Flaschenpost unter Strom: Wie der gleichnamige Online-Supermarkt seinen E-Fuhrpark aufbaut
Der Online-Supermarkt flaschenpost hat in diesem Jahr 1.000 Elektrofahrzeuge in seine Lieferflotte integriert. „Die Anschaffung ist ein wichtiger Meilenstein zur Erreichung unserer Klimaziele. Wir wollen bis 2030 den CO2-Ausstoß um 42 Prozent zum Vergleichsjahr 2021 verringern“, sagt Stephan Zech, Leiter Fleet Management bei der flaschenpost. Damit hat das Münsteraner Unternehmen etwa 30 Prozent seiner 33 Standorte sowie circa ein Drittel seines Fuhrparks elektrifiziert.
Die flaschenpost hat verschiedene Fahrzeugmodelle auch nicht europäischer Hersteller getestet und sich für die Transporter Mercedes eVito Kastenwagen, Citroën ë-Jumpy Electric und Opel Vivaro Electric entschieden. „Bei der Auswahl spielten die Lieferfähigkeit und ein gutes Werkstattnetz eine große Rolle“, sagt Zech. Das Unternehmen benötige Fließbandprodukte. 400 bis 500 Fahrzeuge in einem vergleichsweise kleinen Zeitfenster auszuliefern, dazu sei nicht jeder Hersteller in der Lage. Ausschlaggebend sei auch gewesen, dass Mercedes, Citroën und Opel eine hohe Verfügbarkeit von Ersatzteilen garantieren.
„Wir haben festgestellt, dass das bei asiatischen Modellen nicht immer so gegeben ist und setzen daher lieber auf etablierte deutsche beziehungsweise europäische Produzenten.“ Knapp die Hälfte der Transporter hat die flaschenpost im Dezember 2021 geordert und konnte diese Anfang des Jahres 2023 in die Flotte einsteuern. 610 Fahrzeuge hat der Online-Supermarkt mithilfe des Förderprogramms für Klimaschonende Nutzfahrzeuge und Infrastruktur (KsNI) des Bundesamtes für Logistik und Mobiliät (BALM) beschafft. Sie wurden im August 2022 in Auftrag gegeben und waren bereits im Sommer dieses Jahres lieferfähig. Das Unternehmen hat 7,6 Millionen Euro an Fördergeldern für Fahrzeuge und Ladepunkte bekommen. „Wir haben unsere Lieferflotte damit deutlich schneller elektrifizieren können als wir es sonst geschafft hätten“, betont Zech.
Die mittlere Transportergröße hat die flaschenpost bewusst ausgesucht, da sie am besten für das Geschäftsmodell des Lieferdienstes geeignet ist. Volumen und Nutzlast reichen nach Angaben des Flottenmanagers völlig aus. „Dadurch, dass unsere Stoppdichte hoch ist und wir vor allem in Ballungsgebieten unterwegs sind, sind die Fahrzeuge dieser Größe am besten zu handeln.“ Die flaschenpost betreibt bundesweit 33 Depots und ist auf der letzten Meile in mehr als 200 Städten deutschlandweit unterwegs. Pro Standort kommen 50 bis 150 Fahrzeuge zum Einsatz.
Die durchschnittliche Fahrleistung liegt zwischen 50 und 150 Kilometern. Die Touren sind so ausgelegt, dass möglichst wenige Kilometer zurückzulegen sind. Das Versprechen der flaschenpost gegenüber der Kundschaft lautet, deren Wocheneinkauf – Getränke und Lebensmittel – innerhalb von 120 Minuten an die Wohnungstür oder ins Büro zu liefern. Kund:innen können montags bis samstags von 8 bis 20 Uhr bestellen. Mit einer eigens entwickelten intelligenten Tourenplanung kann der Lieferdienst Bestellungen zeitlich und örtlich bündeln und effizient ausliefern. Alternativ können die Kund:innen das noch nachhaltigere „Grüne Lieferfenster“ buchen, also eine bestimmte Lieferzeit auswählen, zu der ohnehin mehrere Adressen in der näheren Umgebung angefahren werden, um dieTourenstrecken weiter zu reduzieren. Strom unterwegs zwischenzuladen ist nicht notwendig, alle E-Transporter werden ausschließlich an die Ladepunkte an den Depots gehängt. Um die Kühlkette nicht zu unterbrechen, setzt die flaschenpost Mehrwegboxen mit wieder verwendbaren Kühlakkus für die Zustellung von Frische- und Kühlware ein.
