Bensheim: Neuartiger Buslader mit Schwungmassespeicher in Betrieb
Nachdem im Sommer der Spatenstich für das besondere Ladegerät erfolgt war, haben die Initiatoren in den vergangenen Wochen die Bauphase und erste Tests mit dem System abgeschlossen. Nun ist der Ladepunkt zur Versorgung elektrischer ÖPNV-Busse in Bensheim offiziell in Betrieb gegangen. Ab sofort werden damit erstmals in Deutschland E-Busse im Regelbetrieb an einer HPC-Ladestation mit einem Schwungrad-Pufferspeicher zwischengeladen.
Zusammen mit einem Konsortium aus Forschung und Wirtschaft realisierte Hersteller Adaptive Balancing Power (ABP) die neuartige Pantographen-Schnellladestation im Rahmen von „Buffered-HLL“ (zwischengespeichertes Hochleistungsladen) am Busbahnhof in Bensheim an der Bergstraße. Das Pilotprojekt wird vom Bund mit 2,3 Millionen Euro gefördert. Die Ladeleistung nennt ABP zwar nicht, gibt aber an, dass seine Technologie grundsätzlich für Leistungen von bis zu 240 kW ausgelegt sei.
„Die Mobilität der Zukunft muss klimaneutral, zuverlässig, bezahlbar und alltagstauglich sein. Genau dafür entwickeln und produzieren wir die richtigen Lade- und Speichertechnologien“, äußert Hendrik Schaede-Bodenschatz, Geschäftsführer der Adaptive Balancing Power GmbH.
„Mittelständische Busunternehmen sind das Rückgrat des öffentlichen Verkehrs jenseits von Ballungsräumen“, betont Karl Reinhard Wissmüller, Geschäftsführer der Verkehrsgesellschaft Gersprenztal mbH. Die Umstellung des Fuhrparks von Diesel auf E-Mobilität oder Wasserstoff sei eine Herausforderung. „Umso wichtiger ist es, dass wir praktikable Verkehrslösungen mit Blick auf Fahrzeugkosten und Reichweiten testen und etablieren.“
Kurz zur Einordnung: Die Adaptive Balancing Power GmbH wurde 2016 in Darmstadt gegründet. Kerngeschäft des Unternehmens sind Ladelösungen mit Schwungmassenspeichern. Ein erstes Exemplar namens Amperage hatte das Unternehmen im Oktober 2021 präsentiert. Im Mai 2022 folgte die Vorstellung einer All-in-One-Lösung namens Smart Charge Boost, bei der es sich um eine auf die Bedarfe von Firmenflotten optimierte Variante handelt. Bereits Mitte 2022 kündigten die Hessen dann an, zusammen mit einem Konsortium aus Forschung und Wirtschaft mit der Kreation einer neuartigen Pantographen-Schnellladestation für Busse beginnen zu wollen.
Nun meldet das in Pfungstadt – nur wenige Autobahn-Kilometer von Bensheim entfernt – beheimatete Unternehmen Vollzug. Das nun errichtete System soll ab sofort einen Citea LLE 99 electric von VDL mit Strom versorgen. Aktuell wird der Bus vorrangig auf den Stadtbuslinien in Bensheim eingesetzt. Dabei kommt er rund alle 30 Minuten am Bensheimer Bahnhof vorbei und lädt nach. „Ein Ladehalt beim Ein- und Aussteigen von rund 150 Sekunden reicht dabei für eine komplette Tour“, teilt ABP mit.
Als Hauptvorteil ihrer Lösung nennen die Pfungstädter die leichte Netzanbindung: Anders als andere Schnelllade-Systeme, die auf eine Ladeinfrastruktur mit sehr hohen Stromdurchflüssen angewiesen sind, komme die patentierte Adaptive-Technologie bereits mit Niederspannung aus und verzichte überdies auf Batteriechemie, was sie für nahezu alle Standorte geeignet macht, heißt es in einer begleitenden Mitteilung.
„Wenn das Projekt die erwarteten Ergebnisse zeigt, kann Bensheim zu einer Blaupause für viele Regionen in Deutschland werden. Das ist ein wesentlicher Baustein, um die Mobilitätswende schneller voranzutreiben und es stärkt Deutschland als Standort für Innovation und wirtschaftliche Entwicklung“, äußerte Schaede-Bodenschatz bereits im Sommer.
Weitere vier Partner sind an dem Pilotprojekt beteiligt: Die Isabellenhütte Heusler aus Dillenburg als Konsortialführer, der Ingenieurdienstleister CuroCon aus Zwingenberg, das in Berlin ansässige Reiner Lemoine Institut sowie die für den Busbetrieb zuständige Verkehrsgesellschaft Gersprenztal (VGG) mit Sitz in Reichelsheim und Bensheim.
In der Begleitforschung haben Wissenschaftler des Reiner Lemoine Instituts übrigens die vollständige Umstellung der rund 100 Busse der VGG auf Batterie-elektrische Antriebe untersucht. Wie die Simulationen der Forscher zeigen, ist reines Depotladen mit der aktuellen Bustechnologie bei etwa 30 Prozent der Umläufe nicht möglich. Deshalb müsste die VGG an 21 Endhaltestellen Ladeinfrastruktur für eine Zwischenladung aufbauen. „Für bis zu 16 dieser Haltestellen ist eine Zwischenladung an einer Schnellladestation mit Schwungrad-Pufferspeicher möglich. Dort wird dann nur ein Niederspannungsanschluss anstelle eines Mittelspannungsanschlusses benötigt. So muss kein Transformator installiert werden, das System ist platzsparendender und die Planung wird vereinfacht. Für diesen Fall reduzieren sich die Investitionskosten um knapp 2 Millionen Euro“, vergegenwärtigt RLI-Projektleiter Julian Brendel aus dem Bereich Mobilität mit Erneuerbaren Energien.
Die Testphase im regulären Fahrbetrieb in Bensheim ist auf 18 Monate angesetzt. Nach erfolgreichem Test soll das Infrastrukturmodell auch in andere Regionen übertragen werden.
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