Studie des Öko-Instituts: „Künftiger Transportmarkt wird von BEV-Nutzfahrzeugen geprägt sein“
Durch den kommenden CO2-Aufschlag bei der Lkw-Maut verbuchen E-Fahrzeuge künftig klare Kostenvorteile gegenüber Diesel-Lkw. Das ist eine von mehreren Erkenntnissen eines aktuellen Forschungsprojekts des Öko-Instituts. Wir fassen zusammen, was die Umwelteinrichtung bei ihrem Vergleich verschiedener Antriebstechnologien im Straßengüterverkehr herausgefunden hat.
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Das Öko-Institut hat in seiner 118-seitigen Studie BEV-, FCEV- und Oberleitungs-Lkw hinsichtlich ihrer technischen und ökonomischen Potenziale bewertet – und ihre Gesamtkosten auch der Total Cost of Ownership („TCO“) aktuell geläufiger Diesel-Lkw gegenüber gestellt. „Die Analyse zeigt, dass sich E-Lkw rechnen“, sagt Katharina Göckeler, Projektleiterin und Expertin für klimafreundlichen Güterverkehr am Öko-Institut, einleitend. „Sobald die Lkw-Maut ab Dezember 2023 einen Aufschlag von 200 Euro pro Tonne CO2 erhebt, erzielen alle Nullemissionsfahrzeuge deutliche Kostenvorteile gegenüber konventionellen Diesel-Lkw.“
Zum Hintergrund: Zum 1. Dezember erfolgt wie berichtet eine CO₂-Differenzierung der Lkw-Maut, indem zusätzlich zu den bestehenden Mautsätzen ein CO₂-Aufschlag in Höhe von 200 Euro pro Tonne CO₂ eingeführt wird. Schwere Nutzfahrzeuge der Schadstoffklasse EURO VI mit hohem CO₂-Ausstoß (CO₂-Emissionsklasse 1) müssen dann beispielsweise bis zu 15,8 Cent pro Kilometer zusätzlich entrichten. Emissionsfreie Lkw sind dagegen bis Ende 2025 von der Infrastrukturgebühr befreit, anschließend werden lediglich 25 Prozent des regulären Satzes erhoben – zuzüglich der Mautteilsätze für Lärm und Luftverschmutzung.
BEV-Lkw selbst bei konservativen Annahmen vorne
In seiner Studie geht das Öko-Institut verstärkt auf die verschiedenen emissionsfreien Lkw-Varianten ein. Als Haupterkenntnis halten die Studienmacher fest, dass „Batterie-elektrische Lkw in Zukunft Vorteile gegenüber Brennstoffzellen- und Oberleitungs-Lkw haben, selbst bei konservativen Annahmen zu technischen Bedingungen wie den potenziellen Reichweiten beim Fahren und verfügbaren Nachladeoptionen“. So seien Brennstoffzellen-Fahrzeuge in der Gesamtkostenberechnung deutlich teurer als reine E-Lkw – Hintergrund ist laut dem Öko-Institut die hohe Unsicherheit bei den Wasserstoffpreisen. Oberleitungs-Lkw hingegen seien auf Strecken mit Oberleitungen begrenzt, was eine Elektrifizierung der gesamten Flotte schwierig mache.
Steht bis zum Jahr 2035 ein flächenabdeckendes und leistungsfähiges Ladenetz zur Verfügung, können die Neuzulassungen Batterie-elektrischer Lkw den Prognosen des Instituts zufolge auf 100 Prozent steigen. Als wichtigste Stellschraube für den Erfolg der emissionsfreien Antriebe im Markt bezeichnen die Studieninitiatoren einen raschen und zielgerichteten Aufbau der Ladeinfrastruktur für schwere Nutzfahrzeuge. In der Folge könnten die Treibhausgasemissionen des Straßengüterverkehrs insbesondere nach dem Jahr 2030 deutlich sinken und „im Jahr 2045 die Null-Marke erreichen“, heißt es in der Studie.
