Bruchsal: E-Carsharing als gemeinsame Vision einer ganzen Region
Die Wurzeln des stationären Carsharings namens „ZEO“ in und um Bruchsal gehen auf 2016 zurück. Seinerzeit begann das interkommunale Vorhaben klein. 2019 wuchs es dann bereits auf 44 E-Fahrzeuge an. Zur Auswahl standen seinerzeit zwei Modelle: der Renault Zoe und der Nissan eNV200 als Siebensitzer. Im September diesen Jahres ist nun die nächste Ausbaustufe erreicht: Durch die Einbindung 34 sogenannter „neuer ZEOs“ wächst die Flotte auf knapp 80 Fahrzeuge und die Auswahl auf sieben Modelle in neun Varianten. Dazu gleich mehr.
Zunächst zur Struktur des Systems und den Initiatoren: Das ZEO-Carsharing ist das Ergebnis einer öffentlich-privaten Partnerschaft. Dem Konsortium gehören die Regionale Wirtschaftsförderung Bruchsal GmbH (WFG), die Energie- und Wasserversorgung Bruchsal GmbH (EWB) sowie die Umwelt- und Energieagentur Kreis Karlsruhe (UEA) an. Hinzu kommen 17 Städte und Gemeinden und zehn Firmen, die ihre Elektroautos über das Elektro-Carsharing der Allgemeinheit zur Verfügung stellen.
Als Koordinator agiert die Regionale Wirtschaftsförderung Bruchsal GmbH. Deren Geschäftsführer Stefan Huber betont, dass es darum geht, „moderne Mobilitätsangebote aufs Land zu bekommen“. Bei einem Festakt im Schloss Bruchsal feierten sein Team, Partner und Unterstützer des Projekts jetzt die neu erklommene Ausbaustufe mit 72 Stationen, verteilt auf 18 Kommunen. „Diese flächendeckende Abdeckung im suburbanen und ländlichen Raum ist bundesweit einmalig“, so Huber.
Hinzukommt, dass auch Kommunen und private Firmen ihre Fahrzeuge in den Ausleih-Pool einbringen können. „Kommunen, Unternehmen, Vereine oder Verbände erwerben ein Elektroauto und nutzen es als Dienst- bzw. Firmenfahrzeug. Nach Feierabend, an Wochenenden und Feiertagen wird das Elektroauto im Carsharing allen Bürgern zur Verfügung gestellt“, heißt es dazu auf der Webseite von ZEO-Carsharing. Die in diesem Bereich aktiven Akteure sind im Einzelnen die Stadtwerke Bruchsal, die Regionale Wirtschaftsförderung Bruchsal, die Umwelt- und Energieagentur Kreis Karlsruhe, die Stadtwerke Bretten, das IBE Ing. Büro in Forst, die TREWI GmbH, die Volksbank Kraichgau, die Michael Koch GmbH, die Reineck GmbH und die Leicht Fenster & Türen GmbH.
2,4 Millionen Euro aus Europäischem Fonds
Jeder Ladestandort besteht grundsätzlich aus einer Doppelladesäule und zwei Parkplätzen, wobei nur einer für die grün-weiß gebrandeten Carsharing-Autos reserviert ist. Der andere Ladepunkte ist für Dritte öffentlich zugänglich. Für diese Grundidee ist die Region Bruchsal bereits 2016 ausgezeichnet und dadurch mit Mitteln belohnt worden, um den Rollout anzugehen.
Sieben Jahres später sind die Projektpartner abermals Preisträger: Ihr Erweiterungskonzept wurde im Wettbewerb „Klimaschutz mit System“ erneut als Modell für die Verkehrswende auf dem Land ausgezeichnet. Damit fließen weitere 2,4 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) in die Städte und Gemeinden am Rhein und im Kraichgau.
Das Geld wurde laut Huber in den vergangenen Monaten in den Ausbau der Infrastruktur investiert. Dabei bewerkstelligte die Energie- und Wasserversorgung Bruchsal mit dem Aufbau der neue Ladesäulen sowohl eine Verdichtung als auch eine Ausbreitung des Geschäftsgebiets. Neu ans Flottennetz angebunden wurden etwa die Städte Waghäusel und Philippsburg sowie die Gemeinde Oberhausen-Rheinhausen. Teil der Neu-Investition waren zudem die besagten 34 frisch eingeflotteten Elektroautos, die über eine europaweite Ausschreibung angeschafft wurden.
