1.000 km mit Wasserstoff: Mercedes-Benz demonstriert GenH2 Truck auf Rekordfahrt

1.047 Kilometer mit einer Tankfüllung quer durch Deutschland: Daimler Truck hat mit einem Wasserstoff-Lkw diese Woche eine beeindruckende Fahrt hingelegt. Der #HydrogenRecordRun mit dem GenH2 Truck hatte allerdings einen Haken.

Der Mercedes-Benz GenH2 Truck startete die Fahrt am Montag, 25. September, nachmittags im Mercedes-Benz Lkw-Kundencenter in Wörth am Rhein und kam tags darauf um 10 Uhr in Berlin an.
Bild: Daimler Truck

Am Ende des sogenannten #HydrogenRecordRun steht dem Wasserstoff-Truck von Daimler ein anderer Lkw mit Stern im Weg. Während in den Berliner Ministergärten die versammelte Journalistenschar mit ihren Kameras gespannt auf die Zieleinfahrt des GenH2 Truck wartet, herrscht eine Parallelstraße weiter plötzlich Stillstand. Der Lkw der Zukunft wird von einem Pendant aus der Gegenwart ausgebremst. Ein roter Mercedes Benz Arocs mit herkömmlichem Diesel-Aggregat richtet gerade eine Baustelle ein, die Baggerschaufel schwingt schon durch die Luft. Und die Kreuzung ist blockiert.

Doch die Verzögerung dauert nur wenige Minuten – dokumentiert von einer Kameradrohne, die das PR-Team von Daimler Truck eigens in der Berliner City aufsteigen ließ. Andreas Gorbach nimmt’s mit Humor. „Das ist das echte Leben. Da steht schon mal ein Lkw und macht, wofür er gebraucht wird“, sagt der  Entwicklungsvorstand der Daimler Truck AG nachdem er die Rekordfahrt auf den letzten Metern persönlich gesteuert hat. Und den GenH2 Truck gekonnt in die enge Einfahrt der Ministergärten manövriert hat. „Mein Team hatte Angst, dass ich einen Kratzer reinfahre“, gesteht Gorbach, nachdem er vom Fahrerhaus heruntergeklettert ist. Diese Sorge war unbegründet.

Mit der Rekordfahrt von Wörth am Rhein über Dortmund, Hannover und Hamburg nach Berlin wollte Daimler Truck demonstrieren, dass die Wasserstoff-Brennstoffzellentechnologie eine gute Lösung für die Dekarbonisierung des anspruchsvollen Langstrecken-Straßentransports sein kann. Am Ende stehen 1.047 Kilometer mit einer Tankfüllung flüssigem Wasserstoff auf der Uhr, offiziell abgenommen vom TÜV Rheinland. Tags zuvor war der GenH2 Truck voll ausgeladen und mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 40 Tonnen in Wörth gestartet. Die zwei jeweils seitlich am Fahrgestell montierten 40-Kilo-Tanks und der zusätzliche Batterie-Ladeanschluss wurden eigens verplombt.

Der flüssige Wasserstoff ist für die Daimler Truck AG dabei Fluch und Segen zugleich. Tanken kann man diesen bisher nirgends in Deutschland. Am eigenen Lkw-Werk in Wörth hat der Hersteller bisher nur eine provisorische Tankstelle, in wenigen Wochen eröffnet immerhin eine reguläre. Doch sonst gibt es für den tiefgekühlten Energieträger bisher keine Infrastruktur. Deshalb kann der GenH2 Truck auf der Rücktour nach Wörth auch keine weiteren Rekorde aufstellen. Er fährt nämlich nicht auf eigener Achse, sondern auf einem Sattelauflieger nach Hause.

Für Andreas Gorbach ist das kein Grund an der Technologie zu zweifeln: „Wir brauchen Wasserstoff als Ergänzung zu unseren Batterie-elektrischen Trucks. Und wir brauchen Wasserstoff zur Dekarbonisierung so oder so“, sagt er bei der späteren Podiumsdiskussion auf einer improvisierten Bühne in den Ministergärten. An der technischen Doppelstrategie mit dem Duo aus Batterie und Brennstoffzelle will er jedenfalls festhalten. Und am flüssigen Wasserstoff als Alternative zum gasförmigen am liebsten auch. Der wurde übrigens von Air Liquide geliefert und ist erneuerbaren Ursprungs, da er aus Biomethan mit Herkunftsnachweis hergestellt wurde. Bei der Betankung wurde -253 Grad Celsius tiefkalter Flüssigwasserstoff in die zwei jeweils seitlich am Fahrgestell montierten Tanks gefüllt. Durch die besonders gute Isolierung der 40-Kilo-Fahrzeugtanks kann der Wasserstoff für eine ausreichend lange Zeit ohne aktive Kühlung auf Temperatur gehalten werden.

