Regierung greift in Handel mit THG-Quoten ein
Die Bundesregierung macht neue Vorgaben für den Handel mit Treibhausgas-Quoten. In einem heute vom Bundeskabinett verabschiedeten Verordnungsentwurf ist vorgesehen, private Ladestationen beim Handel mit THG-Zertifikaten unberücksichtigt zu lassen und die Frist, bis wann die THG-Quoten beim Umweltbundesamt eingereicht werden müssen, zu verkürzen. Mehrere Branchenvertreter üben bereits Kritik.
++ Dieser Beitrag wird laufend aktualisiert ++
Kurz zur Einordnung: Der Markt für den Treibhausgasminderungs-Quotenhandel wurde bekanntlich per Gesetz ab 2022 auch für Halter von Elektrofahrzeugen und Ladesäulenbetreiber geöffnet. Das kreierte rege Aktivität einer Vielzahl neuer Anbieter in diesem Bereich. Die Treibhausgasminderungsquote (kurz THG-Quote) ist kurz gesagt ein Klimaschutz-Instrument, um Treibhausgase im Verkehrssektor zu verringern. Auch Halter privater E-Autos, E-Flottenbetreiber und Betreiber von Ladesäulen können mithandeln und sich so recht unkompliziert Erlöse sichern – in der Praxis durch die Übertragung ihrer Ladestrommengen an Dritte, die diese gebündelt handeln. Denn für die quotenverpflichteten Unternehmen – das sind vor allem Mineralölkonzerne – an anderen Ende des Verhandlungstischs wäre der Aufwand beträchtlich, sich die benötigten Quoten von einzelnen Personen oder Unternehmen zusammenzukaufen.
So viel zur Vorrede. Wie „Energate“ berichtet, verabschiedet das Bundeskabinett heute einen Verordnungsentwurf, der diesen noch jungen Markt Richtungsimpulse geben und einen „Auftragsstau“ beim Umweltbundesamt verhindern soll. Ziel der Regierung ist es demnach, direkt für öffentliche Ladesäulen erzeugten Strom aus Erneuerbaren Energien leichter auf die THG-Quote anrechenbar zu machen – und zwar „durch die Einführung zusätzlicher Nachweismethoden und den Abbau von Einschränkungen“, wie „Energate“ unter Berufung auf den Vertragsentwurf berichtet. Aber: Dies gilt offenbar nur für öffentliche Säulen. Heißt: Privater Solarstrom zur direkten Verwendung in E-Fahrzeugen wird beim Handel mit den THG-Zertifikaten auch künftig nicht anerkannt.
Inzwischen liegt unserer Redaktion eine gegen Mittag eingegangene Pressemitteilung des Umweltministeriums vor, die die Verabschiedung der Verordnung „ohne Aussprache“ bestätigt, sprich ohne Änderungen. Die Modifizierungen der bestehenden gesetzlichen Regelungen machen es „für Betreiber öffentlicher Ladeinfrastruktur attraktiver, Ökostrom direkt an der Ladesäule zu produzieren, zum Beispiel über eine lokale Solar- oder Windkraftanlage“, teilt das Ministerium mit.
An Ladesäulen erzeugter Ökostrom ab 2024 anrechenbar
Bundesumweltministerin Steffi Lemke wird mit den Worten zitiert, dass der Fortschritt bei der Elektromobilität nicht zuletzt auf die Treibhausgasminderungsquote zurückgehe, die Mineralölkonzerne zu mehr Klimaschutz verpflichte und die das Bereitstellen von Strom für E-Fahrzeuge als attraktive Erfüllungsoption vorsehe. „Die neue Regel in der THG-Quote ist eine gute Nachricht für alle, die ihr E-Auto am liebsten mit Ökostrom fahren. Bisher laden Autofahrerinnen und Autofahrer an öffentlichen Ladesäulen in der Regel den handelsüblichen Strommix, der auch aus fossilen Energien stammen kann. Wenn der Ladestrom lokal mit erneuerbaren Energien hergestellt wird, wird E-Autofahren noch klimafreundlicher.“
Die beschlossene Verordnung tritt der offiziellen Mitteilung zufolge in wenigen Wochen nach der Verkündung in Kraft. Die Anrechnung von an öffentlichen Ladesäulen erzeugtem Ökostrom ist ab dem Jahr 2024 möglich. Private Ladestationen erwähnt das Ministerium in seiner Mitteilung nur ein einziges Mal – aber nur im Nutzfahrzeug-Kontext: „Im nächsten Schritt soll die Anrechnung von Strom für schwere Nutzfahrzeuge bei Ladungen im nicht-öffentlichen Bereich verbessert werden“, heißt es.
