Norwegen bläst zur konzertierten Elektro-Offensive im Lkw-Bereich

Norwegen schickt sich an, auch beim Hochlauf von Elektro-Lkw in Europa zum Vorreiter zu werden. Das Parlament gibt sich mit dem kürzlich beschlossenen Aus für neue Verbrenner-Lkw ab 2030 entscheidungsfreudig. Und auch beim Aufbau der Ladeinfrastruktur ziehen Politik und Wirtschaft an einem Strang.

Bild: Circle K

Fünf norwegische Unternehmen haben dieser Tage den Zuschlag erhalten, um in Norwegen in einer ersten zentral orchestrierten Aktion den Aufbau von öffentlichen Lkw-Ladestationen voranzutreiben. Dazu billigte Norwegens Wirtschaftsförderagentur Enova die Anträge von Mer, Circle K, St1, Tungbil Lading und Fastcharge. Das Quintett erhält vor diesem Hintergrund 60 Millionen Norwegische Kronen (umgerechnet rund 5,3 Millionen Euro) und verpflichtet sich im Gegenzug, spätestens bis zum Frühjahr 2025 insgesamt 19 Standorte mit zusammen 108 Ladepunkten entlang von vier Korridoren in Südnorwegen aufzubauen und zu betreiben.

Jeder Ladestandort besteht aus mindestens vier Anschlüssen, die jeweils ab 350 kW Leistung bieten. Bei den Korridoren handelt es sich um die Strecken Oslo -Svinesund, Oslo – Stavanger, Oslo – Bergen und Oslo – Trondheim. Darüber hinaus unterstützt die Enova den Bau von drei Stationen außerhalb dieser Korridore. Allen gemeinsam sei, dass es sich um Straßenabschnitte handelt, die derzeit stark vom Schwerlastverkehr genutzt werden, so die Wirtschaftsförderagentur.

„Es handelt sich um einen reifen Markt“

„Wir glauben, dass der Markt diese neuen Ladestationen auf der Straße begrüßen wird. Es handelt sich um einen reifen Markt mit professionellen Akteuren, und Enova trägt nun dazu bei, den Übergang zu emissionsfreien Lastkraftwagen zu beschleunigen“, äußert Enova-CEO Nils Kristian Nakstad.

Bei den nun fest zugesagten 60 Millionen NOK handelt es sich um das Budget des ersten Förderaufrufs eines im Sommer vorgestellten, neuen Programms zur Bezuschussung von öffentlicher Ladeinfrastruktur für schwere Elektro-Nutzfahrzeuge im Land. Die Unterstützung kann bis zu 80 Prozent der genehmigten Kosten betragen, begrenzt auf zehn Millionen NOK (umgerechnet 856.000 Euro). Das Programm ist als Wettbewerb organisiert und hat bis zu vier Bewerbungsfristen pro Jahr. Abhängig von der Marktentwicklung plant die Enova eine Laufzeit des Förderprogramms bis zum Sommer 2025.

Den Zuschlag des ersten Aufrufs erhielten laut der Enova jene Unternehmen, die „die meiste installierte Ladeleistung pro Fördersumme anbieten konnten“. Kurios: Vier Anträge wurden genehmigt, obwohl der Antragsteller als Fördersumme Null Kronen angab. Hintergrund ist , dass sich die fünf Unternehmen durch den Zuschlag den Betrieb ihrer Lader auf den 24-Stunden-Rastplätzen des norwegischen Straßenverkehrsamtes sichern. Also lukrative Standorte.

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Bild: Enova

Nils Kristian Nakstad kommentiert dazu: „Wir hatten mit einem starken Wettbewerb gerechnet, und es ist eine angenehme Überraschung, dass einige Betreiber eine Zusage mit Null NOK für die gewünschte Unterstützung beantragt haben. Wir glauben, dass einige Standorte (von einigen Betreibern) als so attraktiv angesehen werden, dass die Betreiber sich ohne Unterstützung von Enova niederlassen wollen. Das zeigt, dass der Markt großes Vertrauen in eine Zukunft mit Elektro-Lkw hat.“

Noch ist aber viel zu tun. Zum Laden schwerer Fahrzeuge gibt es in Norwegen „kaum entwickelte Infrastruktur“, wie die Enova bei der Vorstellung des Förderprogramms im Sommer selbst in ihrer Mitteilung festhielt. Aufnahmen elektrischer Sattelzugmaschinen, die (notgedrungen) ihren Trailer abkoppeln und dann an der HPC-Infrastruktur für die E-Autos laden, sind aus dem Internet bekannt. Denn: Die schweren (und vor allem oft langen) Elektro-Lkw haben andere Anforderungen an eine Ladestation als Autos. Da das Rangieren viel Platz benötigt, sind die bei Autos verbreiteten Ladesäulen vor Kopf des Stellplatzes unpraktisch. Auch nach dem Durchfahrtsprinzip aufgebaute Ladeparks müssen für Lkw angepasst werden, damit die langen Fahrzeuge nicht weitere Ladestationen blockieren.

Es wird aber erst mit einem steigenden Marktanteil schwerer E-Fahrzeuge für die Ladebetreiber wirtschaftlich attraktiv, in eigene E-Lkw-Ladeparks zu investieren. In dieser Phase kommt die Enova mit Unterstützung ins Spiel, „um den Bau von Ladeparks schneller anzuregen, als dies sonst der Fall wäre, während gleichzeitig die Aussicht besteht, dass dieser Markt in kurzer Zeit auf eigenen Beinen stehen kann“, wie sie konstatiert.

