Bundestag beschließt Ausweitung der Lkw-Maut

Ab dem 1. Dezember 2023 wird neben der bestehenden Lkw-Maut für Fahrzeuge über 7,5 Tonnen auch eine CO2-Komponente fällig. So sieht es der Gesetzentwurf vor, der am Freitag im Bundestag beschlossen wurde. Die Kritik aus der Branche ist groß, die Unternehmen sehen mit der Maut-Änderung die Antriebswende hin zu Elektro-Lkw ausgebremst – freundlich ausgedrückt.

Bild: Daimler Truck

Einen entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung nahm das Parlament mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen das Votum von Union und AfD bei Enthaltung der Linksfraktion an. Die Lkw-Maut für die Benutzung von Bundesfernstraßen soll ab dem 1. Dezember 2023 um eine CO2-Komponente erweitert und ab dem 1. Juli 2024 auch auf Lastkraftwagen zwischen 3,5 Tonnen bis 7,5 Tonnen ausgeweitet werden.

Ab dann wird zusätzlich zu den bisherigen Mautsätzen ein CO2-Aufschlag in Höhe von 200 Euro pro Tonne CO2 fällig. Dabei wird mit Durchschnittswerten beim Verbrauch und CO2-Ausstoß der Fahrzeuge gerechnet. Um es konkret zu machen: Schwere Nutzfahrzeuge der Schadstoffklasse EURO VI mit hohem CO₂-Ausstoß (CO₂-Emissionsklasse 1) müssen ab Dezember bis zu 15,8 Cent pro Kilometer zusätzlich entrichten.

Emissionsfreie Lkw bis Ende 2025 von der Maut befreit

Von der Mautpflicht ausgenommen werden sollen Fahrten von Handwerkern oder Personen mit handwerksähnlichen Berufen mit Fahrzeugen von weniger als 7,5 Tonnen. Emissionsfreie Lkw werden bis Ende 2025 gänzlich von der Mautpflicht befreit, wie es in der Mitteilung des Bundestages heißt.

Die Bundesregierung rechnet durch die Einführung der Kohlenstoffdioxid-Differenzierung für Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen mit Mehreinnahmen aus der Maut von 26,61 Milliarden Euro in den Jahren 2024 bis 2027. Die erwarteten Mehreinnahmen durch die Ausdehnung der Maut auf Fahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen beziffert die Bundesregierung auf vier Milliarden Euro im gleichen Zeitraum, davon sollen 1,83 Milliarden Euro auf die CO2-Differenzierung entfallen.

Ebenfalls neu geregelt werden soll die Verwendung der Mauteinnahmen. Die Hälfte der Einnahmen soll weiterhin zweckgebunden für die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur für die Bundesfernstraßen verwendet werden, die zweite Hälfte auch für Maßnahmen im Bereich des Schienennetzes.

Die Reform der Lkw-Maut hat eine lange Vorgeschichte. Die Grundzüge der neuen Lkw-Maut hatten die Regierungsparteien bereits Ende März in einem Koalitionsausschuss festgezurrt. Im Juni wurde dann der im Bundesverkehrsministerium erarbeitete Gesetzentwurf vom Kabinett verabschiedet.

Die Kohlenstoffdioxid-Differenzierung sei eine wichtige Maßnahme für die Minderung der Treibhausgasemissionen im Verkehr und zur Erreichung des Klimaschutzziels, heißt es in der Gesetzesvorlage. Durch die Einführung werde ein Preissignal gesetzt, durch das die Nutzung von Lkw mit alternativen Antrieben für die Güterverkehrsbranche deutlich attraktiver wird. Der vermehrte Einsatz von Lastkraftwagen mit alternativen Antrieben werde benötigt, um das Ziel – ein Drittel elektrische Fahrleistung im Jahr 2030 – zu erreichen.

CO2-Maut kommt vor der Massen-Verfügbarkeit emissionsfreier Lkw

Nur: In der Branche sorgt das Timing der CO2-Komponente für Ärger. Denn sie wird zu einem Zeitpunkt eingeführt, zu dem noch nicht viele Fahrzeuge mit emissionsfreiem Antrieb auf dem Markt sind – etwa im Fernverkehr bringt Daimler Truck seinen eActros 600 und MAN seinen eTruck erst noch auf den Markt. In Segmenten wie dem Verteilverkehr gibt es zwar schon etwas mehr Auswahl, in großen Stückzahlen verfügbar sind diese E-Lkw aber meist noch nicht.

Und aufgrund der hohen Anschaffungskosten sind Spediteure und Logistiker, die auf emissionsfreie Fahrzeuge umsteigen wollen, auf eine Förderung angewiesen. Doch bei dem wichtigen KsNI-Förderprogramm des BMDV hakt es: Das für 2024 vorgesehene Budget von 556 Millionen Euro ist „durch die bisherigen Förderaufrufe weitgehend gebunden“, wie uns die NOW Ende September bestätigte. Sprich: Ohne zusätzliche Mittel aus dem Bundeshaushalt ist die Unterstützung beim Kauf eines neuen Elektro-Lkw wohl zeitnah nicht möglich. Also selbst wenn man emissionsfreie Lkw beschaffen will und dafür investiert, wird am Dezember kurzfristig der CO2-Aufschlag für die derzeit betriebenen Diesel-Lkw fällig.

