Berliner Learnings zum Elektrobus-Gesamtsystem
Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) leisten wertvolle Vorarbeit für weitere Verkehrsbetriebe, indem sie die Integration von Elektrobussen, den Aufbau von Ladeanlagen und die Einführung eines Flottenmanagements wissenschaftlich begleiten lassen. Zum Projekt E-MetroBus teilen die Beteiligten nun ihre Learnings – gleichzeitig geht die Entwicklungsarbeit im Folgeprojekt E-Bus 2030+ weiter.
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Dass für die erfolgreiche Umstellung auf Elektrobusse mehr als nur die Beschaffung von Fahrzeugen und der Aufbau von Infrastruktur notwendig ist, hat sich inzwischen bei den meisten Verkehrsbetrieben herumgesprochen. Diesem „Mehr“ sind die Berliner Verkehrsbetriebe zusammen mit der TU Berlin und dem Reiner-Lemoine-Institut seit 2019 auf der Spur. Seinerzeit startete das auf vier Jahre angelegte Projekt E-MetroBus, das die Einführung von 17 E-Gelenkbussen zum Inhalt hatte. Dieser Tage feierten die Teilnehmer den offiziellen Projektabschluss.
Die Beschaffung einer E-Busflotte in dieser Größenordnung ist heute kein Alleinstellungsmerkmal mehr. 2019 waren die BVG mit den 17 Elektro-Gelenkbussen von Solaris durchaus mutig. Viel wichtiger dabei: Flankiert von Wissenschaftlern der TU Berlin und dem Reiner-Lemoine-Institut sollen Verkehrsbetriebe in ganz Deutschland von den aus Berlin gewonnenen Erkenntnissen profitieren. Dazu gleich mehr.
Die 17 Gelenkbusse des Typs Solaris Urbino 18 electric sind seit 2019 vorrangig auf der Linie 200 zwischen Hertzallee und Michelangelostraße unterwegs. Sie ersetzten dort die identische Anzahl an Dieselfahrzeugen und haben nach Angaben der Projektteilnehmer allein in der Projektlaufzeit zwischen Januar 2019 und Dezember 2022 rund 3.200 Tonnen CO2 sowie circa 400 Kilogramm NOx eingespart. Wie ihre Diesel-Vorgänger befördern auch die Elektrobusse bis zu 99 Fahrgäste.
Auf dem Weg zur Umstellung von Diesel auf Batterie-elektrischen Antrieb gingen die Projektpartner in den vergangenen Jahren angesichts zahlreicher Herausforderungen auf Lösungssuche – etwa beim Thema Laden: „Um die Busse in kurzen Pausenzeiten effektiv laden zu können, wurden an den beiden Endhaltestellen Schnelllader, sogenannte Top-Down-Pantografen mit einer Leistung von mehr als 300 Kilowatt installiert. Mit diesen können die Fahrzeuge zwischengeladen werden und damit 24 Stunden im Einsatz sein“, heißt es in einer begleitenden Mitteilung.
Konkret arbeitet die BVG auf der Linie 200 mit Pantografen-Ladern von Siemens. Jeweils zwei stehen an den Haltestellen Michelangelostraße in Prenzlauer Berg und an der Hertzallee in Charlottenburg, eine weitere auf dem BVG-Betriebshof an der Indira-Gandhi-Straße in Weißensee. Für die Linie 200 als Versuchsroute hatte sich die BVG damals entschieden, weil sie hochfrequentiert ist. Der 200er Bus fährt an vielen Highlights Berlins vorbei: Er startet am Bahnhof Zoo, passiert die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und den Zoologischen Garten, die Nordischen Botschaften, den Tiergarten, die Philharmonie, den Potsdamer Platz und den Bundesrat, die Mühlendammschleuse, das Nikolaiviertel und das Rote Rathaus und endet nach einer guten halben Stunde am Alexanderplatz.
Das Zwischenlade-Konzept hat in Berlin überzeugt – jedenfalls in Kombination mit 18-Meter-Bussen. Erst kürzlich wurde publik, dass der Verkehrsbetrieb den Kauf von 350 elektrisch betriebenen Gelenkbussen mit Pantografen vorbereitet und an bis zu 90 Standorten in der Stadt neue Gelegenheits-Lader für E-Busse installieren will.