Die Rekordfahrt des GenH2 Truck von Rheinland-Pfalz nach Berlin nutzte Andreas Gorbach auch, um einen Appell an die Politik zu richten. Diese müsse den Infrastruktur-Aufbau für alternative Kraftstoffe beschleunigen, ausreichend grüne Energie sicherstellen und die nötigen Rahmenbedingungen schaffen, damit Spediteure auch auf die neuen E-Fahrzeuge umsteigen. „Das ist ein Wettkampf mit dem Diesel“, sagte Gorbach. Der Flaschenhals bei der Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs seien jedenfalls nicht die Fahrzeuge, sondern die Infrastruktur und die Wettbewerbsfähigkeit. „Wir müssen Verkehr mit Diesel teurer machen. Das ist der Preis für CO2-neutralen Transport.“ Gorbach zeigte sich wild entschlossen, die neuen Elektro-Trucks – ob nun mit Batterie oder Brennstoffzelle – wie geplant zu liefern.

„Wasserstoff ist bei Lkw alles andere als heiße Luft und wir kommen auf dem Weg zur Serienreife sehr gut voran“, ergänzte der Entwicklungsvorstand noch. Ob insbesondere der Flüssigwasserstoff auf besonders anspruchsvollen Langstrecken eine Chance hat, wird sich wohl erst in ein paar Jahren herausstellen. Mit der Entwicklung liegt Daimler Truck nach eigenen Angaben im Zeitplan und die Serienreife des Mercedes-Benz GenH2 Truck wird für die zweite Hälfte des Jahrzehnts erwartet.

Zuvor geht allerdings auch der Batterie-elektrische eActros 600 an den Start. Die Weltpremiere der Serienversion steht schon in zwei Wochen an. Gut möglich, dass Daimler Truck die größte Konkurrenz für den Wasserstoff (neben dem Diesel) also höchstselbst auf die Straße bringt. Ladestationen für Rekordfahrten zwischen Wörth und Berlin gibt es im Megawatt-Bereich zwar derzeit auch noch keine. Doch mit den HPC-Ladeparks für Elektroautos existiert immerhin schon heute eine nutzbare Alternative, um den Hin- und Rückweg gleichermaßen auf eigener Achse zu schaffen.

