VW ID.3 im Test: Was hat die Modellpflege gebracht?
Die Konkurrenz für den ID.3 wächst: Mit dem MG4 hat MG Motor ein durchaus wettbewerbsfähiges Produkt auf den Markt gebracht. Auch Renault gelang mit dem Megane Electric ein gutes Elektro-Kompaktmodell. Darüber hinaus will BYD mit dem Dolphin ebenfalls im Segment der Kompaktwagen Marktanteile für sich beanspruchen. Und dann wäre jüngst u. a. noch Volvo zu nennen. Die Schweden überraschten Mitte dieses Jahres mit dem Kompakt-Modell EX30 – der kommt zwar im SUV-Look, ist aber tatsächlich etwas niedriger als ein ID.3.
Doch größer als die Konkurrenz war die Kritik an dem Elektroauto selbst. Teils durchaus berechtigt, vor allem die verwendeten Materialien und die Software ließen anfangs zu wünschen übrig. VW besserte nach und stellte in diesem Frühjahr die Modellpflege des ID.3 vor. Und siehe da, es hat sich spürbar was getan.
Neues (Front)-Design fällt auf
Endlich wirkt er sportlicher. Nicht mehr so langweilig“, war mein erster Gedanke beim Anblick des neuen ID.3. Für diesen Effekt musste Volkswagen jedoch nur in die kleine Trickkiste greifen. So wurden etwa die unteren schmalen Lufteinlässe der Stoßstange vorne neu interpretiert. Seitlich zogen zudem vertikale Öffnungen für die Air Curtains ein. Auch gut: Die elektrische Kühlerjalousie öffnet sich nur dann, wenn Kühlluft benötigt wird – verbessert in der Theorie die Aerodynamik. Die Motorhaube ist nun komplett in Wagenfarbe erhältlich, das oft Fragezeichen hervorbringende schwarze Element am Übergang zur Windschutzscheibe ist verschwunden. Neben den optischen Änderungen sank dadurch auch der cW-Wert von knapp 0,27 auf 0,263. So viel sei vorab gesagt: Im Alltag macht sich dies nicht bemerkbar.
Am Heck fallen die Änderungen hingegen weniger umfangreich aus. Bisher haben an den Rückleuchten nur die äußeren, in die Karosserie integrierten Elemente geleuchtet. Obwohl sich die Rückleuchten bis in den Kofferraum-Deckel hineinzogen, blieb es dort dunkel. Jetzt leuchten im Kofferraumdeckel rote LEDs.
Spürbare Aufwertung im Innenraum
Vor allem der Einsatz großflächiger Hartplastik-Verkleidungen im Cockpit sorgte für scharfe Kritik, der Rotstift hatte ganze Arbeit geleistet. Die Wolfsburger hörten – endlich, muss ich sagen – auf das Feedback der Kunden und besserten nach. Selbst in den einfachsten Ausstattungen wird beispielsweise der konturlose Basis-Sitz nicht mehr angeboten, die einfachste Version der Mittelkonsole fiel weg und weite Teile der Hartplastik-Verkleidungen auch. Mein erster Kommentar, als ich mich in den Testwagen setzte: „Ja, doch. Fühlt sich gut an.“ Womit ich mich auf die sichtbaren Elemente an den Türen und im Armaturenbrett bezog, die nun aus einem aufgeschäumten Material bestehen. Das sieht nicht nur hochwertiger und endlich der Preisklasse angemessen aus, sondern fühlt sich auch so an. An etlichen Klavierlackelementen hat VW hingegen festgehalten. Aber aller Aufwertung vorne zum Trotz: Im Fond sind die alten Materialien u. a. bei den Türtafeln weiterhin verbaut. Schade.
Greift man an das Lenkrad, stellt man schnell fest, dass zwar der Bezug neu ist, das Lenkrad selbst jedoch nicht neu konzipiert wurde. Es bleibt somit (vorerst) bei den Touch-Bedienfeldern, an die ich mich auch nach einiger Zeit noch immer nicht gewöhnen konnte. Zu häufig kam es im Test zu Fehlbedienungen, die so nicht geplant waren. Ändern könnte sich das mit der nächsten Modellpflege, welche offenbar geplant ist.
Dafür wurde das aus dem ID.4 bekannte Zwölf-Zoll-Display im ID.3 zum Serien-Standard. Das bislang verbaute Zehn-Zoll-Display wirkte ohnehin mittlerweile zu klein und veraltet. Der Slider zu den Einstellungen von Temperatur und Lautstärke unter dem Display ist weiterhin nicht beleuchtet. Doch auch hier könnte VW im nächsten Jahr mit einem Facelift 2.0 nachbessern. Der ID.7 macht es bereits vor.