Die Palette der ausleihbaren Fahrzeugtypen ist dadurch deutlich breiter geworden. Huber zählt nun 17 Kompaktwagen/ SUVs, 37 Kleinwagen,
drei Hochdachkombis, 14 Kleinbusse mit sieben oder neun Sitzen und einen Transporter auf. Um welche Modelle es sich handelt, präzisieren die Projektpartner auf ihrer Homepage: Neben dem Renault Zoe und dem Seres 3 im Klein- und Kompaktwagensegment besteht die Flotte aus dem Hochdachkombi Fiat Doblo, Sieben- und Neunsitzern des Fiat Scudo bzw. Opel Vivaro, einem Ford Transit sowie den bereits früher in den Dienst gestellten älteren Zoe- und eNV200-Modellen.
Die bewährten Fahrzeuge sind also weiter buchbar. Es bedurfte allerdings eines organisatorischen Kraftakts die rund 40 Bestandsfahrzeuge Anfang des Jahres innerhalb weniger Tage umzurüsten und umzufolieren. „Die bestehenden Bordcomputer mit der Flinkstersoftware wurden ausgebaut und neue Geräte für den Betrieb bei unserem Carsharinganbieter Vianova eingebaut“, teilen die Partner mit.
Hintergrund ist, dass der Carsharingbetrieb im Zuge des Erweiterungsprojekts neu ausgeschrieben wurde. Durchgesetzt hat sich die Vianova eG aus Mainz. Dadurch soll das Ausleihsystem nutzerfreundlicher und günstiger werden – und dass auch weiterhin ohne Anmelde- und Grundgebühr. Bezahlt wird erst bei tatsächlicher Nutzung, heißt es. Die ZEOs kosten je nach Fahrzeugmodell zwischen 1,90 und 2,90 Euro pro Stunde oder eine Tagespauschale von 22,90 bis 33,90 Euro. Hinzu kommen je nach Fahrzeugtyp zwischen 27 und 35 Cent pro gefahrenem Kilometer. „Wer weniger als 12.000 km pro Jahr fährt, ist mit Carsharing günstiger unterwegs als mit einem eigenen Fahrzeug“, betont Huber.
Online oder über örtliche Bürgerbüros buchbar
Voraussetzung für die Nutzung der Fahrzeuge ist, sich online anzumelden und über eine kostenfreie Smartphone-App zu buchen. Alternativ dazu ist die Registrierung auch in allen örtlichen Bürgerbüros möglich: Dort erhalten Interessierte gegen Vorlage ihres Führerscheins und Personalausweises eine Nutzerkarte ausgehändigt, mit der sich die ZEO-Autos genauso einfach öffnen und schließen lassen wie über die App.
„Die neuen ZEOs verfügen über deutlich höhere Reichweiten und kürzere Ladezeiten“, betonen die Initiatoren. Sollte trotzdem ein Ladestopp nötig werden, steckt im Handschuhfach der Fahrzeuge eine Ladekarte, mit der Nutzende an allen ZEO-Stationen und darüber hinaus, beispielsweise unterwegs an Schnellladesäulen an der Autobahn, kostenlos laden können.
Von der baden-württembergischen Landesregierung wird das Projekt als Leuchtturm gelobt – und auch mit Fördergeldern unterstützt: „Man spürt: Sie betreiben hier Klimaschutz mit Herzblut und einer gemeinsamen Vision. Ausgetretene Pfade werden verlassen, Prozesse in Verwaltungen und Firmen umgestellt, Autos und Ladesäulen über einen gemeinsamen Pool der Öffentlichkeit zugänglich. Ihr Engagement, Ihre Kooperation zahlt sich für die gesamte Gesellschaft aus und hat für das Land Baden-Württemberg eine besondere Vorbildfunktion“, äußert Staatssekretär Dr. Andre Baumann, Ministerium für Umwelt Baden-Württemberg.
Cornelia Petzold-Schick, Oberbürgermeisterin von Bruchsal und Vorsitzende der Regionalen Wirtschaftsförderung Bruchsal GmbH betont: „Die Fördergelder (aus Stuttgart und Brüssel, Anm. d. Red.) sind gut angelegt. Wir haben die Weichen schon früh auf Zukunft gestellt. Nachhaltige Mobilität verstehen wir als Beitrag zum Klimaschutz vor Ort und als harten Standortfaktor für Menschen und Betriebe. Unsere ZEOs ergänzen Bus und Bahn in idealer Weise. In Zeiten steigender Lebenshaltungskosten sind wir stolz, eine lückenlose und gleichzeitig bezahlbare Alternative zum eigenen Auto ermöglichen zu können.“
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