Easee ist in wirtschaftlichen Schwierigkeiten
Der norwegische Wallbox-Hersteller Easee, der in diesem Jahr wegen potenziellen Sicherheitsmängeln in die Schlagzeilen geraten war, ist in finanzielle Schieflage geraten. Gründer Jonas Helmikstøl ist als Geschäftsführer zurücktreten und mehr als die Hälfte der Belegschaft soll gehen.
Kurzer Rückblick: Im Februar hatte der Test der Elsälerhetverket, der schwedischen Behörde für elektrische Sicherheit, ergeben, dass in der weit verbreiteten Wallbox Easee Home entgegen der Deklaration unter anderem kein klassischer FI-Schalter verbaut ist. Zudem sollen einige EU-Deklarationen nicht erfüllt werden. In der Folge hatte sich in der Tat herausgestellt, dass Easee keinen separaten FI-Schalter in einem DIN-Schacht verbaut, sondern eine innovative und in das Gesamtsystem integrierte Lösung entwickelt hat. Das Unternehmen besteht darauf, dass diese Lösung alle Funktionalitäten eines FI-Schalters erfüllt und aufgrund der automatischen Checks sogar sicherer sei. Allerdings folgte die Elsälerhetverket dieser Interpretation nicht und verhängte ein Verkaufsverbot – in der Folge gab es aufgrund der EU-Vorgaben weitere Verfahren in anderen Ländern, die teilweise ebenfalls in einem vorläufigen Verkaufsverbot geendet sind.
An einem jungen Unternehmen, das ausschließlich auf den Verkauf und Betrieb von Ladestationen ausgelegt ist, konnten diese Vorgänge nicht spurlos vorbeigehen. Wie das norwegische Portal „Dagens Næringsliv“ berichtet, hat das Management seit Monaten in enger Zusammenarbeit mit Finanzberatern versucht, den Liquiditätsbedarf zu decken. Denn selbst wenn in einem Land kein Verkaufsverbot verhängt wurde, hatten die Vorwürfe zu einer starken Zurückhaltung bei den Verbrauchern geführt, noch eine neue Easee-Wallbox zu installieren.
Am vergangenen Wochenende ist es offenbar zu einer Einigung gekommen, wie Easee vor der Insolvenz bewahrt werden soll. Laut dem „DN“-Artikel schießen bestehende Investoren über ein Wandeldarlehen insgesamt 60 Millionen Norwegische Kronen, also umgerechnet 5,23 Millionen Euro, zu. Wie Easee selbst bestätigt, handelt es sich dabei um Wiski Capital, Dristi Capital und Montin, die gemeinsam mit dem Gründer-Trio das Geld bereitstellen – die genaue Verteilung ist aber nicht bekannt. Zuvor war es nicht gelungen, über Broker an ein Wandeldarlehen von 300 bis 350 Millionen NOK (26 bis 30,5 Millionen Euro) zu kommen, so die Zeitung.
225 von 350 Arbeitsplätzen fallen weg
Dafür gibt Easee-Mitgründer Jonas Helmikstøl seinen Posten als Geschäftsführer auf, bleibt aber in einer noch nicht bekannten Funktion im Unternehmen tätig. Das gilt aber nicht für alle Beschäftigten: Teil des Plans ist demnach auch, dass 225 von 350 Angestellten das Unternehmen verlassen müssen, davon 138 Mitarbeitende in Norwegen, in Deutschland sollen 35 Stellen gestrichen werden. In Großbritannien fallen 30, in den Niederlanden 17 und in Frankreich fünf Stellen weg. Der CEO-Posten soll erst im Oktober nachbesetzt werden.
„Es tut unbeschreiblich weh, von so vielen wunderbaren Menschen Abschied nehmen zu müssen, die alles dafür gegeben haben, dass Easee das überstanden hat. Ich selbst habe mein Bestes gegeben und härter als je zuvor gearbeitet, um dies zu verhindern, aber leider hat es nicht gereicht. Es tut mir wirklich leid“, wird Helmikstøl zitiert.
Nils Thomas Lien von Investor Montin gibt in der Mitteilung an, dass Easee bewiesen habe, dass es eine starke Organisation und ein vom Markt gewünschtes Produkt habe. „Wir glauben, dass die schmerzhaften Erfahrungen der letzten Monate dazu führen werden, dass Easee als stärkeres und besseres Unternehmen zurückkehren wird, und daran wollen wir teilhaben und deshalb investieren wir Kapital“, so der Investor.
Easee arbeitet nach eigenen Angaben noch daran, eine Einigung mit den verbliebenen Gläubigern zu erzielen. Parallel wird ein neues Dokumentationspaket erstellt, um „bevorstehende Produkteinführungen“ abzusichern.
Helmikstøl hatte Easee im Jahr 2018 gemeinsam mit Kjetil Næsje und Steffen Mølgaard gegründet und zu einem hochprofitablen Unternehmen entwickelt. Im Jahr 2022 kam Easee auf einen Umsatz von 1,9 Milliarden NOK (166 Millionen Euro) bei einem Gewinn von knapp 200 Millionen NOK (17,5 Millionen Euro). Seit der Gründung wurden über 700.000 Wallboxen in 23 Ländern verkauft.
Übrigens: Zum 1. August gab es auch einen Chefwechsel bei Easee Deutschland: Marcel Jeron, der die deutsche Niederlassung einst gegründet hatte, hat das Unternehmen verlassen. Als Geschäftsführerin der Easee Deutschland GmbH ist seit Monatsanfang Mara Steblow in der Verantwortung. Der Wechsel steht aber nicht in Zusammenhang mit den Vorkommnissen: Die frühere Sparkassen-Managerin ist bereits seit Juni 2022 als People & Commercial Lead bei der Easee Deutschland GmbH, der Übergang sei in den vergangenen zwölf Monaten „sorgfältig vorbereitet“ worden.
easee.com (Mitteilung zu Umstrukturierung auf Norwegisch), dn.no, easee.com (Chefwechsel Deutschland)
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