Gebrauchte Elektroautos: Jetzt gibt’s die Guten!
Deutschland kauft Gebrauchtwagen: Beim Kraftfahrtbundesamt (KBA) heißt das nicht Neuzulassung, sondern Besitzumschreibung. Eine Statistik, wie viele Elektroautos auf die 5.641.416 Gebrauchtkäufe im Jahr 2022 entfallen sind, veröffentlicht das KBA nicht. Aber wir haben plausible und valide Quellen, die den Zuwachs bei Elektroautos und sinkende Preise belegen. So hat jüngst der ADAC festgestellt, dass einige attraktive E-Autos als junge Gebrauchte bis zu 20 Prozent günstiger angeboten werden als noch vor einem Jahr. Und zudem ist es einerseits eine Banalität, weil auf die immer häufiger verkauften BEV (für Battery Electric Vehicle) logischerweise irgendwann immer mehr Gebrauchte folgen. Andererseits wird inzwischen eine andere Qualität der Fahrzeuge sichtbar: Nach den Elektroautos der frühen Ära, die im Winter manchmal nur als Büro-Shuttle taugten, kommen die richtig guten Teile.
Die Auswahl ist breit und reicht vom Luxussegment wie dem Mercedes EQS über 800 Volt-Leckerbissen wie den Hyundai Ioniq 5 bis zu frisch eingefahrenen MG4. Dazu kommen jede Menge Teslas vom nahezu klassischen Model S bis zu jungen Model 3 und Model Y. Dass das Angebot der jungen Gebrauchten groß ist, hat Gründe.
Spürbarer Fördereffekt
So war es für etliche Neuwagenkäufer vorübergehend attraktiv, ein Elektroauto zu kaufen, die Förderung zu beantragen – also den so genannten Umweltbonus des BAFA – und nach der Mindesthaltedauer von ursprünglich sechs Monaten ins benachbarte Ausland zu veräußern. Es ist kein Geheimnis, dass einige Gewerbe- und Privatkunden Vorverträge mit Dänen oder Niederländern abgeschlossen hatten, um die Fahrzeuge in Wunschkonfiguration zu bestellen, für ein halbes Jahr abzustellen und für den vereinbarten Preis abzugeben. Ein Geschäft mit der Subvention.
Der Staat hat dieses Problem selbstverständlich gesehen und die Mindesthaltedauer ausgeweitet. Das ändert allerdings nur etwas am Zeitrahmen und nicht an der Sache selbst. Außerdem ist die Förderhöhe mehrfach abgeschmolzen worden: Für gewerbliche Käufer gibt es keinen Cent mehr, und 2024 dürfte auch das Budget für Privatkunden erschöpft sein.
Was sich dagegen massiv verändert hat, sind die Kaufkraft und die Konjunktur in der Europäischen Union. Nicht nur bei uns, sondern überall ist das Geld knapper.
Käufermarkt
Ein typisches Beispiel für diese Gemengelage kommt von Hyundai: 2024 laufen 21.000 Leasingverträge des Kona aus. Zwei Drittel der Kona, die es auch mit Verbrennungsmotor gab, sind Elektroautos, und die meisten von denen wiederum haben die große Traktionsbatterie mit 64 Kilowattstunden (kWh) Energieinhalt. Hyundai steht damit exemplarisch – wir befinden uns in einem Käufermarkt.
Hier ein paar willkürliche Stichproben: Volkswagen ID.3 mit der ausschließlich im Mietgeschäft vertriebenen 45-kWh-Traktionsbatterie sind für 20.000 Euro zu haben. Tesla Model 3 sind ab 25.000 Euro erhältlich. Und der quasi neue Effizienzmeister Hyundai Ioniq 6 geht für unter 40.000 Euro vom Hof.
Bei mobile.de, zusammen mit autoscout24 das wichtigste Suchportal, kann auf der Startseite ein Haken für „nur Elektroautos“ gesetzt werden. Wir haben bei mobile.de nachgefragt, wie es denn so läuft mit den gebrauchten BEV.
