Förder-Ungewissheit bei Elektro-Lkw: Branche fordert schnelle Kurskorrektur
Die Zeichen stehen auf Klartext: „Falsche Rahmenbedingungen verhindern Klimaneutralität des Güterkraftverkehrs“ – so betiteln MAN und Daimler Truck ihre Pressemitteilungen. Kein Drumherumreden mehr: Die Regierung wird geradeaus kritisiert und direkt ein „Runder Tisch mit allen Beteiligten im Kanzleramt“ gefordert. Denn: „Mit den aktuellen Beschlüssen fährt die Koalition die Antriebswende gegen die Wand“, so eines von vielen denkwürdigen Zitaten des Tages.
Vier Repräsentanten der Brache haben zur Pressekonferenz geladen – je zwei für die Hersteller- und Kundenseite. Alexander Vlaskamp, CEO von MAN Bus&Truck vertritt an diesem Tag auch Konzernmutter Traton. Daimler Truck entsendet Manfred Schuckert, Leiter Emissionen und Sicherheit, Daimler Nutzfahrzeuge im Bereich External Affairs. Hinzukommen die DSLV-Hauptgeschäftsführer Frank Huster, (DSLV, Bundesverband Spedition und Logistik) und BGL-Verbandssprecher Dirk Engelhardt (BGL, Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung).
Alle vier eint die Sorge um die Antriebswende im Straßengüterverkehr. Dabei sind die Elektro-Lkw greifbar – „die Fahrzeuge sind toll, sie funktionieren tadellos“, betont etwa Dirk Engelhardt. „Doch werden unsere Mitgliederbetriebe sie kaufen? Nein. Sie können es nicht!“. Engelhardt vertritt als BGL-Vorstandssprecher rund 11.000 Mitgliedsunternehmen aus dem Mittelstand. Er skizziert eine Situation, in der auf der einen Seite der ab 1. Dezember fällige CO2-Aufschlag bei der Maut den Gütertransport auf der Straßen teurer macht, gleichzeitig aber der Umstieg auf emissionsfreie Antriebe über die KsNI-Förderung doch nicht im gedachten Umfang gefördert wird. Über den ungewissen Füllstand des KsNI-Fördertopfs hatten wir hier berichtet.
„Ladeinfrastruktur für Nutzfahrzeuge: Fehlanzeige“
Doch die Probleme sind vielschichtiger: Es fehlen die benötigten Strommengen und der Wasserstoff. Es fehlen die Megawattlader und die H2-Tankinfrastruktur. Es fehlen die notwendigen Flächen. In der Pressekonferenz fällt die Zahl von 40.000 fehlenden Parkplätzen. Vlaskamp wird an dieser Stelle deutlich: „Die Ladeinfrastruktur für Nutzfahrzeuge ist in Deutschland bisher eine absolute Fehlanzeige.“
Selbst im Verteilerverkehr mit Radien von bis zu 200 Kilometern stockt es den Sprechern zufolge beim Antriebswechsel. Verantwortlich machen sie den schleppenden Ausbau grundlastfähiger Stromnetze zu den Logistikterminals und Verteilzentren und das bisher „realitätsferne KsNI-Förderprogramm“. Die Folge: „So kommen viele Speditionshäuser selbst im Verteilerverkehr über eine Pilotphase mit elektrisch angetrieben Nutzfahrzeugen nicht hinaus.“
So schwer man sich mit dem KsNi-Programm tat, noch nervenaufreibender ist zweifellos die inzwischen eingetretene Umgewissheit über die Fortsetzung der staatlichen Anschaffungsförderung. Das ist der Punkt, der die Gemüter am meisten erregt und der das Fass – dieser Eindruck drängt sich auf – wohl auch zum Überlaufen gebracht hat. „Wir brauchen Planungssicherheit, eine
Förderung ist unerlässlich in der initialen Phase“, äußert Vlaskamp. „Im aktuellen Haushaltsentwurf der Bundesregierung wurde die Förderung um den Faktor 10 eingekürzt, das kann nicht sein.“ Sein Daimler-Truck-Kollege Schuckert pflichtet ihm bei. Noch deutlicher werden die beiden Verbandsvertreter.