Interessant auch: Fahren künftig alle Lkw elektrisch, wird der End-Energieverbrauch im Straßengüterverkehr der Analyse des Öko-Instituts zufolge sinken. Der Grund: „Der Batterie-elektrische Fahrzeugantrieb ist im Vergleich zum Verbrennungsmotor deutlich effizienter im Betrieb. So entsteht bis zum Jahr 2045 ein Strombedarf von jährlich 110 Terawattstunden (TWh) zum Betrieb schwerer Nutzfahrzeuge. Heute verbraucht der gesamte Güterverkehr auf der Straße 173 TWh pro Jahr“, zeigen die beteiligten Forscher auf.
Depotladen deckt 55 Prozent des Gesamtenergiebedarfs
Wichtigste Voraussetzung für den Erfolg von E-Lkw sei jedoch, dass die öffentliche Ladeinfrastruktur für schwere Nutzfahrzeuge deutlich ausgebaut wird. Dabei müssen der Studie nach insbesondere Ladehubs an Autobahnen entstehen, die für das Über-Nacht-Laden sowie für das Schnellladen geeignet sind. „Die Bedarfsabschätzung zeigt, dass rund 55 Prozent des Gesamtenergiebedarfs des Lkw im Depot vor dem Fahrtantritt geladen werden kann. 25 Prozent kann über Nacht an öffentlichen Nacht-Lade-Punkten, sogenannten Night-Charging-Systems (NCS), erfolgen, um mehrtägige Touren abzudecken. Die übrige Energie muss während der Tour mit hoher Ladeleistung nachgeladen werden“, führen die Studienmacher aus. Dafür soll das im Standardisierungsprozess befindliche Megawatt Charging System (MCS) ein Nachladen innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhepause von 45 Minuten nach 4,5 Stunden Fahrt ermöglichen.
„Wir brauchen ein Netz von rund 2.000 MCS-Ladepunkten und rund 40.000 NCS-Ladepunkten entlang des Bundes-Autobahnnetzes“, präzisiert Katharina Göckeler. „Da insbesondere MCS-Ladepunkte eine hohe Stromleistung haben und einen Anschluss an das Hochspannungsnetz benötigen, müssen die Planungen für ihren Aufbau jetzt zeitnah starten.“
Neben den bisher aufgeführten Hauptergebnissen liefern die Analysen des Öko-Instituts noch weitere Resultate, die wir an dieser Stelle kurz stichpunktartig aufführen. Alle Details können in der vollständigen Studie unter dem am Textende aufgeführten Link nachgelesen werden. Das Institut hält Folgendes fest:
- Eine CO2-basierte Lkw-Maut und die Verfügbarkeit von öffentlichen Energieversorgungsinfrastrukturen sind die wichtigsten Hebel für den Markthochlauf elektrischer Nutzfahrzeuge.
- Die direkten jährlichen Treibhausgas-Emissionen des Straßengüterverkehrs können im Zuge einer raschen Elektrifizierung ab 2030 den gesetzten Zielpfad erreichen.
- Der Aufbau der Energie-Infrastrukturen zur Versorgung eines elektrischen Schwerlastverkehrs setzt eine frühzeitige und zielgerichtete Planung voraus.
Die vom Öko-Institut durchgespielten Markthochlauf-Modellierungen kommen allesamt zu dem Schluss, dass der zukünftige Transportmarkt von Batterie-elektrischen Nutzfahrzeugen geprägt sein wird. Denn: „Werden die tatsächlichen Folgekosten der verursachten Treibhausgas-Emissionen über einen CO2-Preis auf den Betrieb von Diesel-Lkw eingepreist, überwiegen absehbar die Marktpotenziale emissionsfreier Antriebe.“
Brennstoffzellen-Lkw erzielten jedoch nur unter optimistischen Annahmen einer zukünftigen Preisentwicklung von klimaneutralem Wasserstoff an Tankstellen signifikante Marktanteile. Batterie-elektrische Oberleitungs-Lkw erreichen den Studienmachern zufolge im Falle einer Elektrifizierung eines Kernnetzes von rund 4.000 Kilometern Länge auf den hochfrequentierten Autobahnabschnitten in Deutschland Marktanteile von etwa einem Drittel.
Daraus resultiert: „Unter den gesetzten Rahmenbedingungen kann der Hochlauf von Batterie-elektrischen Lkw als nahezu gesichert angenommen werden, während für Brennstoffzellen-Lkw und für Oberleitungs-Lkw stärkere Unsicherheiten verbleiben. In allen Szenarien sind die Nutzfahrzeug-Bestände bis zum Jahr 2045 nahezu vollständig elektrifiziert“, so das Öko-Institut.
