Nordamerika montiert werden muss (mit einer Hintertür für ausländische Hersteller über Leasinggesellschaften), außerdem richtet sich die Höhe des Zuschusses nach der Herkunft der Batterie bzw. der Batteriematerialien. Zur Förderfähigkeit von Elektroautos müssen in einem ersten Schritt 40 Prozent der kritischen Mineralien der verwendeten Batterie aus den USA oder einem Land kommen, mit dem die USA ein Freihandelsabkommen haben.
Update 23.10.2023: Beim jüngsten EU-USA-Gipfel konnte noch keine Einigung zum angestrebten Abkommen über kritische Mineralien für die Batterien von E-Autos erzielt werden. Wie beide Seiten mitteilen, seien immerhin „Fortschritte“ erzielt worden. In den nächsten Wochen soll weiter verhandelt werden.
Wörtlich heißt es dazu in der gemeinsamen Erklärung, die von beiden Parteien wortgleich veröffentlicht wurde: „Wir haben Fortschritte in Richtung einer gezielten Vereinbarung über kritische Mineralien gemacht, um den Zugang zu nachhaltigen, sicheren und diversifizierten Lieferketten für kritische Mineralien und Batterien mit hohem Standard zu erweitern und die Anrechnung der in der Europäischen Union geförderten oder verarbeiteten Mineralien bei den Anforderungen gemäß Abschnitt 30D der Steuergutschrift für saubere Fahrzeuge des Inflation Reduction Act zu ermöglichen. Wir freuen uns darauf, in den kommenden Wochen weitere Fortschritte zu erzielen und uns mit unseren jeweiligen Interessengruppen zu diesen Verhandlungen zu beraten.“
ec.europa.eu, ec.europa.eu, whitehouse.gov (beide Update)
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