Volvo tastet sich mit elektrischem Test-Lkw an Leistungslimits heran
Wie viele Kilometer können Elektro-Lkw in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren leisten? Auf diese Frage sucht Volvo aktuell mit einem Test-Exemplar Antworten. Die aktuelle Zwischenbilanz: Das Batterie-elektrische Schwergewicht ist in der Lage, seine Diesel-Pendants herauszufordern. Denn ein herkömmlich angetriebener schwerer Lkw kann laut Volvo in einem Jahr etwa 150.000 Kilometer zurücklegen. Der eigene elektrische Test-Lkw hat nach Angaben des schwedischen Herstellers in zwei Jahren bereits 500.000 Kilometer zurückgelegt. Also pro Jahr 250.000 Kilometer.
Der schwere Lkw ist Teil eines Innovationsprojekts von Volvo Trucks und Designwerk Technologies. Die Schweden sind bekanntlich Mehrheitseigner des Schweizer E-Lkw-Unternehmens. Dazu weiter unten noch Details. Vorneweg nur so viel: Beide Akteure arbeiten gemeinsam an schweren Elektrotransportern, „um Grenzen zu überschreiten und den Übergang zu nachhaltigen Lösungen so schnell wie möglich zu vollziehen“, wie sie unisono betonen.
Das E-Lkw-Exemplar mit einem Tachostand von nun einer halbe Million Kilometer legt seine Touren für die schwedische Börje Jönsson Group zurück. Ein Logistiker mit Sitz in Helsingborg, der bereits seit 2013 mit 100 % fossilfreien Transporten wirbt. Die 160 Lkw der Unternehmensflotte sind entweder elektrisch oder werden mit HVO100 („Hydrotreated Vegetable Oil“) oder Bio-LNG betrieben.
Konkret verkehrt das Volvo-Exemplar seit September 2021 sieben Tage die Woche zwischen den Städten Helsingborg und Göteborg in Südschweden, was einer einfachen Strecke von 240 Kilometern entspricht. Das Fahrzeug fährt sechs Tage pro Woche täglich fast 1.000 Kilometer und stoppt in dieser Zeit viermal, um seine Batterien aufzuladen. Am siebten Tag fährt der Lkw den halben Tag und wird dann für den Rest der Zeit geladen.
Laut Ulf Jönsson, Geschäftsführer von Börje Jönsson, erfüllt das Modell alle Erwartungen: „Ich bin der festen Überzeugung, dass der Straßentransport nachhaltiger werden muss. Ich bin sehr zufrieden mit der Leistung dieses Lkw, er bietet eine hohe Betriebszeit und Produktivität. Für den Fahrer ist es eine ganz andere Erfahrung, einen Elektro-Lkw zu fahren, er ist leise und es gibt keine Vibrationen.“ Eine wenig überraschende Kritik hat Jönsson aber bereits: „Um die Zahl der Elektro-Lkw auf der Straße zu erhöhen und sie effizient betreiben zu können, müssen viel mehr leistungsstarke Ladestationen eingerichtet werden. Hier muss die Industrie aktiv werden.“
Jessica Sandström, SVP Global Product Management bei Volvo Trucks, kommentiert die erreichte Etappe wie folgt: „500.000 Kilometer in nur zwei Jahren sind eine erstaunliche Leistung für diesen Elektro-Lkw. Es zeigt, dass es möglich ist, sehr intensive und anspruchsvolle Schwertransporte zu elektrifizieren. Es handelt sich um ein Innovationsprojekt, bei dem wir wertvolle Erkenntnisse gewinnen, zum Beispiel in Bezug auf die Batterieleistung. Diese Erkenntnisse werden letztendlich auch unseren Serien-Lkw zugutekommen.“
Apropos Serien-Lkw: Im Portfolio des schwedischen Herstellers gibt es zurzeit sechs serienmäßig produzierte Elektromodelle. Die drei Schwerlast-Modelle FH Electric, FM Electric und FMX Electric – bestellbar seit Mai 2022 – sowie die drei mittelschweren E-Lkw-Modelle Volvo FE, Volvo FL und VNR (für Nordamerika). Produziert werden diese in vier Werken. Mit dem belgischen Gent kam erst im September die vierte und größere Produktionsstätte hinzu.
Bisher verzeichnete Volvo Trucks nach eigenen Angaben Bestellungen und Kaufabsichtserklärungen für rund 6.000 Elektro-Lkw in 42 Ländern auf sechs Kontinenten. Allerdings differenzieren die Schweden dabei nicht nach mittelschweren und schweren Einheiten. Eine Absatzstatistik zum ersten Halbjahr 2023 hatte die Volvo Group hier veröffentlicht.
Die Bande zu Designwerk Technologies besteht bereits seit 2016. Zunächst kooperierten beide Seiten in der Schweiz. So belieferte der schwedische Nutzfahrzeughersteller die Schweizer dort unter anderem mit Chassis der Baureihen Volvo FM, Volvo FMX und Volvo FH, die Designwerk anschließend elektrifizierte und unter eigenem Namen verkaufte. 2019 mündete die Zusammenarbeit in einen langfristigen Kooperationsvertrag, 2020 dehnten die Partner das Konzept auf den deutschen Markt aus. Und 2021 übernahm die Volvo Group dann mit rund 60 Prozent die Mehrheit an Designwerk. Während Volvo den Massenmarkt im Auge hat, konzentrieren sich die Schweizer weiterhin auf Nischenanwendungen in der Elektromobilität, jüngste Beispiele sind etwa ein elektrifizierter Milchlaster oder ein Sattelschlepper mit 1.000-kWh-Batterie.
Mit Blick auf den Test-Lkw in Schweden, der nun bei 500.000 Kilometern steht, äußert Adrian Melliger, CEO von Designwerk Technologies: „Die Leistung dieses Lkw ist ein wichtiges Signal an den Markt. Es zeigt, dass E-Lkw für den schweren, täglichen Einsatz und reale Anwendungen bereit sind.“
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