20 Kommentare

zu „1.000 km mit Wasserstoff: Mercedes-Benz demonstriert GenH2 Truck auf Rekordfahrt“
Andreas
28.09.2023 um 11:35
Ich glaube nicht, dass Mercedes-Benz dafür Politiker bestochen hat oder noch bestechen wird, um den laufenden Betrieb zu subventionieren und damit rentabel zu machen.
Volsor
28.09.2023 um 15:16
Nein , bestechen nennt man das nicht. Das heißt Parteispenden.
Volsor
28.09.2023 um 15:38
Wow , das ist ja ein richtiges Schnäppchen. Etwas über 7 kg flüssiger Wasserstoff auf 100 km. Mit normalem gasförmigen Wasserstoff sind das schon knapp 100€ auf 100 km. Wer denkt den bitte das sei für eine Spedition bezahlbar?
Markus
28.09.2023 um 19:16
Der Tesla Semi kommt bei Pepsi laut ersten Berichten auf etwa 110 kWh auf 100 km bzw. 1,1 kWh pro Kilometer. Selbst wenn man von ungünstigen 50 Cent pro kWh ausgeht ist das schon die Hälfte zum gasförmigen Wasserstoff... Da muss sich die ach so wichtige Alternative aber noch strecken...
Markus Müller
01.10.2023 um 16:59
Für 110 kWh braucht es nur etwa 5 kg Wasserstoff.
MWF
28.09.2023 um 18:50
1000km ohne Pipipause und gesetzlich vorgeschriebener Zwangserholungspause? Mit 2 Fahrer vielleicht erreichbar. Aber egal, die Spedition will ich sehen, die das Fahrzeug einem batterieelektrischen Truck finanziell vorzieht ; )Wenn die damit noch 3-4 Jahre bis zur Serienreife brauchen, können sie gleich wieder einpacken, da der Batteriezell-Entwicklungsfortschritt nicht aufzuhalten ist. Stichwort: Solid-state. Also, es nützt nichts wenn wir in D versuchen mit allerhand "Feenstaub" die batterieelektrische Entwicklung aufzuhalten versuchen. Einfach lustvoll mitmachen, oder den Markt anderen überlassen. Darin haben wir ja Übung.
Broesel
28.09.2023 um 19:05
"die besonders gute Isolierung der 40-Kilo-Fahrzeugtanks kann der Wasserstoff für eine ausreichend lange Zeit ohne aktive Kühlung auf Temperatur gehalten werden" Ernsthaft? Was soll diese Aussage: Ausreichend lange? Ausreichend für die Fahrt? Für die Pausen? Für eine vorgegebene Pause nach 9 h, in der Sonne auf dem Parkplatz? Es gibt keine Isolierung ohne Wärme-, bzw. Kälteverluste. Und die Differenz von Außen nach Innen bestimmt diese! In diesem Fall auch gerne Mal 300 Grad Differenz. Was soll da diese völlig sinnfreie Aussage "ausreichend lange"?
Philipp
10.10.2023 um 09:36
"Ausreichend lange" ist in diesem Fall, dass nach dem Tanken verfahren eines Teils des Wasserstoffs die Temperatur im Tank soweit abgekühlt ist, dass der Wasserstoff nicht mehr kocht und bei einer Übernachtungspause auch nicht schon wieder anfängt zu kochen, also niedriger als -252°C. Denn wenn ein Teil des Wasserstoffs gasförmig entnommen wird, sinkt die Temperatur der Flüssigkeit ab (Dampfdruck sinkt). Das Ganze ist zu kompliziert für den Laien, weshalb solche blöden Aussagen getroffen werden. Klar ist aber auch: Nach einer bestimmten Zeit fängt der Wasserstoff doch wieder an zu kochen. Und dann muss er entweder abgefackelt oder genutzt werden. Also am Samstag volltanken und am Sonntag stehenlassen ist wahrscheinlich nicht möglich.
Rainer Wein
28.09.2023 um 21:06
Super, flüssiger Wasserstoff! Die Tanks müssen aber irgendwann abdampfen, oder wie lange hält der Wasserstoff die Temperatur? Darf man das Gefährt nur im freien bewegen, oder wie wird das Problem gelöst? Vielleicht ein Kompressor, der das reaktive Gas in einem seperaten Tank auffängt?
Gregor
29.09.2023 um 08:16
Im Netz ließt man dazu, das nach 19 Stunden der H2 zu kochen beginnt und abdampfen muss. D.h. schon nach weniger Zeit wird der Treibstoff weniger und der Überdruck wird abgelassen. Das ist sicherlich mit dem "ausreichend lange" gemeint. Ander ist das bei den 700bar, aber hier wird sicher aus gutem Grund weniger Druck verwendet :) Kostet weniger Aufwand am Verdichter.
Markus Müller
28.09.2023 um 21:10
Das eine ist ein vollgeladener 40-Tönner der TÜV-geprüft die erwähnte Leistung erbringt, und das andere eine irgendwie konfigurierte Maschine, die 'laut ersten Berichten' eine bestimmte Leistung erbringen soll. 'Laut ersten Berichten', nachdem sie inkl. Leistung und Preis im 2017 für 2018 angekündigt wurde.
Bernhard Leopold
01.10.2023 um 12:45