Doch zurück zu den Erkenntnissen des Pilotprojekts: Gezeigt habe sich auch, dass man durch flexible Ladezeiten Verspätungen und Umleitungen im hochfrequentierten Berliner Stadtverkehr ausgleichen könne, heißt es. Und: Die Umlaufpläne mussten für die E-Gelenkbusse nur sehr geringfügig angepasst werden. Außerdem ist es den Initiatoren zufolge gelungen, eine Schnellladetechnologie zu entwickeln und zu erproben, die das lokale Stromnetz „nicht allzu sehr belastet“.
In der umfassenden Begleitforschung zum Projekt erarbeiteten die Partner ferner ein Betriebs- und Energieversorgungskonzept, das die lokale Integration erneuerbarer Energieerzeugung und -speicherung in ein Netz von Elektrobus-Ladestationen sowie in einen E-Bus-Betriebshof gestattet. Davon sollen auch andere profitieren: „Eine davon abgeleitete Open-Source-Planungssoftware zur Unterstützung der Flottenelektrifizierung wird demnächst zur Verfügung gestellt“, teilen die Projektteilnehmer mit. Außerdem arbeitete das Trio erfolgreich an einer effektiven Klimatisierung der Busse – „denn hier Energie zu sparen ist ein wichtiger Hebel zur Reichweitenerhöhung“.
E-MetroBus wurde durch die Förderrichtlinie Elektromobilität des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr mit 5,6 Millionen Euro (1,4 Millionen Euro für Forschung und Entwicklung, 4,2 Millionen Euro für die Beschaffung von Bussen und Ladeinfrastruktur) gefördert. Kurt-Christoph von Knobelsdorff, CEO und Sprecher der NOW GmbH, äußert sich zum Projektabschluss wie folgt: „Die Umstellung des ÖPNV auf emissionsfreie Antriebe ist eine Mammutaufgabe. Forschung- und Entwicklungsprojekte wie E-MetroBus sind hier enorm wertvoll: praktische Erfahrungen, wissenschaftlich begleitet und aufbereitet, helfen all jenen Verkehrsunternehmen, die vor Beschaffung, Aufbau und Nutzung von E-Bussen und der dazugehörigen Infrastruktur stehen – und der Industrie bei der Entwicklung eines marktgerechten Angebots.“
Daniel Hesse, Leiter Stabsabteilung Technologie & Innovation und Programmleiter Elektromobilität bei der BVG, stimmt mit ein: “Wir freuen uns über den erfolgreichen Abschluss des E-MetroBus-Projektes als wesentlichen Meilenstein auf dem Weg zur Elektrifizierung der gesamten Busflotte der BVG bis 2030. Die aus diesem Forschungsprojekt gewonnenen Erkenntnisse sind wegweisend für die Dekarbonisierung unserer Busflotte in den nächsten Jahren – auf unseren Betriebshöfen, aber auch bei der Implementierung von Ladeinfrastruktur im gesamten Stadtgebiet.”
Im Folgeprojekt E-Bus 2030+ wollen die BVG, die TU Berlin und das Reiner-Lemoine-Institut die Erkenntnisse nun auf die Umstellung der gesamten Flotte ausweiten. Und um die darin stattfindende Begleitforschung auf möglichst viele Anwendungsfälle übertragbar zu gestalten, wird das Konsortium diesmal verschiedene Verkehrsbetriebe einbeziehen. Ein Kernaspekt der Forschungsarbeit wird dabei in der Weiterentwicklung und Zusammenführung von Softwarelösungen der TU Berlin und des Reiner-Lemoine-Instituts liegen. „Ziel ist am Ende des Projektes eine universell einsetzbare, gut zu bedienende Softwarelösung präsentieren zu können, die in Zukunft auch für weitere Dekarbonisierungsvorhaben in anderen Städten und Regionen angewendet werden kann“, teilt das Trio mit.
Das Projekt läuft bis 2025 und soll in Berlin einen wichtigen Beitrag zur vollständigen Dekarbonisierung des dortigen Busverkehrs leisten. Die BVG will bekanntlich bis 2030 ihre rund 1.500 Fahrzeuge umfassende Stadtbus-Flotte komplett auf Elektroantrieb umstellen. Bis Ende 2025 soll die Anzahl der in Betrieb befindlichen und vom Bund geförderten E-Busse in Berlin auf 578 steigen.
now-gmbh.de (E-MetroBus), now-gmbh.de (E-Bus 2030+)
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