1.000 km mit Wasserstoff: Mercedes-Benz demonstriert GenH2 Truck auf Rekordfahrt
Am Ende des sogenannten #HydrogenRecordRun steht dem Wasserstoff-Truck von Daimler ein anderer Lkw mit Stern im Weg. Während in den Berliner Ministergärten die versammelte Journalistenschar mit ihren Kameras gespannt auf die Zieleinfahrt des GenH2 Truck wartet, herrscht eine Parallelstraße weiter plötzlich Stillstand. Der Lkw der Zukunft wird von einem Pendant aus der Gegenwart ausgebremst. Ein roter Mercedes Benz Arocs mit herkömmlichem Diesel-Aggregat richtet gerade eine Baustelle ein, die Baggerschaufel schwingt schon durch die Luft. Und die Kreuzung ist blockiert.
Doch die Verzögerung dauert nur wenige Minuten – dokumentiert von einer Kameradrohne, die das PR-Team von Daimler Truck eigens in der Berliner City aufsteigen ließ. Andreas Gorbach nimmt’s mit Humor. „Das ist das echte Leben. Da steht schon mal ein Lkw und macht, wofür er gebraucht wird“, sagt der Entwicklungsvorstand der Daimler Truck AG nachdem er die Rekordfahrt auf den letzten Metern persönlich gesteuert hat. Und den GenH2 Truck gekonnt in die enge Einfahrt der Ministergärten manövriert hat. „Mein Team hatte Angst, dass ich einen Kratzer reinfahre“, gesteht Gorbach, nachdem er vom Fahrerhaus heruntergeklettert ist. Diese Sorge war unbegründet.
Mit der Rekordfahrt von Wörth am Rhein über Dortmund, Hannover und Hamburg nach Berlin wollte Daimler Truck demonstrieren, dass die Wasserstoff-Brennstoffzellentechnologie eine gute Lösung für die Dekarbonisierung des anspruchsvollen Langstrecken-Straßentransports sein kann. Am Ende stehen 1.047 Kilometer mit einer Tankfüllung flüssigem Wasserstoff auf der Uhr, offiziell abgenommen vom TÜV Rheinland. Tags zuvor war der GenH2 Truck voll ausgeladen und mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 40 Tonnen in Wörth gestartet. Die zwei jeweils seitlich am Fahrgestell montierten 40-Kilo-Tanks und der zusätzliche Batterie-Ladeanschluss wurden eigens verplombt.
Der flüssige Wasserstoff ist für die Daimler Truck AG dabei Fluch und Segen zugleich. Tanken kann man diesen bisher nirgends in Deutschland. Am eigenen Lkw-Werk in Wörth hat der Hersteller bisher nur eine provisorische Tankstelle, in wenigen Wochen eröffnet immerhin eine reguläre. Doch sonst gibt es für den tiefgekühlten Energieträger bisher keine Infrastruktur. Deshalb kann der GenH2 Truck auf der Rücktour nach Wörth auch keine weiteren Rekorde aufstellen. Er fährt nämlich nicht auf eigener Achse, sondern auf einem Sattelauflieger nach Hause.
Für Andreas Gorbach ist das kein Grund an der Technologie zu zweifeln: „Wir brauchen Wasserstoff als Ergänzung zu unseren Batterie-elektrischen Trucks. Und wir brauchen Wasserstoff zur Dekarbonisierung so oder so“, sagt er bei der späteren Podiumsdiskussion auf einer improvisierten Bühne in den Ministergärten. An der technischen Doppelstrategie mit dem Duo aus Batterie und Brennstoffzelle will er jedenfalls festhalten. Und am flüssigen Wasserstoff als Alternative zum gasförmigen am liebsten auch. Der wurde übrigens von Air Liquide geliefert und ist erneuerbaren Ursprungs, da er aus Biomethan mit Herkunftsnachweis hergestellt wurde. Bei der Betankung wurde -253 Grad Celsius tiefkalter Flüssigwasserstoff in die zwei jeweils seitlich am Fahrgestell montierten Tanks gefüllt. Durch die besonders gute Isolierung der 40-Kilo-Fahrzeugtanks kann der Wasserstoff für eine ausreichend lange Zeit ohne aktive Kühlung auf Temperatur gehalten werden.
Die Rekordfahrt des GenH2 Truck von Rheinland-Pfalz nach Berlin nutzte Andreas Gorbach auch, um einen Appell an die Politik zu richten. Diese müsse den Infrastruktur-Aufbau für alternative Kraftstoffe beschleunigen, ausreichend grüne Energie sicherstellen und die nötigen Rahmenbedingungen schaffen, damit Spediteure auch auf die neuen E-Fahrzeuge umsteigen. „Das ist ein Wettkampf mit dem Diesel“, sagte Gorbach. Der Flaschenhals bei der Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs seien jedenfalls nicht die Fahrzeuge, sondern die Infrastruktur und die Wettbewerbsfähigkeit. „Wir müssen Verkehr mit Diesel teurer machen. Das ist der Preis für CO2-neutralen Transport.“ Gorbach zeigte sich wild entschlossen, die neuen Elektro-Trucks – ob nun mit Batterie oder Brennstoffzelle – wie geplant zu liefern.
„Wasserstoff ist bei Lkw alles andere als heiße Luft und wir kommen auf dem Weg zur Serienreife sehr gut voran“, ergänzte der Entwicklungsvorstand noch. Ob insbesondere der Flüssigwasserstoff auf besonders anspruchsvollen Langstrecken eine Chance hat, wird sich wohl erst in ein paar Jahren herausstellen. Mit der Entwicklung liegt Daimler Truck nach eigenen Angaben im Zeitplan und die Serienreife des Mercedes-Benz GenH2 Truck wird für die zweite Hälfte des Jahrzehnts erwartet.
Zuvor geht allerdings auch der Batterie-elektrische eActros 600 an den Start. Die Weltpremiere der Serienversion steht schon in zwei Wochen an. Gut möglich, dass Daimler Truck die größte Konkurrenz für den Wasserstoff (neben dem Diesel) also höchstselbst auf die Straße bringt. Ladestationen für Rekordfahrten zwischen Wörth und Berlin gibt es im Megawatt-Bereich zwar derzeit auch noch keine. Doch mit den HPC-Ladeparks für Elektroautos existiert immerhin schon heute eine nutzbare Alternative, um den Hin- und Rückweg gleichermaßen auf eigener Achse zu schaffen.
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