Die ausschließlich festangestellten Fahrer sind laut Zech sehr zufrieden mit den elektrisch angetriebenen Transportern. „Wir nehmen uns viel Zeit, um unsere Fahrer intensiv zu schulen, damit sie sich an das stufenlose Fahren gewöhnen können.“ Sie lernen dabei nicht nur, wie das Ladekabel korrekt eingesteckt wird, sondern auch Reichweiten-optimiertes Fahren. Tatsächlich sei eine Challenge entstanden, beim Fahren möglichst wenig Energie zu verbrauchen. Der Effekt: Es werde deutlich vorausschauender gefahren und die Anzahl der Unfälle sei erheblich gesunken.
Berlin ist mit drei Standorten, insgesamt etwa 70 Ladepunkten und mehr als 150 eingesetzten Fahrzeugen das größte Einsatzgebiet der E-Transporter. Zwei von drei Niederlassungen sind bereits komplett elektrifiziert. Auch in Münster erfolgen alle Auslieferungen vollelektrisch. Die Fahrzeuge werden abends bedarfsgerecht auf dem Hof geladen. „Wir haben nicht nur auf Spitzenstromlasten und Stromverfügbarkeit geschaut, uns war es auch wichtig, möglichst wenig Ladepunkte aufbauen zu müssen.“ Zwar könne tagsüber auch geladen werden, aber nicht jedes Fahrzeug müsse täglich, sondern könne mitunter nur jeden zweiten oder dritten Tag an den Ladepunkt angeschlossen werden. „Wir haben berechnet, dass oftmals ein Ladepunkt für drei Fahrzeuge ausreicht“, erläutert Zech. Je nach Bedarf wurden zwischen 10 und 50 Ladepunkte an den einzelnen Standorten aufgebaut.
Die flaschenpost hat in ein intelligentes Lastmanagement investiert, das auch die Fahrzeugdaten beim Laden berücksichtigt. Das heißt, das System erkennt den Ladestatus des Fahrzeuges und versorgt es nur mit neuer Energie, wenn sie gebraucht wird. „Das führt dazu, dass wir Standorte elektrifizieren können, die ansonsten vielleicht gar nicht elektrifizierbar gewesen wären, weil die Stromverfügbarkeit nicht groß genug ist.“ Kommt ein Fahrer von seiner Tour zurück, sieht er auf seinem Dashboard, ob er den Transporter laden muss. Ist die Batteriekapazität größer als 75 Prozent, ist das nicht nötig. Die Wallboxen hat der Lieferdienst von Alfen bezogen, Schnellladepunkte hat die flaschenpost nicht installieren lassen. „Wir laden in der Regel mit durchschnittlich 7 Kilowatt und tarieren den Ladevorgang optimal aus.“ Die dafür eingesetzte intelligente Lade- und Energiemanagement-Software stammt aus dem Hause IO-Dynamics.
Perspektivisch wird auch die Tourenplanung im intelligenten Lastmanagement berücksichtigt, so dass der Gesamtbatteriestand der Flotte für die kommenden Touren ausreichend ist, ohne dass die Fahrzeuge voll aufgeladen sein müssen. Schon jetzt ist es möglich, die Touren so zu planen, dass jeder Kunde einer Tour seine Waren innerhalb des zweistündigen Zeitfensters bekommt. „Bei längeren Schichten ist es beispielsweise so, dass ein Fahrer nach drei Stunden zum Depot zurückkehrt, neue Waren einlädt und eine zweite Tour erledigt.“ Ziel ist es, jedes einzelne Fahrzeug optimal auszulasten: Es ist von morgens bis abends mit verschiedenen Fahrern unterwegs. „Dadurch, dass wir so viele Wechsel haben, benötigen wir smarte digitale Prozesse.“
Die Energie bezieht die flaschenpost derzeit noch ausschließlich aus dem öffentlichen Netz. Mit Blick auf die Nachhaltigkeit ist das, wo möglich, Strom aus regenerativen Quellen. Da der Lieferdienst die Lagerhallen gemietet hat, ist er auf die Unterstützung der Vermieter angewiesen. „Überall dort, wo wir einen eigenen Stromzähler haben, haben wir bereits auf Ökostrom umgestellt.“ Und auch beim Thema Photovoltaikanlagen auf dem Dach der Logistikimmobilie sei man im Gespräch mit den Eigentümern. Energiespeicher setzt das Unternehmen bislang nicht ein, perspektivisch sei aber nicht ausgeschlossen, das irgendwann zu tun, um die Kapazitäten noch effektiver zu nutzen.
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