Laut Frank Huster, der über den DSLV die großen Speditions- und Logistikakteure des Landes vertritt, fordert, aber fördert die Politik nicht: „Verkehrs-, Abgaben- und Klimapolitik sind nicht synchronisiert – dadurch bremst die Bundesregierung selbst die Fortschritte bei der Klimabilanz des Straßengüterverkehrs.“Die bestehenden Förderprogramme seien schlecht strukturiert: „Dort, wo mutmaßlich die größten Effekte erwartet werden kann, da fließt das Geld hin. Und weil beim Fernverkehr das Einsparpotenzial als höher gilt, gehen etwa eher Unternehmen mit Fokus auf den Verteilerverkehr und kürzeren Strecken leer aus. Dabei ist die E-Mobilität gerade dafür prädestiniert.“
Engelhardt bringt einige Zahlen auf den Tisch, um das Ausmaß der prekären Förderlage zu vergegenwärtigen: Die Anschaffung von E-Lkw koste Unternehmen rund das Dreifache eines Diesel-Lkw (“ also etwa 200.000 Euro mehr“), im Betrieb seien sie dann günstiger. Jährlich würden in Deutschland etwa 55.000 bis 60.000 schwere Nutzfahrzeuge beschafft. „Sollen nun zehn Prozent davon elektrisch sein, also etwa 5.000 Stück, dann wären allein 800 Millionen Euro an KsNI-Förderung nötig. Es werden aber nur 80 Millionen Euro eingestellt. So wird das nichts.“
Auf die Summe von 800 Millionen Euro kommt Engelhardt unter der Annahme, dass als Bemessungsgrundlage der KsNI-Zuschüsse weiterhin die 80%-Investitionsmehrausgaben gegenüber Diesel-Lkw gelten („also etwa 160.000 Euro pro Fahrzeug“). Diese Anzahl multipliziert der BGL-Mann mit den 5.000 angestrebten E-Lkw pro Jahr.
Bei der Ampel-Regierung stießen die Vertreter bisher auf taube Ohren. „Dabei ist genug Geld vorhanden, um jährlich 800 Millionen Euro für die Fahrzeug- und 1,5 Milliarden Euro für die Ladeinfrastruktur bereitzustellen“, betont Engelhardt. Denn die Maut bringe rund 7,6 Milliarden Euro ein. „Die Mittelständer sind doppelt belastet, sie werden so nicht investieren. Sie können es auch gar nicht. Sie werden abwarten. Der Ärger ist enorm“, berichtet er. Und ohne den Mittelstand geht es nicht. Denn die Speditions- und Transportbranche ist ganz überwiegend in mittelständischer Hand.
Maut-Aufschlag wird nicht infrage gestellt
Sowohl Engelhardt als auch Huster betonen, dass der CO2-Aufschlag auf die Maut nicht das Problem sei. Dieser werde von den Unternehmen nicht infrage gestellt, schließlich wolle man „Teil der Antriebswende sein“. Die Reinvestition der damit eingenommenen Gelder sei der springende Punkt. Da müsse mehr in die Branche zurückkommen, „damit wir den Wandel auch schaffen können“.
Auch ein klares Statement von Karin Rådström, CEO Mercedes-Benz Trucks, gibt es zu diesem Thema: Sie spricht von „intensiven Entwicklungsanstrengungen“ ihres Unternehmens, um BEV-Lkw nun in Serie anbieten zu können. „Damit unsere Kunden diese Fahrzeuge in großer Zahl kaufen, braucht es allerdings auch wettbewerbsfähige Kosten. Emissionsfreie Lkw sind in der Anschaffung teurer als Diesel-Lkw und für unsere Kunden ist deshalb wichtig, dass der Kauf weiterhin gefördert wird.“ Zudem brauche es eine flächendeckende Lade- und Tank-Infrastruktur für Batterie- und Wasserstoff-betriebene Fahrzeuge. „Hierfür müssen Prozesse beschleunigt, Bürokratie abgebaut und finanzielle Mittel aufgestockt werden. Es ist deshalb dringend geboten, einen Teil der Maut-Einnahmen hierfür zu verwenden.“
Im Laufe der Pressekonferenz betonten die Vertreter auch, wie wichtig es ist, die Antriebswende sektorübergreifend zu betrachten und vor allem die Energiewirtschaft einzubeziehen. Sie streifen Themen wie die Euro7-Norm, eine denkbare Abwrackprämie und die drohende Konkurrenz aus Übersee. „Wir richten hier einen dringenden Appell an die Regierung, die einzelnen Themen besser zu orchestrieren und keine Zeit mehr zu verlieren“, so Vlaskamp.
Zu dem angeregten Runden Tisch mit Vertretern aller Seiten – inklusive der Energiewirtschaft – im Kanzleramt, bringen BGL, DSLV, Daimler Truck und MAN direkt eine Liste konkreter Anliegen mit, die die hier dargestellten Ausführungen noch einmal zusammenfassen. Sie fordern:
- die Reinvestition beträchtlicher Anteile aus den hohen Mehreinnahmen bei der Lkw-Maut und dem Brennstoffemissionshandelsgesetz in Höhe von rund 9 Milliarden Euro jährlich in den Klimaschutz durch Aufstockung und Verstetigung der Haushaltsmittel für eine schnelle klimaneutrale Transformation des Straßengüterverkehrs
- die Verkürzung der Planungszeiten zur Beschleunigung des Aufbaus einer öffentlichen Schnellladeinfrastruktur inkl. des Netzausbaus sowie des Stellplatzausbaus für Nutzfahrzeuge. Deutschland braucht mindestens 10.000 öffentliche Lkw-Ladepunkte – davon mindestens 4.000 mit Hochleistung.
- die Entbürokratisierung bestehender Förderprogramme
Quelle: Pressekonferenz, mantruckandbus.com, daimlertruck.com
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