Der Mercedes ist ein Prototyp, der für eine Demonstrationsfahrt auf die Reise geschickt wurde, der Tesla Semi (ein Vorserienfahrzeug) fährt im Regelbetrieb vom PepsiCo Auslieferlager seine täglichen Runden.
Markus Müller
02.10.2023 um 11:05
Warum gibt es dann immer nur Gerüchte von irgendwelchen Beteiligten statt standardisierter Tests unter unabhängiger Aufsicht?
Werner
28.09.2023 um 23:00
Lasst die doch machen und der Markt wird entscheiden. Wir werden sehen. Alles in allem ein nettes Entertainment, zumal die Kommentare durchweg sachlich richtig sind. Es wird meiner Meinung der Akku-elektro-LKW werden. Und zuerst wird das wirtschaftlich im Verteiler und Kurzstreckenverkehr kommen, ausgehend von leichten und mittleren Gewichtsklassen. Der E-Antrieb wird zuletzt die Langstrecke mit individuellen Streckenplanungen erobern weil dafür sowohl die Ladeinfrastruktur als auch die günstigen Batteriezellen für preiswerte, schwere LKWs fehlen.
John
30.09.2023 um 10:05
Das dauert aber auch noch. Kostet auch ne Menge und hoffentlich steht bis dahin nicht der günstigste Grüne H2, der in der Industrie und zur Langzeitspeicherung benötigt wird, an der Straße. Der Markt wird entschieden. Grünen H2 brauchen wir aus anderen Gründen wie Mobilität. Wenn er aber günstig sein sollte, dann wird er auch dort seine Anwendung finden. Schließlich hat die Batterie auch ihre systembedingten Nachteile.
Daniel
29.09.2023 um 09:33
Zuerst sollten sich die Hersteller und/oder Regierungen mal auf einen Standard einigen. Setzt man auf flüssigen oder gasförmigen Wasserstoff. Es wäre mit Sicherheit nicht zielführend, die Tankinfrastruktur zweimal aufzubauen. Von vielen wird hier eine Konkurrenz zwischen Wasserstoff und Akku herbeigeschrieben, bei der Wasserstoff heillos unterlegen wäre. Ich gehe davon aus, dass jeder Spediteur selbst rechnen kann und sich für seinen Einsatzzweck das richtige Fahrzeug aussuchen wird. Je schwerer und vor allem je länger die Strecke, desto eher die Wahrscheinlichkeit, dass Wasserstoff eine Alternative sein könnte. Was mich hier bei den Diskussionen immer wieder erstaunt ist, dass hier offensichtlich jeder besser Bescheid weiß als die Spezialisten (Betreiber und Hersteller). Warten wir doch einfach die weitere Entwicklung ab. Es ist doch spannend in einer Zeit zu leben, die derart tiefgreifende Veränderungen bringt und evtl. zum ersten Mal in der Geschichte eine große technische Entwicklung, die mal zu weniger Umweltzerstörung führt (auch wenn ich die Auswirkungen nicht mehr erleben werde).
Markus Müller
01.10.2023 um 17:03
Warum gibt es dann immer nur Gerüchte von irgendwelchen Beteiligten statt standardisierter Tests unter unabhängiger Aufsicht?
Abraham De Jager
02.10.2023 um 11:14
Alles gut und schön, hat aber jemand schon mal drüber nachgedacht wo das H2 herkommt und wie groß der CO2 Fußabdruck davon ist!? Und wie viele kWh pro Kilo H2 da drinnen steckt!? Das ist ja reine Energeverschwendung. Auch wenn es mal aus der sogenannte grüne Stromüberschüsse erzeugt wird? Das Brunnen zu Rad Rendement liegt dabei unter die 20% ist ja noch slechter als Diesel.
Markus Müller
05.10.2023 um 14:29
Soeben wurde ein paar Kilometer von mir entfernt eine Elektrolyse-Anlage in Betrieb genommen. Das obligatorische Restwasser des Schiffenensees, eines (kleinen) Stausees wird über eine separate Turbine in Strom umgewandelt und dieser speist kontinuierlich eine Elektrolyse-Anlage, welche etwa 300 Tonnen Wasserstoff pro Jahr produziert. Der dabei erzeugte Sauerstoff wird zur Verbesserung des Wassers im Stausee benutzt. Gute Idee, da das Restwasser immer fliessen muss, auch wenn z.B. an einem sonnigen Mittag schon genügend PV-Strom da ist. Der erzeugte Wasserstoff soll nach und nach für etwa 50 Busse und LKW in der Gegend eingesetzt werden.
Gregor
10.10.2023 um 13:21
Was man mit dem Strom alles an EAutos laden könnte. Total irre. Sollen also in Zukunft pro 50 Bussen ein Wasserkraftwerk gebaut werden? :D Well to Wheel nennt sich die Berechnungsmethode. Studien dazu findet man viele im Netz. Da kann man sich den Wirkungsgrad BEV vs. H2 vs. Petrol mal übersichtlich ansehen.

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