Heftige Kritik aus der Branche

Auf den leeren KsNI-Fördertopf spielt auch MAN-Entwicklungsvorstand Frederik Zohm an, wenn er sagt: „Die Bundesregierung hat uns die Chance genommen, zu dekarbonisieren.“ Ohne entsprechende Fördergelder bei der Fahrzeugbeschaffung könne die Maut so keinen Lenkungseffekt entfalten. „Das ist klimapolitisch sehr bedenklich, wenn man nicht von einer Geisterfahrt reden will“, so Zohm.

Noch deutlicher wird der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). Bereits am Mittwoch, als der Gesetzentwurf in einem Zwischenschritt vom Verkehrsausschuss des Bundestags ohne Änderungen beschlossen wurde (womit der Weg für die Abstimmung im Plenum am Freitag frei war), war im Bezug auf die Verkehrspolitik der Ampelregierung von einer „absoluten Katastrophe“ die Rede – und von einem „wirtschafts- und bürgerfeindlichen Blindflug“. „Diese Mauterhöhung ist ein erschreckendes Zeichen von Ideologie und geringem Respekt vor den gesamtgesellschaftlich Betroffenen, den Betrieben und den privaten Haushalten“, erklärte der BGL am Mittwoch in einer ersten Reaktion. „Die Art und Weise, wie dieses Gesetz ohne jeden wirtschaftlichen Sachverstand und ohne Rücksicht auf sachlich begründete Änderungsvorschläge aus dem maßgeblich betroffenen deutschen Mittelstand durch das Parlament gepeitscht wurde, ist blamabel.“

Es gibt aber auch sachliche Kritik des BGL, denn aufgrund der Engpässe bei den Bahnen werde durch diese Verteuerung „keine einzige Tonne Fracht von der Straße auf die Schiene verlagert werden“. „Mit den zusätzlichen Mitteln aus der Maut-Erhöhung in Höhe von jährlich 7,6 Milliarden Euro hätte man den Ausbau der E-Ladeinfrastruktur deutlich vorantreiben und die Anschaffung von E-Lkw in den kommenden Jahren signifikant unterstützen können.“ Die Ampel-Koalition habe die große Chance verpasst, mit den Mehreinnahmen der Antriebswende auf der Straße einen deutlichen Impuls zu geben. „So werden E-Lkws auch in den nächsten Jahren nur eine Nischen-Rolle spielen können“, erklärt der Verband.

bundestag.de, bgl-ev.de, eurotransport.de (Reaktionen)

6 Kommentare

zu „Bundestag beschließt Ausweitung der Lkw-Maut“
Stefan
20.10.2023 um 12:51
Die Bundesregierung erwartet ja gar nicht, dass der CO2-Aufschlag durch emissionsfreie LKW vermieden wird. Das zusätzliche Geld ist ja eingeplant, u.a. für Schienenprojekte. Also entweder CO2-Aufschlag zahlen oder Transporte verringern oder verlagern auf Schiene/Wasser u.a.
Franz-Josef Dues
20.10.2023 um 22:04
Unsere Spezialisten in Berlin ohne festen Berufsabschluss sägen an den Ästen auf denen wir alle sitzen Armes Deutschland und die AFD kommt vor Lachen nicht in nen schlaf
Gregor
21.10.2023 um 09:14
Der Wahnsinn auf den Straßen mit all den LKW muss endlich enden. Das in den letzten 20 Jahren durch die Union unser gutes Bahnnetz zu Lasten der Transport Lobby kaputt gemacht wurde, ist eine Schande. Es gibt zu wenig Lenker und zu wenig Plätze an den Autobahnen, also rauf auf die Schiene mit den Waren
Philipp
23.10.2023 um 06:29
Die Transportlobby schreit laut - da muss die Bundesregierung ja endlich mal was richtig gemacht haben. Es stimmt zwar, es sind zur Zeit noch wenig E-LKW verfügbar, aber das wird sich nun rasch ändern. Auch andere Länder planen oder haben schon entsprechende Mautmodelle mit Strafen für Verbrenner. Und ist die Maut hoch genug, braucht es auch gar keine Förderung - der E-LKW ist über die Nutzungszeit sowieso das günstigste Fahrzeug. Das Waren im Supermarkt teurer werden, zählt für mich nicht als "Schaden für die deutsche Wirtschaft". Wenn der spanische Salat billiger ist als der deutsche Salat, weil der Erntehelfer in Spanien weniger kostet und der Transport so billig ist, dann läuft hier was falsch, bei dem die Mauterhöhung endlich gegensteuert. Lokale Produkte werden schließlich nicht teurer. Und beim Transport von Wertgütern spielt die Maus sowieso keine Rolle, das sind Peanuts auf den Gesamtpreis gesehen.
Manfred Stummer
23.10.2023 um 08:28
Dem stimme ich vollinhaltlich zu. So werden auch die LKW-Hersteller zum Bau von mehr E-LKW gedrängt. Die Branche wird freiwillig niemals vom Verbrennungsmotor abrücken!
Matthias
24.10.2023 um 11:11
der angesprochene Salatkopf kostet vielleicht 2€. Wieviel Transportkosten werden da wohl drin stecken? Sicherlich deutlich weniger als der Endpreis. Und wie wird sich die Maut auf den Endpreis auswirken, vermutlich im sub-Cent -Bereich. Wenn Preise steigen, dann wegen allem Möglichen aber nicht wegen der Maut.

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