Meistgesucht: Kia EV6
mobile.de teilt unter anderem mit, dass im September 2022 26.616 Elektroautos angeboten wurden. Ein Jahr später waren es 95.657 Exemplare. Ein drastischer Zuwachs. Während im identischen Vergleichszeitraum der aufgerufene Preis für Verbrenner-Pkw von 28.208 auf 29.286 Euro stieg, sank der Durchschnitt bei BEV von 53.783 auf 41.957 Euro. Die Preise kommen runter, weil das gute Angebot zunimmt.
Das am häufigsten aufgerufene Elektroauto ist nach Auskunft von mobile.de übrigens der Kia EV6. Offenbar passen die Erwartungen an Größe, Reichweite, Ladefähigkeit und Preis hier besonders gut zusammen.
Privatkunden fragen nach dem Batteriezustand
Die Praxis der Verkäufer beschreibt Stefan Moeller. Er ist Prokurist und Geschäftsführer der Elektroautovermietung nextmove und berichtet: „Als Mietwagen-Direktvermarkter müssen wir unsere Gebrauchten preislich natürlich unterhalb der klassischen Händlerangebote platzieren“, so Moeller. Trotz vieler Anfragen sei es im Moment schwerer, zu einem Abschluss zu kommen.
Zuletzt hatte ein Käufer einen Kia Soul mitgenommen. 50.000 Kilometer auf dem Tacho, 64 kWh, 22.500 Euro, direkt per Smartphone überwiesen: „Privatkunden fragen immer zuerst nach dem Zustand der Traktionsbatterie“, sagt Stefan Moeller. nextmove bietet Interessenten an, den Speicher im Rahmen einer ausführlichen Probefahrt leerzufahren, um sich vom tatsächlichen Energieinhalt überzeugen zu lassen.
Die Degradation beim Kia Soul sei gering; mehrere Gebrauchte aus den Baujahren 2019 und 2020 hätten bei 97 Prozent des Neuwagenzustands gelegen.
Nicht nur Moeller rät dazu, die Traktionsbatterie entweder wie beschrieben zu messen oder zu einem der professionellen Anbieter zu gehen, weil „das Batteriemanagement lediglich eine Art Selbstauskunft des Patienten“ wäre.
Einfach nur Autos
Elektroautos sind einfach nur Autos. Sie haben Reifen, Fahrwerkslager und Bremsen, die verschleißen. Die Karosserie kann rosten. Funktionen jeder Art sind vielleicht defekt. Die Besonderheit ist die Traktionsbatterie, die sich zyklisch – also über die Nutzung – sowie kalendarisch über die Jahre abnutzt.
Für eine exakte Feststellung des State Of Health (SOH) gibt es erprobte Verfahren. Am bekanntesten sind Twaice und Aviloo. Beide arbeiten mit verschiedenen TÜV-Organisationen zusammen. Twaice mit dem TÜV Rheinland im Battery Quick Check. Aviloo mit dem TÜV Süd. Aviloo bietet darüber hinaus an, die Diagnose selbst durchzuführen. Eine Option, die für den Verkauf von privat an privat besonders interessant sein dürfte.
Gebrauchtwagenkäufer sollten in jedem Fall den Zustand der Traktionsbatterie prüfen lassen. Sie sind mittelfristig weiter im Vorteil: Bis inklusive September sind in Deutschland 387.289 Elektroautos neu zugelassen worden. Das entspricht einem Marktanteil von 18,1 Prozent.
Abschreibungsrückläufer
Dieser Anteil wird weiter steigen, auch wenn die Staatsförderung wegfällt. Der Garant dafür sind die Vorgaben zu den CO2-Flottenemissionen der Europäischen Union. Dieser Mechanismus erzwingt den Verkauf von Elektroautos und ist faktisch eine indirekte Quote.
Nach der üblichen Abschreibungs- oder Leasingdauer kommen diese Elektroautos als Gebrauchte auf den Markt. Ein System, dass sich über Jahrzehnte etabliert hat und an dem sich nichts Grundsätzliches geändert hat.
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