VW-Tochter und Polestar führen NACS-Anschluss in Nordamerika ein
Auch der Volkswagen-Konzern öffnet sich in Nordamerika dem Schnellladesystem von Tesla. Die Volkswagen-Ladeinfrastruktur-Tochter Electrify America hat angekündigt, den NACS-Anschluss in seine Schnellladestationen in den USA sowie in die des kanadischen Ablegers Electrify Canada zu integrieren – der Schritt, das Tesla-Ladesystem in die Autos des Konzerns zu bringen, wird noch geprüft.
Geplant sei, bis 2025 an allen bestehenden und neuen Ladestationen der Netzwerke in Nordamerika neben CCS auch eine NACS-Anschlussoption anzubieten, teilt Electrify America mit. Damit sollen Autohersteller unterstützt werden, die NACS-Ladeanschlüsse einführen wollen. Bisher sind das neben dem NACS-Entwickler Tesla die US-Riesen Ford und General Motors, das Startup Rivian sowie Volvo und nun auch Polestar – gleich mehr zu der schwedisch-chinesischen Marke.
Seit der Gründung von Electrify America sieht sich die Volkswagen-Tochter als „das größte offene Gleichstrom-Schnellladenetzwerk in den USA“, spricht also bewusst auch andere Marken an. Auch weitere (Schnell-)Ladeanbieter hatten in den vergangenen Wochen angekündigt, ihre Ladestationen mit NACS-Kabeln nachzurüsten und neue Säulen von Anfang an damit auszustatten. Wenn nun mit Electrify America der größte markenunabhängige Schnellladeanbieter nachzieht, gibt es für die Autobauer zunehmend weniger Gründe, in ihre neuen Modelle noch einen CCS1-Port zu integrieren.
Electrify America betont zwar, dass die NACS-Lademöglichkeit zusätzlich zu den CCS1-Anschlüssen angeboten werden soll. Da sich NACS innerhalb weniger Wochen zu einem De-facto-Standard verbreitet hat, ist es aus Kundensicht aber von Vorteil, ein E-Auto mit NACS-Ladeport zu fahren. Denn damit können sie sowohl an den geöffneten Tesla-Superchargern als auch bei den anderen Betreibern ohne Adapter laden – ein einfaches und unkompliziertes Ladeerlebnis. Wer hingegen in Nordamerika nach 2025 einen Neuwagen mit CCS1-Anschluss kauft, muss für das Laden an den bis dahin vermutlich weit verbreiteten NACS-Säulen einen Adapter verwenden, wenn nicht zusätzlich ein CCS-Kabel angeboten wird. Kein Weltuntergang, aber umständlicher.
VW erwägt NACS für seine E-Autos
Daher überrascht es kaum, dass auch Volkswagen selbst offenbar erwägt, seine Elektroautos in Nordamerika mit einem Tesla-Ladeport auszurüsten. „Der Volkswagen-Konzern und seine Marken prüfen derzeit die Umsetzung des Tesla North American Charging Standard (NACS) für seine nordamerikanischen Kunden“, erklärte der Konzern gegenüber Reuters.
Klar ist hingegen, dass Polestar ab 2025 in seinen Elektroautos für den nordamerikanischen Markt den Tesla-Ladeport anbieten wird. Aufgrund der engen Verbindung zu Volvo, das den Schritt früher in dieser Woche verkündet hatte, ist die Polestar-Entscheidung wenig überraschend. So teilen sich etwa die kommenden Modelle Volvo EX90 und Polestar 3 nicht nur die Plattform, sondern auch die Ladetechnik.
Und auch bei den Anbietern von Lade-Hardware wird die Liste mit NACS-Angeboten länger. ADS-TEC Energy, ein deutscher Anbieter von speicherbasierten Ultra-Schnellladesystemen in Europa und den USA, wird NACS-Lademöglichkeiten für seine Schnellladesysteme für den US-Markt anbieten. Das Unternehmen sei offen für alle Optionen – und kann derzeit nach eigenen Angaben selbst nicht absehen, ob NACS den CCS1-Standard damit in Nordamerika verdrängen wird oder ob sie dauerhaft parallel existieren können. „Wie auch immer ein künftiger Standard in den USA aussehen wird: Wir können die Lösungen dafür entwickeln“, erklärt Thomas Speidel, CEO von ADS-TEC Energy. „Auf Basis unserer sehr hohen Entwicklungstiefe sind wir handlungsfähig und werden Lösungen für Fahrzeuge mit dem NACS-Stecker anbieten.“
Tesla hatte im November 2022 das Design seines proprietären Ladesteckers freigegeben und das System seitdem als „North American Charging Standard“ bezeichnet. Der schlanke Stecker und der kompakte Ladeport im Fahrzeug ermöglichen (einphasiges) AC-Laden sowie das DC-Schnellladen – letzteres lange Zeit ausschließlich an Teslas eigenen Superchargern. Seitdem in den vergangenen Wochen Autobauer wie Ford, General Motors, Rivian und auch Volvo angekündigt haben, ab 2025 den NACS-Ladeport in ihren Nordamerika-Modellen zu verbauen, haben auch zahlreiche CPO und Ladeinfrastruktur-Hersteller verkündet, künftig neben CCS1-, CHAdeMO- und dem US-AC-Standard J1772-Kabel auch NACS an ihren Ladesäulen anzubieten.
Auch wenn der NACS noch kein zertifizierter Standard ist – sowohl die CharIN als auch die SAE haben entsprechende Verfahren angekündigt –, könnte der NACS mit den Vorstößen der großen Hersteller und nun auch der Ladebranche zu einem De-facto-Standard werden, an dem kein Hersteller in Nordamerika vorbeikommt – noch bevor das Zertifizierungsverfahren überhaupt abgeschlossen ist.
electrifyamerica.com, reuters.com (beide VW), polestar.com, ads-tec-energy.com
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