Bundestag beschließt Ausweitung der Lkw-Maut
Einen entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung nahm das Parlament mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen das Votum von Union und AfD bei Enthaltung der Linksfraktion an. Die Lkw-Maut für die Benutzung von Bundesfernstraßen soll ab dem 1. Dezember 2023 um eine CO2-Komponente erweitert und ab dem 1. Juli 2024 auch auf Lastkraftwagen zwischen 3,5 Tonnen bis 7,5 Tonnen ausgeweitet werden.
Ab dann wird zusätzlich zu den bisherigen Mautsätzen ein CO2-Aufschlag in Höhe von 200 Euro pro Tonne CO2 fällig. Dabei wird mit Durchschnittswerten beim Verbrauch und CO2-Ausstoß der Fahrzeuge gerechnet. Um es konkret zu machen: Schwere Nutzfahrzeuge der Schadstoffklasse EURO VI mit hohem CO₂-Ausstoß (CO₂-Emissionsklasse 1) müssen ab Dezember bis zu 15,8 Cent pro Kilometer zusätzlich entrichten.
Emissionsfreie Lkw bis Ende 2025 von der Maut befreit
Von der Mautpflicht ausgenommen werden sollen Fahrten von Handwerkern oder Personen mit handwerksähnlichen Berufen mit Fahrzeugen von weniger als 7,5 Tonnen. Emissionsfreie Lkw werden bis Ende 2025 gänzlich von der Mautpflicht befreit, wie es in der Mitteilung des Bundestages heißt.
Die Bundesregierung rechnet durch die Einführung der Kohlenstoffdioxid-Differenzierung für Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen mit Mehreinnahmen aus der Maut von 26,61 Milliarden Euro in den Jahren 2024 bis 2027. Die erwarteten Mehreinnahmen durch die Ausdehnung der Maut auf Fahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen beziffert die Bundesregierung auf vier Milliarden Euro im gleichen Zeitraum, davon sollen 1,83 Milliarden Euro auf die CO2-Differenzierung entfallen.
Ebenfalls neu geregelt werden soll die Verwendung der Mauteinnahmen. Die Hälfte der Einnahmen soll weiterhin zweckgebunden für die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur für die Bundesfernstraßen verwendet werden, die zweite Hälfte auch für Maßnahmen im Bereich des Schienennetzes.
Die Reform der Lkw-Maut hat eine lange Vorgeschichte. Die Grundzüge der neuen Lkw-Maut hatten die Regierungsparteien bereits Ende März in einem Koalitionsausschuss festgezurrt. Im Juni wurde dann der im Bundesverkehrsministerium erarbeitete Gesetzentwurf vom Kabinett verabschiedet.
Die Kohlenstoffdioxid-Differenzierung sei eine wichtige Maßnahme für die Minderung der Treibhausgasemissionen im Verkehr und zur Erreichung des Klimaschutzziels, heißt es in der Gesetzesvorlage. Durch die Einführung werde ein Preissignal gesetzt, durch das die Nutzung von Lkw mit alternativen Antrieben für die Güterverkehrsbranche deutlich attraktiver wird. Der vermehrte Einsatz von Lastkraftwagen mit alternativen Antrieben werde benötigt, um das Ziel – ein Drittel elektrische Fahrleistung im Jahr 2030 – zu erreichen.
CO2-Maut kommt vor der Massen-Verfügbarkeit emissionsfreier Lkw
Nur: In der Branche sorgt das Timing der CO2-Komponente für Ärger. Denn sie wird zu einem Zeitpunkt eingeführt, zu dem noch nicht viele Fahrzeuge mit emissionsfreiem Antrieb auf dem Markt sind – etwa im Fernverkehr bringt Daimler Truck seinen eActros 600 und MAN seinen eTruck erst noch auf den Markt. In Segmenten wie dem Verteilverkehr gibt es zwar schon etwas mehr Auswahl, in großen Stückzahlen verfügbar sind diese E-Lkw aber meist noch nicht.
Und aufgrund der hohen Anschaffungskosten sind Spediteure und Logistiker, die auf emissionsfreie Fahrzeuge umsteigen wollen, auf eine Förderung angewiesen. Doch bei dem wichtigen KsNI-Förderprogramm des BMDV hakt es: Das für 2024 vorgesehene Budget von 556 Millionen Euro ist „durch die bisherigen Förderaufrufe weitgehend gebunden“, wie uns die NOW Ende September bestätigte. Sprich: Ohne zusätzliche Mittel aus dem Bundeshaushalt ist die Unterstützung beim Kauf eines neuen Elektro-Lkw wohl zeitnah nicht möglich. Also selbst wenn man emissionsfreie Lkw beschaffen will und dafür investiert, wird am Dezember kurzfristig der CO2-Aufschlag für die derzeit betriebenen Diesel-Lkw fällig.
Heftige Kritik aus der Branche
Auf den leeren KsNI-Fördertopf spielt auch MAN-Entwicklungsvorstand Frederik Zohm an, wenn er sagt: „Die Bundesregierung hat uns die Chance genommen, zu dekarbonisieren.“ Ohne entsprechende Fördergelder bei der Fahrzeugbeschaffung könne die Maut so keinen Lenkungseffekt entfalten. „Das ist klimapolitisch sehr bedenklich, wenn man nicht von einer Geisterfahrt reden will“, so Zohm.
Noch deutlicher wird der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). Bereits am Mittwoch, als der Gesetzentwurf in einem Zwischenschritt vom Verkehrsausschuss des Bundestags ohne Änderungen beschlossen wurde (womit der Weg für die Abstimmung im Plenum am Freitag frei war), war im Bezug auf die Verkehrspolitik der Ampelregierung von einer „absoluten Katastrophe“ die Rede – und von einem „wirtschafts- und bürgerfeindlichen Blindflug“. „Diese Mauterhöhung ist ein erschreckendes Zeichen von Ideologie und geringem Respekt vor den gesamtgesellschaftlich Betroffenen, den Betrieben und den privaten Haushalten“, erklärte der BGL am Mittwoch in einer ersten Reaktion. „Die Art und Weise, wie dieses Gesetz ohne jeden wirtschaftlichen Sachverstand und ohne Rücksicht auf sachlich begründete Änderungsvorschläge aus dem maßgeblich betroffenen deutschen Mittelstand durch das Parlament gepeitscht wurde, ist blamabel.“
Es gibt aber auch sachliche Kritik des BGL, denn aufgrund der Engpässe bei den Bahnen werde durch diese Verteuerung „keine einzige Tonne Fracht von der Straße auf die Schiene verlagert werden“. „Mit den zusätzlichen Mitteln aus der Maut-Erhöhung in Höhe von jährlich 7,6 Milliarden Euro hätte man den Ausbau der E-Ladeinfrastruktur deutlich vorantreiben und die Anschaffung von E-Lkw in den kommenden Jahren signifikant unterstützen können.“ Die Ampel-Koalition habe die große Chance verpasst, mit den Mehreinnahmen der Antriebswende auf der Straße einen deutlichen Impuls zu geben. „So werden E-Lkws auch in den nächsten Jahren nur eine Nischen-Rolle spielen können“, erklärt der Verband.
bundestag.de, bgl-ev.de, eurotransport.de (Reaktionen)
6 Kommentare