Hat VW ein E-Auto-Nachfrageproblem in Europa?
Nach Schwächen im China-Geschäft hat Volkswagen auch in Europa angeblich mit Nachfrageproblemen bei seinen Elektromodellen zu kämpfen. Im Privatkundensegment liegen die Auftragseingänge in Deutschland laut einem Medienbericht deutlich unter dem geplanten Jahresziel.
Das berichtete ein Insider aus Händlerkreisen dem „Handelsblatt“. Betroffen seien alle Batterie-elektrischen Modelle der Marke Volkswagen, also ID.3, ID.4, ID.5 und ID. Buzz. Eine Sprecherin der Marke VW bestätigte der Wirtschaftszeitung auf Anfrage, dass das Unternehmen zurzeit „ebenso wie andere Automobilhersteller eine allgemeine Kaufzurückhaltung bei Elektroautos“ spüre.
Die Aussagen des Insiders passen zu der jüngsten Informationslage: Ende Juni wurde bereits berichtet , dass VW in seinem Werk in Emden vorübergehend die Produktion von Elektroautos reduziert. Und auch gegenüber der Redaktion von electrive.net gab eine VW-Sprecherin im Juni an, dass die Lieferzeit bei den Modellen der ID.-Familie aktuell bei zwei bis drei Monaten liege, abhängig von der jeweiligen Ausstattung. „Kunden, die sich für ein vorkonfiguriertes Fahrzeug entscheiden, können ihr Auto unter Umständen sogar noch kurzfristiger bekommen“, so die Sprecherin. Da eine Steigerung der Produktion in den MEB-Werken nicht verkündet wurde, liegt nahe, dass die verkürzte Lieferzeit mit einer geringeren Nachfrage zu erklären ist.
Zudem nennt das „Handelsblatt“ einige Zahlen des Datendienstleisters Marklines: Demnach hat VW zwischen Januar und Mai 97.000 Einheiten seiner ID.-Modelle in Europa gebaut, aber nur 73.000 davon verkauft. Tesla kam in diesem Zeitraum alleine mit seinem Model Y auf über 100.000 Verkäufe.
Hinzu kommt die wachsende Konkurrenz: So wurde etwas der MG4, ein direkter Konkurrent des ID.3 von VW, von Januar bis Mai in Europa rund 23.100-mal zugelassen. Der VW ID.3 kam in diesem Zeitraum auf knapp 28.000 Zulassungen. Und: Laut Marklines wurde der ID.3 36.500 Mal gebaut. Und auch beim Hoffnungsträger ID. Buzz werden die Pläne wohl nicht erfüllt, laut dem Bericht dürfte die „maue Nachfrage“ den Konzernoberen „Schmerzen bereiten“: In den ersten fünf Monaten wurden wohl 9.000 Einheiten in Hannover gebaut, davon wurden 5.577 in Europa zugelassen. Geplant waren für das Gesamtjahr rund 44.000 ID. Buzz, was Volkswagen angesichts der Lage von Januar bis Mai deutlich verfehlen dürfte.
Mehrere Händler, die vom „Handelsblatt“ befragt wurden, hatten die Zurückhaltung der Privatkunden vor allem mit der gesunkenen Elektroförderung, der hohen Inflation und immer noch vergleichsweise hohen Preisen bei den VW-Elektroautos erklärt. Allerdings halten sich die Privatkunden nicht nur bei den E-Autos zurück, auch bei den Verbrennermodellen gebe es laut Händlerkreisen „klare Auftragsrückgänge“.
Als Volkswagen im Januar die Auslieferungszahlen für das Jahr 2022 vermeldet hatte, gab die Marke noch an, in Europa über alle Antriebsarten hinweg rund 640.000 Kundenaufträge zu haben. Laut dem „Handelsblatt“-Bericht liegt der Auftragseingang nun bei „etwa 650.000 Fahrzeugen“. „Allerdings schmelzen die vorhandenen Orders offenbar rascher dahin als geplant, weil zu wenig neue Aufträge reinkommen – vor allem aus dem Segment der batteriebetriebenen Fahrzeuge“, heißt es in dem Bericht. Zudem werden Führungskräfte von betroffenen Werken zitiert, wonach die Nachfrage für einige E-Modelle teilweise „auf null“ gefallen sei. Händler schätzen demnach, dass der Bestand bis zum Herbst abgearbeitet sein könne, wenn keine neuen Aufträge kommen.
„Weitgehend planmäßig“ läuft hingegen nur das Großkundengeschäft. Mit dem Flottenabsatz sei daher auch das Zulassungs-Plus von 16 Prozent bei der Marke VW im ersten Halbjahr 2023 zu erklären.
handelsblatt.com
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