Neu war neben dem Display auch die Software-Version (3.5), mit der alle neu ausgelieferten ID.3 ausgestattet sind. An der grundsätzlichen Bedien-Logik hat sich nichts geändert. Jedoch wurden diverse Kundenwünsche umgesetzt. Unter anderem befindet sich das Lademenü nun auf der ersten Ebene des großen Touch-Displays. Zudem ist dieses informativer und aufgeräumter strukturiert.
Verbesserte Planung der Ladestopps
Von dem Software-Update hat auch der e-Routenplaner profitiert, der seitens VW verbessert wurde. Für eine Testfahrt nach Berlin gab ich die Zieladresse im System ein. Schon bei der Berechnung wurde deutlich, dass die Wolfsburger bei der Hardware aufrüsten müssen. Für meine Begriffe dauerte die Planung zu lang. Auch sonst kann das System hin und wieder etwas träge sein.
Nach etwas Wartezeit wurde mir eine Route inklusive Ladestopp angezeigt. Das System gab mir eine Auskunft über die gesamte Fahrtdauer inklusive der minutengenauen Angabe für den Ladestopp. Leider zeigt VW bislang nur über ein Batterie-Icon an, ob der Ladestand bei Ankunft gut, knapp oder sehr gering ausfällt. Erst mit einem Touch auf das jeweilige (Zwischen-)Ziel wird der prozentuale Wert angezeigt, mit dem man ankommt. Eine Prozentangabe ohne Umwege wäre mehr als nur wünschenswert. Ein weiteres Manko: Für die Ankunft am Ladestopp und Ziel kann jeweils nur eine Restreichweite vorgegeben werden, nicht aber ein prozentualer Wert des State of Charge (SoC) des Akkus.
Der Routenplaner bezieht jetzt jedoch unter anderem auch die aktuelle Verkehrslage und die Prognose mit ein. Auf meinen diversen Touren hat sich gezeigt, dass die Routen-Berechnung inklusive der Ladestopps und des jeweiligen SoC-Werts sehr gut funktionierte. Auch die Auswahl der Ladesäulen machte einen guten Eindruck. Dies gilt ebenso für die manuelle Suche einer Ladestation in der Nähe oder entlang der Route, die Filterung nach Ladeleistung und Details (Anzahl der Ladepunkte, Belegungsstatus usw.) für einen Ladestandort.
Darüber hinaus unterstützt der ID.3 mittlerweile Plug&Charge, wodurch keine Authentifizierung per RFID-Karte oder App notwendig wird. Allerdings geht dies nur bei den Anbietern, die diese Funktionalität auch implementiert haben. Bei Fastned und der EnBW kann grundsätzlich ebenfalls ohne RFID-Karte bzw. App der Ladevorgang automatisch gestartet werden, wobei es sich hier nicht um Plug&Charge nach der ISO 15118 handelt. Dies hat zur Folge, dass mit dem ID.3 weder bei Fastned noch bei der EnBW auf diese Art der Ladevorgang gestartet werden kann. Hier muss weiter die Ladekarte oder -App ran.
Von fünf auf 80 Prozent in 30 Minuten
Ob per Karte, App oder sogar Plug&Charge, der 77 kWh große Akku des ID.3 Pro S – unser Testwagen – kann innerhalb von 30 Minuten von fünf auf 80 Prozent am Schnelllader geladen werden. Die maximale DC-Ladeleistung gibt VW mit 170 kW an. In der Praxis konnte ich am Schnelllader jedoch sogar bis zu 185 kW ablesen – wenn auch nur kurzzeitig.
Wie anhand der Ladekurve zu erkennen ist, gab es kurz nach dem Ladestart einen Einbruch der Ladeleistung. Dies lag jedoch offenbar nicht am Fahrzeug, sondern an der Auslastung des Standorts – ein kürzlich von uns gemessener ID.5 GTX hatte in diesem Bereich eine höhere Ladeleistung, später haben sich beide Fahrzeuge aber nahezu gleich verhalten. Dies hatte zur Folge, dass der durchgeführte Ladevorgang von sieben auf 80 Prozent 30,5 Minuten dauerte. Der Ladevorgang von zehn auf 50 Prozent erfolgte in gut 13,5 Minuten. Beides sind gute Werte.
Zur Vervollständigung sei noch etwas zur AC-Ladung gesagt: Der ID.3 ist mit einem dreiphasigen 11-kW-Onboard-Lader ab Werk ausgestattet. Der Ladevorgang an einer AC-Lademöglichkeit von null auf 100 Prozent dauert gut 7,5 Stunden.
