ZF demonstriert neuen 800-Volt-Antrieb
ZF hat in einem Konzeptauto namens EVbeat auf Basis des Porsche Taycan einen neuen 800-Volt-Antrieb und ein selbst entwickeltes zentrales Thermomanagement-System für E-Fahrzeuge demonstriert. Ab 2026 sollen die ersten Technologien des neuen ZF-Antriebs am Markt verfügbar sein.
Der neue Antrieb namens EVSys800 ist ein modular aufgebautes 800-Volt-System für Pkw und besteht aus einer Siliziumkarbid-Leistungselektronik, dem E-Motor und einem Reduziergetriebe. Beim Gewicht kommt der Antrieb auf nur 74 Kilogramm, bei den Abmessungen spart er laut ZF 50 Millimeter Bauraum in der Breite ein, was vor allem auf „das kompakte Reduziergetriebe und die von ZF patentierte Braided-Winding-Wicklungstechnologie des E-Motors“ zurückzuführen ist.
Der kompakte EVSys800 soll dabei 206 kW Dauer- bzw. 275 kW Spitzenleistung aufbieten – sowie eine Drehmomentdichte von 70 Newtonmetern pro Kilogramm Antriebsgewicht. Damit stehe dem Konzeptfahrzeug an der Hinterachse ein maximales Drehmoment von 5.200 Newtonmetern zur Verfügung, heißt es. Und: „Mit 74 Kilogramm ist EVSys800, normiert auf die gleiche Leistung wie der neueste ZF-800-Volt-Serienantrieb, rund 40 Kilogramm oder ein Drittel leichter und trägt damit deutlich zu den Gewichtseinsparungen des Konzeptfahrzeugs bei.“
Erreicht worden ist dies dem Zulieferer aus Friedrichshafen zufolge vor allem mit einem neuen Kühlkonzept und einer neuen Wicklungstechnologie des E-Motors. Zur Kühlung umfließt Öl im neuen E-Motor direkt die Kupferstäbe. Außerdem trägt die sogenannte Braided-Winding-Wicklung (eine Weiterentwicklung der Wellenwicklung) zu weniger Raumbeanspruchung bei. „Allein der Wickelkopf wird dabei bis zu 50 Prozent kleiner als bei herkömmlichen Ansätzen. Damit werden rund zehn Prozent Kupfer gespart“, so der Hersteller.
Auch der Wechselrichter des E-Antriebs wurde grundlegend neu gestaltet. Bei der elektromagnetischen Verträglichkeit, den Leistungsmodulen und den Kondensatoren hat ZF nach eigenen Angaben „jeweils eine deutliche Verbesserung in Bezug auf Bauraum, Gewicht und Nachhaltigkeit erzielt“. Das neue, koaxiale Reduziergetriebe trägt ebenfalls zur Performance bei, indem es die Antriebskräfte der E-Maschine über zwei Planetensätze überträgt. Ab 2026 sollen die ersten Technologien des neuen ZF-Antriebs am Markt verfügbar sein.
Als zweite Produktneuheit demonstriert ZF im Konzeptfahrzeug EVbeat ein zentrales Thermomanagementsystem namens TherMaS. Dieses soll mittels einer zentralen Einheit und intelligenter Software alle thermischen Vorgänge für Antrieb, Batterie und Fahrgastraum steuern. Das neue Design senkt laut ZF den Platzbedarf und das Gewicht deutlich gegenüber bisherigen Ansätzen für Kühlung und Heizung von E-Pkw. Aufgrund einer propanbasierten 800-Volt-Wärmepumpe werde zudem deutlich weniger Energie benötigt.
Konkret verfügt das TherMaS-Konzept über drei ausgewiesene Kreisläufe: „Im Zentrum befindet sich der sehr kleine Kältemittelkreislauf. Dieser ist vorbefüllt und hermetisch geschlossen und deshalb wartungsfrei“, führt ZF aus. Als Kältemittel dient Propan. Dieser zentrale Kältemittelkreislauf bedient bei Bedarf zwei separat steuerbare Kühlkreisläufe, in denen wie üblich frostgeschütztes Wasser fließt: Der erste ist auf die vergleichsweise hohen Temperaturen der E-Maschine ausgelegt, der zweite temperiert die Leistungs- und Ladeelektronik. Die Steuerungssoftware regelt dabei die bedarfsgerechte Kühlleistung.
„Dank dieses gesamthaften Thermomanagements steigt die Reichweite des EVbeat im anspruchsvollen Winterbetrieb um bis zu einem Drittel. Die deutlich bessere Kühlperformance macht die höhere Dauerleistung der E-Maschine möglich“, äußert ZF.
Als dritte Neuheit stellt ZF im umgebauten Taycan eine neue Cloud-vernetzte Antriebssoftware vor, die alle relevanten Fahrzeugsysteme untereinander vernetzt und als Aufgabe hat, die thermischen Betriebspunkte des E-Motors stets im optimalen Bereich zu halten: „Bei niedrigen Geschwindigkeiten und hohem Drehmomentbedarf liegt der optimale thermische Betriebspunkt sehr niedrig, während bei hohen Geschwindigkeiten mit niedrigem Drehmomentbedarf hohe Temperaturen kein Problem darstellen. Die thermischen Verhältnisse lassen sich allerdings nicht kurzfristig herstellen“, führen die Friedrichshafener aus. Die Antriebssoftware könne aus den individuellen Fahrprofilen vorausschauend die optimalen Betriebspunkte ableiten. Außerdem „lerne“ sie das Verhalten der Fahrerinnen und Fahrer und könne durch einen KI-basierten Cloudservice die Wahrscheinlichkeit für individuelle Fahrprofile vorwegnehmen.
„Nachhaltige Mobilität ist Kern unserer Unternehmensstrategie“, resümiert Stephan von Schuckmann, Vorstandsmitglied von ZF und unter anderem verantwortlich für elektrifizierte Antriebssysteme. „Auf der Grundlage eines heute schon effizienten Serienfahrzeugs zeigen wir, welche Potenziale künftige E-Antriebskomponenten bieten, wenn wir sie zu einem noch effizienteren Gesamtsystem kombinieren.“
„Unser Ziel war es, diesen Antrieb bei hoher Fahrdynamik so kompakt und leicht wie möglich zu machen und die Reichweite im realen Betrieb zu erhöhen“, ergänzt Dr. Otmar Scharrer, Entwicklungsleiter für elektrische Antriebssysteme bei ZF. „Bei der Drehmomentdichte stehen wir ganz oben auf dem Treppchen, wenn wir uns mit derzeit auf dem Markt erhältlichen E-Antrieben für Pkw vergleichen. Zugleich haben wir bei der Entwicklung stark auf den Aspekt Nachhaltigkeit geachtet.“ Der E-Motor komme ohne schwere Seltene Erden und das Thermomanagementsystem ohne fluorhaltiges Kältemittel aus. Hinzu komme die geringere Anzahl von Bauteilen und das um rund ein Drittel reduzierte Systemgewicht.
press.zf.com
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