Die weiteren Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen der Studie lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Depotladen ist der Kern und Megawattladen der Schlüssel für die Energieversorgung eines Batterie-elektrisch geprägten Schwerlastverkehrs.
- Die nationalen Klimaschutzziele für den Straßengüterverkehr erfordern Ambitionen und Maßnahmen, die über die Mindestvorgaben der Europäischen Union hinausgehen.
- Die Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs benötigt hohe privatwirtschaftliche Investitionen, die durch eine klare politische Ziel- und Rahmensetzung sowie ein transparentes Informationsangebot gestützt werden müssen.
- Für den Antriebswechsel auf emissionsfreie Nutzfahrzeuge und den Aufbau der Energieinfrastrukturen besteht ein hoher Zeitdruck, um den gesetzten Zielpfad der Treibhausgasminderung zu erreichen.
Zu dem genannten Zeitdruck führen die beteiligten Forscher aus, dass die Treibhausgas-Emissionen im Straßengüterverkehr in den letzten 30 Jahren um 30 Prozent gestiegen seien und dass das in Prognosen weiterhin zunehmende Transportaufkommen auf der Straße trotz beginnender Elektrifizierung in den kommenden Jahren zu einem weiteren Anstieg von Diesel-Lkw im Bestand führen werde. „Eine Halbierung der Treibhausgas-Emissionen im Vergleich zum Jahr 1990, wie es die Klimaschutzgesetzgebung bis zum Jahr 2030 für den Verkehrssektor vorgibt, stellt die Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs unter enormen Zeitdruck. Dabei steht der Fahrzeug- und Infrastrukturmarkt für elektrische schwere Nutzfahrzeuge noch am Anfang, während der heterogene Transportmarkt unterschiedliche Voraussetzungen und Präferenzen für die Integration elektrischer Antriebe in den Praxisalltag mitbringt“.
„Reine Fokussierung auf BEV ist nicht zielführend“
Deshalb spricht sich das Öko-Institut auch nicht für eine „BEV-only“-Strategie aus: „Eine reine Fokussierung auf Batterie-elektrische Antriebe ist nicht zielführend, solange eine zuverlässige Etablierung der Technologie in der Praxis noch aussteht. Neben dem Aufbau von Wasserstoff-Tankstellen gemäß der Mindestvorgaben der EU, sollten Konzepte zum dynamischen Laden über Electric Road Systems (z.B. Oberleitungssysteme) in größeren Demonstrationsvorhaben weiterverfolgt werden“, empfiehlt das Studienteam.
Die Studie des Öko-Instituts heißt in voller Länge übrigens „StratES – Szenarien für die Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs. Studie auf Basis von Markthochlaufmodellierungen. Dritter Teilbericht des Forschungs- und Dialogvorhabens StratES“. Das der Analyse zugrundeliegende Forschungsvorhaben fand im Rahmen des Förderprogramms „Erneuerbar Mobil“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz statt.
Als Ziel der Studie nennen die Initiatoren die Bewertung von elektrischen Antriebstechnologien hinsichtlich ihrer technoökonomischen Potenziale und das Aufzeigen wesentlicher Einflussgrößen für den Markthochlauf. Als Methode geben sie die Modellierung von Szenarien an, die unter anderem verschiedene Technologiemixe, Energiepreisentwicklungen und Ausbauraten öffentlicher Energieinfrastrukturen abbildeten. Im Fokus der Analysen standen drei Technologiepfade: Nur Batterie-Lkw, eine Kombination aus Batterie-Lkw und Brennstoffzellen-Lkw sowie eine Kombination aus Batterie-Lkw und Batterie-elektrischen Oberleitungs-Lkw.
Das Öko-Institut selbst ist ein privates Umweltforschungsinstitut mit Hauptsitz in Freiburg und weiteren Standorten in Darmstadt und Berlin. Als 1977 gegründete, unabhängige Einrichtung verfügt es aktuell über 190 Mitarbeitende, deren Aufgabe unter anderem die Erstellung von wissenschaftlichen Gutachten ist, um auf dieser Basis Politiker, Umweltverbände, Institutionen und Unternehmen zu beraten.
oeko.de, oeko.de (vollständige Studie, PDF)
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