Keine Änderung am Antrieb
Über die aus meiner Sicht wichtigsten Neuerungen habe ich gesprochen. So kommt es auch, dass Sie Infos zum Antrieb und Verbrauch erst an dieser Stelle finden. Am Antrieb des ID.3 hat sich nichts geändert. Von der besseren Effizienz des neuen APP550 profitiert der elektrische Kompakte also (noch) nicht. Somit kommt weiterhin eine permanenterregte Synchronmaschine an der Hinterachse mit 150 kW zum Einsatz. Auch die Höchstgeschwindigkeit liegt nach wie vor bei 160 km/h – ausreichend. Den Sprint auf 100 km/h vollzieht der Stromer innerhalb von 7,9 Sekunden.
Überholvorgänge waren mit ihm kein Problem und auch sonst reichte der Antritt mehr als aus. Sein Wendekreis von nur 10,2 Metern war im Hamburger Stadtverkehr ein Segen. Der adaptive Tempomat beschleunigte und verzögerte sehr gut. Zusätzlich half die Elektronik, das Fahrzeug vor Kreuzungen, Kreisverkehren oder Geschwindigkeitsbegrenzungen angenehm zu verzögern.
Auf Langstrecken machte der ID.3 ebenfalls eine sehr gute Figur. Die Ruhe im Innenraum war während des Testzeitraums bemerkenswert. Klar, es ist ja auch ein Elektroauto. Doch auch hier gibt es Unterschiede bei Herstellern und Modellen. Darüber hinaus arbeitete die Lenkung präzise. Das Fahrwerk federte Unebenheiten im Straßenbelag sehr gut weg, trotz der großen Felgen des Testwagens.
Bei all meinen Fahrten zeigten sich die Fahrassistenzsysteme von ihrer besten Seite. Besonders angetan hatte es mir der Spurhalteassistent gepaart mit dem Spurwechselassistent. Prüfen, ob überholt werden kann, Blinker setzen und schon assistiert das System beim Überholvorgang – auch beim Einfädeln. Keine Freunde mehr werden der Parkassistent und ich. Ein „automatischer“ Parkvorgang dauert für meine Begriffe zu lang. Der ID.3 verfügt über zahlreiche weitere Assistenzsysteme. Doch die im Detail hier aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen.
Ob Kurz-, Mittel- oder Langstrecke, ob Stadt- oder Landstraßenfahrten, für den ID.3 gibt Volkswagen eine kombinierte WLTP-Reichweite von 559 Kilometern an. Unter sehr guten Bedingungen (Wetter und Temperatur) schwankten die Verbrauchswerte zwischen knapp unter 15 kWh/100 km (Stadt- und Landstraßenfahrten) und um die 18,5 bis 20 kWh/100km (überwiegend Autobahnfahrten bei Richtgeschwindigkeit) ohne Ladeverluste. In der Praxis waren so über 300 Kilometer auf der Autobahn möglich, bei Stadt- und Landstraßenfahrten sogar über 400 bis – wohlgemerkt im besten Fall – fast an die 500 Kilometer. Auch hier gab es also keine Überraschungen.
Fazit
Diese Reichweite hat jedoch seinen Preis. VW ruft für den Pro S, den es derzeit übrigens leider nur als Vier-Sitzer gibt, einen Basispreis von 47.595 Euro (ohne Förderung) auf. Doch wer den ID.3 entsprechend ausstattet, was schon bei der weiterhin optionalen Wärmepumpe für knapp 1.000 Euro oder den über 100 Euro teuren Fußmatten anfängt, wird von einem Kaufpreis von weit über 50.000 Euro sicherlich überrascht sein. Überrascht deshalb, weil es für ein Fahrzeug in der Kompaktklasse eine stolze Summe ist. Und auch mit Blick auf die Konkurrenz als Kaufmodell zu hoch eingepreist ist. Dies gilt auch für die kleinere Variante: In Verbindung mit der 58-kWh-Batterie sinkt der Preis auf 39.995 Euro.
Für Gewerbekunden gibt es darüber hinaus keinen Umweltbonus mehr, weshalb schon genau hingeschaut werden muss, ob sich dieses Modell für den eigenen Fuhrpark „lohnt“. Interessanter könnten hier entsprechende Leasing-Angebote sein. Nur ein genauer Blick mit Einberechnung möglicher individueller Konditionen könnte dahingehend den ID.3 Pro S ins Rampenlicht rücken.
Wer sich am Ende für das Modell entscheidet, erhält einen sicht- und spürbar verbesserten ID.3. Vor allem beim Innenraum hat sich spürbar etwas getan, wenn auch nur im vorderen Bereich. Geblieben ist hingegen der Fahrkomfort, die Motorleistung und auch der Verbrauch. Es gibt sie aber noch, die einzelnen Punkte, die aus meiner Sicht überarbeitet werden müssten. Und die könnten mit der nächsten Modellpflege, vielleicht schon im nächsten Jahr, ausgemerzt werden. Entscheiden Sie selbst, ob sie bis dahin warten möchten oder sich doch schon jetzt für den ID.3 entscheiden.
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