BMW iX1 xDrive30 im Test: Der elektrische iX1 ist der beste X1
Er hat keinen Frunk. Und er ist nicht billig. Diese zwei Punkte beim BMW iX1 xDrive30 sind nicht ideal. Der Rest dieses Elektroautos aber ist von einer Perfektion, die bei den meisten anderen Herstellern schlicht nicht zu haben ist. Dass Oliver Zipse, Vorstandsvorsitzender der BMW Group, in der Öffentlichkeit so tut, als würde er Elektroautos skeptisch sehen, zeigt sich nicht am Produkt. Der elektrische iX1 ist der beste X1. Eigentlich, so nehmen es viele Nerds an, kann eine Multiantriebsstrategie nicht funktionieren. In der Realität ist der iX1 trotzdem in vielen Aspekten besser als die Wettbewerber: Er ist ziemlich effizient, die Assistenzsysteme sind herausragend, und vor allem sind wirklich alle Funktionen vorhanden, die ein Elektroautofahrer haben will.
Die manuelle Vorkonditionierung der Traktionsbatterie (Netto-Energieinhalt 64,7 kWh) zum Beispiel: Mit einem Tipp wird der elektrochemische Speicher je nach Innentemperatur aufgeheizt oder vorgekühlt. Das ist angenehm für alle Fahrer, die nicht mit dem erstklassigen Routenplaner und dessen automatischer Vorkonditionierung navigieren, sondern auf der Stammstrecke unterwegs sind und genau wissen, wo der Lieblingsladepark ist.
Diese Funktion darf nicht verwechselt werden mit den Häkchen, die bei manchen Herstellern gesetzt werden können. Bei BMW wird die Traktionsbatterie – so wie es bei einer echten Vorkonditionierung üblich ist – auf den fürs Laden idealen Wert gebracht. Tesla hat es vorgemacht, bietet aber kein manuelles Anschieben an.
SOC-Prognose, 22 kW-Lader, keine Bugs
Dieses Detail steht stellvertretend für den gekonnten Eindruck, den der iX1 hinterlässt. Eine SOC-Anzeige in Prozentpunkten ist ebenso selbstverständlich wie eine Anzeige der Ladeleistung in Kilowatt. Der Routenplaner mit der verlässlichen Sprachbedienung errechnet den Standort der Ladestopps sowie die notwendige Haltedauer inklusive SOC-Prognose. Und schöne Grüße an Cariad, das Softwareunternehmen von Volkswagen: Es gibt Elektroautos, die sind frei von Bugs, und eins davon ist der BMW iX1.
Die Ladeleistung beträgt DC-seitig maximal 135 kW. Die bestmögliche Ladekurve konnte wegen der Vorkonditionierung im frühsommerlichen Testzeitraum jederzeit erreicht werden. Zwar ist die Dauer von 29 Minuten für den Hub von zehn auf 80 Prozent nicht Benchmark (die setzt die Hyundai Group mit der e-GMP), aber es geht voran. Angenehm für Großstädter, die auf die öffentliche Infrastruktur angewiesen sind: Gegen 720 Euro Aufpreis gibt es ein 22 kW-Ladegerät. Hello, Zoe!
Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass das elektrische Portfolio von den Erfahrungen mit dem i3 profitiert. iX1, iX3, iX und demnächst iX2 bei den SUVs. i4, i5 und i7 bei den Limousinen. Hier entsteht – anders als derzeit bei Toyota – nicht das Gefühl, dass irgendwie und aus Verlegenheit ein Elektroauto angeboten werden muss. Stichwort Compliance Car. Das Gegenteil ist der Fall. Und wir können davon ausgehen, dass das Design, dass beim iX1 kaum von den X1-Versionen mit Verbrennungsmotor unterscheidbar ist, Absicht ist: Kundenbefragungen haben mutmaßlich ergeben, dass es eben nicht exotisch sein soll wie bei i3 und i8, sondern konventionell.
Assistenzsysteme herausragend
Absolute Spitze sind die Assistenzsysteme im iX1. Ja, BMW lässt sich einige davon teuer bezahlen. Aber das Ergebnis ist beeindruckend. Das Wichtigste in Auszügen: Der iX1 kann selbstverständlich zwischen gelben und weißen Linien in Baustellen differenzieren. Er bildet im Autobahnstau eine Rettungsgasse, und er überholt nicht rechts, auch wenn die gewählte Geschwindigkeit dazu ausreichen würde. Abstandsregelung und Spurführung sind einfach sehr gut. Es fällt auf, dass nichts auffällt. Wo bei anderen Elektroautos fast immer irgendein Abstrich zu finden ist, ist beim BMW nichts zu finden. Um das zu konkretisieren: Der Hyundai Ioniq 6 etwa ist richtig geil geworden. Und trotzdem nervt es, wenn die Hands-off-detection trotz Hand am Lenkrad das Gegenteil erkennt.