Eine zweite elementare Änderung der geltenden Regelungen betrifft die Frist, bis wann die jährlichen THG-Quoten von den Anbietern per Antrag beim Umweltbundesamt eingereicht werden müssen. Dieser Schritt ist zur Auszahlung notwendig. Die Regierung will „Energate“ zufolge die Bearbeitung in dem Amt beschleunigen und einen „Antragsstau“ vermeiden. Deshalb soll die Frist vom Stichtag 28. Februar des Folgejahres auf den 15. November des Verpflichtungsjahres vorgezogen werden. Da die Strommengen für BEV geschätzt werden, könne eine Mitteilung beim Umweltbundesamt unterjährig erfolgen, zitiert „Energate“ die entsprechende Passage aus dem Entwurf. Das Umweltministerium äußert sich in seiner gegen Mittag eingetroffenen Mitteilung im Nachgang der Abstimmung nicht zu dieser Passage.
Der Bundesverband THG Quote, in dem sich einige Anbieter der Branche seit Kurzem organisiert haben, kritisiert diesen Vorstoß unterdessen scharf. Denn damit erhielten „elektrische Fahrzeuge, die nach dem 15. November bis zum 31. Dezember des jeweiligen Verpflichtungsjahres zugelassen werden, keine Förderung mehr“, so der Verband in einer uns per E-Mail vorliegenden Mitteilung. Und weiter: „Der für heute geplante Kabinettsbeschluss würde damit rund 35% der neu zugelassenen Elektrofahrzeuge in Deutschland von der Geltendmachung der THG Quote für 2023 ausschließen. Das zumindest lassen die Vergleichszahlen aus der KBA-Zulassungsstatistik 2022 befürchten. Nach Berechnungen unseres Verbandes entspricht das Handelsminus damit einer Summe von rund 50 Millionen Euro, die von der Zertifikate kaufenden Mineralölindustrie nicht in die Elektromobilität umverteilt werden.“
Der Bundesverband THG-Quote wendet sich daher gegen diese Pläne und fordert eine „substantielle Überarbeitung des lang erwarteten und nunmehr kontraproduktiven Entwurfs“. Er vergegenwärtigt auch, dass jeder Eingriff in den Handelsmechanismus ein Eingriff in den Markt sei, an dem sich inzwischen zahlreiche Akteure aufgestellt haben. „Veränderungen wirken auf bereits geschlossene Verträge und führen zu wirtschaftlichen Risiken vieler Marktteilnehmer, die sich noch bis gestern konstanter Marktbedingungen sicher glaubten. Mit dem geplanten Schritt greift die Bundesregierung aktiv in den Markt ein und provoziert sehenden Auges deutliche wirtschaftliche Risiken der THG-Händler, die sowohl bei Verbrauchern als auch Mineralölfirmen Verbindlichkeiten aufgebaut haben.“
Mit Blick auf das Umweltbundesamt konstatiert der Verband, dass die Kabinettsvorlage deutlich mache, dass das Arbeitsvolumen für die zuständige Aufsichtsbehörde zu groß ist. „Der Behördenaufwand soll reduziert werden, was aufgrund der bisherigen Personaldecke und Arbeitsweise der Behörde mit Excel-Listen, E-Mail-Abwicklung und Fax Geräten durchaus nachvollziehbar ist. Allerdings muss dafür nicht der Marktmechanismus geändert werden, sondern die Ausstattung des Umweltbundesamt mit moderner Software.“
„Schwächung eines funktionierenden Förderinstruments“
Auch der ADAC positioniert sich bereits vor der endgültigen Verabschiedung des Entwurfs gegen die darin enthaltene Friständerung: „Das Vorziehen der Frist schwächt das funktionierende Förderinstrument erheblich und führt in der Konsequenz dazu, dass viele Halter von Elektrofahrzeugen für das Jahr 2023 leer ausgehen. Das ist insbesondere vor dem Hintergrund bestehender Risiken für den Hochlauf der E-Mobilität nicht nachvollziehbar“, heißt es in einer uns per E-Mail vorliegenden Stellungnahme des Automobilclubs.
Und weiter: „Die THG-Quote ist ein zusätzlicher Kaufanreiz, der so verbraucherfreundlich wie möglich gestaltet werden muss. Insofern müssen Fristen angeboten werden, die es ermöglichen, dass alle Verbraucher bis zum Jahresende freie Wahl beim Quoten-Anbieter haben und der geplante Hochlauf der Elektromobilität nicht weiter durch unpraktikable Regelungen ins Stocken gerät.“
energate-messenger.de (Paywall), bmuv.de
3 Kommentare