Zwei Jahre nach der ersten ausführlichen Ausfahrt im iX3 ist im iX1 auch die Rotlichterkennung verbessert. Im Modus der adaptiven Rekuperation wird die Verzögerung hochgeregelt, wenn die Ampel auf Rot springt. Bei freier Strecke dagegen gleitet der iX1 nahezu widerstandsfrei dahin. Vor engen Kurven, einem Kreisel oder wenn ein vorausfahrendes Fahrzeug identifiziert wird, regelt die Rekuperation wieder hoch, und das alles so präzise und auf den Punkt, wie es sonst nur bei Mercedes zu finden ist.
Mit aktiviertem ACC hält der iX1 sogar an, wenn eine rote Ampel eindeutig identifiziert wurde. In Großstädten, wo viele Ampeln mit unterschiedlichen Signalen nebeneinander hängen, ist das System noch überfordert. Außerhalb wiederum klappt es. Wichtig für die Fahrer ist nur, dass ihnen angezeigt wird, was der BMW gerade macht, und das tut er. Keine Mode Confusion.
Automatisiertes Einparken, relativ niedriger Stromverbrauch
Der Autor dieses Beitrags räumt ein, dass er jede Einparkautomatik bisher für ein Gimmick gehalten hat. Beim BMW iX1 ist das anders. Sobald ein Parkmanöver erkannt wird, fragt eine freundliche Stimme, ob der Rest von allein erledigt werden soll. Ja, bitte. Ein Tipp im Display, und das Elektroauto findet den Weg so schnell und sauber in die Lücke, wie es auch geübte Großstadtpiloten nicht reproduzierbar können. Und: Im Unterschied zu fast allen ähnlichen Systemen muss weder gebremst noch die Fahrstufe geändert werden; in dieser Hinsicht arbeitet der BMW tatsächlich autonom, muss aber formal noch überwacht werden.
Das brauchen Sie alles nicht? Dann lässt sich jede Funktion inklusive des überflüssigen BMW iconic sounds deaktivieren, oder Sie verzichten bereits bei der Bestellung darauf.
In jedem iX1 ist dagegen ein Antriebsstrang eingebaut, der gemessen an den Maßstäben eines kompakten SUVs effizient und sparsam ist. Der iX1 ist zwar das kleinste SUV von BMW, aber immerhin fast auf den Zentimeter so groß wie ein VW Tiguan. Der Durchschnittsverbrauch lag bei 18,9 kWh / 100 km, woraus rechnerisch 342 km resultieren. Das Spektrum ging von minimal 11,6 kWh im fließenden Stadtverkehr über 14,6 kWh im Überlandbetrieb, rund 22 kWh bei Richtgeschwindigkeit bis über 30 kWh bei Vollstrom auf der Autobahn. Das sind gute Werte, zumal die Stirnfläche des iX1 eben die eines SUVs ist, also schlecht.
Wir sind angesichts der Qualität des Batterie-elektrischen Antriebsstrangs gespannt auf die Baureihe, die 2025 als Neue Klasse kommt und die ausschließlich als Elektroauto konzipiert ist. Lässt sich noch ein Fortschritt erreichen, und wie groß wird er sein?
Ein vernünftiger Gegenwert fürs Geld
Dass es BMW traditionell von den Lebenden nimmt, ist bekannt. 55.000 Euro Grundpreis sind nicht wenig, und Gewerbekunden müssen aufmerksam prüfen, was als Extra gebucht wird, falls sie unbedingt unter der Schwelle von 60.000 Euro bleiben wollen. Darüber steigt die Versteuerung des geldwerten Vorteils der Privatnutzung eines Dienstwagens von einem Viertelprozent pro Monat auf ein halbes. Der iX1 kostet fraglos mehr Geld als die Wettbewerber. Ein nüchterner Blick in die Preislisten offenbar allerdings, dass es etliche Hersteller gibt, die für weniger hochwertige Autos gleichfalls Kurse in der Region bis 60.000 Euro aufrufen. Dass es problemlos möglich ist, den BMW iX1 mit M-Sportpaket, den besten Assistenzsysteme und Lederausstattung weit darüber hinauszutreiben, ist Ehrensache.
BMW, so viel ist offensichtlich, will mit dem iX1 die ureigene Kundschaft abholen. Jene Menschen, die sich nicht fragen, ob ein Hyundai Ioniq 5 cooler ist als ein Tesla Model Y. Sondern die anderen, die sich eigentlich nur fragen, welches Premiumprodukt es dieses Mal sein soll. Geräuschkomfort und Verarbeitungsqualität, Fahrwerksabstimmung und Lenkung, sorry liebe Community, aber diese Punkte sind bei BMW überlegen gut.
Die Besteller kriegen etwas für ihr Geld. Und dass BMW sehr gute Elektroautos baut, spricht sich zunehmend herum. Die Öffentlichkeitsarbeit des Vorstandsvorsitzenden Zipse ist klar: Mit der Multiantriebsstrategie will man jeden Kunden mitnehmen und keinen verprellen. Das ist möglicherweise klüger als das Auftreten von Herbert Diess, der manchem Golf-Kunden das Gefühl gegeben hat, er wäre etwas dumm, wenn er nicht doch den ID.3 bestellt.
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