„Den Logistikern Vorhersehbarkeit bieten“

Das norwegische Straßenverkehrsamt hat seinerseits Interesse, die Ladeinfrastruktur auf die 24-Stunden-Rastplätze in seiner Verantwortung zu bekommen: „Es ist wichtig, dass wir dort gute Lademöglichkeiten für schwere Lkw haben. Wenn wir das Ziel erreichen wollen, schrittweise emissionsfreie Fahrzeuge für den Schwerlastverkehr einzuführen, müssen wir diesen Betreibern eine Vorhersehbarkeit für die Umstellung bieten“, äußert Ingrid Dahl Hovland, Direktorin der norwegischen Straßendirektion.

Neben dem öffentlichen Laden wird in Norwegen auch das Lkw-Laden an Firmenstandorten subventioniert. Erst dieser Tage vergab die Enova 18 Millionen NOK (rund 1,59 Millionen Euro) zur Förderung von 13 Projekten mit insgesamt 58 Ladepunkten in diesem Bereich. Es handelte sich dabei bereits um die vierte Förderrunde zur Bezuschussung von gewerblich genutzten Lkw-Ladestationen in diesem Jahr. Vier weitere Runden sollen 2024 folgen. Andere, im April 2023 aufgelegte Enova-Programme sollen unter anderem zu reduzierten Emissionen in der Bauindustrie beitragen.

Laut Statistiken der Wirtschaftsförderagentur sind im Bestand Norwegens aktuell knapp zwei Prozent der Lkw emissionsfrei. Bei den Neuzulassungen beläuft sich dieser Wert schon auf über 10 Prozent. Mit politischen Leitplanken soll diese Dynamik weiter angefacht werden. Eine wegweisende Entscheidung fällte das Parlament in diesem Kontext erst Anfang diesen Monats: Ab 2030 müssen demnach alle neu in den Verkehr gebrachten Lkw in Norwegen entweder emissionsfreie Fahrzeuge sein oder mit Biogas betrieben werden.

Das vorherige Ziel des Nationalen Verkehrsplans sah vor, dass im Jahr 2030 die Hälfte der neuen Lkw emissionsfrei sein sollen. Die norwegische Umweltbehörde sprach aber eine Empfehlung aus, wonach dieses Ziel veraltet sei und die Ambitionen erhöht werden sollten. Das Parlament folgte dieser Empfehlung und fordert die Regierung mit seinem Beschluss Anfang Dezember auf, ein Maßnahmenpaket vorzulegen, wie das neue Ziel erreicht werden kann.

Zulassungsanteil von E-Lkw soll sich 2024 verdoppeln

Im Rahmen der Haushaltsverhandlungen haben die Abgeordneten jüngst bereits festgelegt, dass das Budget der Enova für emissionsfreie Lkw um 285 Millionen Kronen (rund 24,4 Millionen Euro) erhöht wird. Das nächste Etappenziel ist nun zunächst, den Elektroanteil neuer schwerer Lkw im Jahr 2024 von zehn auf 20 Prozent zu erhöhen.

„Es muss sichergestellt werden, dass die Förderprogramme eine gute Vorhersehbarkeit für die Unternehmen bieten“, betont das norwegische Parlament. Genau an dieser Planungssicherheit mangelt es bekanntlich aktuell in Deutschland.

Andreas Bjelland Eriksen, Norwegens Minister für Klima und Umwelt, bezeichnet die Umstellung auf emissionsfreie Lastkraftwagen als „eine der wichtigsten Maßnahmen zur Senkung der norwegischen Emissionen“. Der Anteil der Elektro-Lkw sei in den letzten Jahren deutlich gestiegen, und die Verfügbarkeit von Ladeinfrastruktur für schwere Fahrzeuge sei entscheidend, um diesen Anteil weiter zu erhöhen.

kommunikasjon.ntb.no (auf Norwegisch)

6 Kommentare

zu „Norwegen bläst zur konzertierten Elektro-Offensive im Lkw-Bereich“
Dirk
21.12.2023 um 14:15
Geht doch. Geht technisch, geht logistisch, geht politisch.Wenn die richtigen Leute entscheiden.So geht Zukunft. Schritt für Schritt.
Beat
21.12.2023 um 21:09
Ich finde es beeindruckend, wie Norwegen hier vorangeht. Und das alles unter Bedingungen, die denen bei uns topographisch und klimatisch in nichts nachstehen. Allerdings wird das Vorwärtsmachen im eigenen Land stark getrübt durch die Tatsache, dass Norwegen gleichzeitig der grösste europäische Erdölförderer ist und wohl auch noch eine Weile bleiben wird. Für mich ist das auch eine Art Greenwashing.
Hans
29.12.2023 um 19:21
Alternative wäre: Erdöl +Gasförderung einstellen. Da dannzu wenig Geld reinkommt, könnte sich Norwegen (vermutlich) den schnellen E Umstieg nicht leisten. Ob es die Ölpreise (welweit oder EU) stark genug nach oben treiben würde, dass die anderen Länder dadurch auch schnell von Fossilen wegkommen (müssen), bezweifle ich hiermit. Grüße
di geier
25.12.2023 um 17:49
na das nenne ich mal eine gute Nachricht. da werden die ganzen Querdenker bei Focus online wieder schaum vorm Mund kriegen :) ich hoffe Deutschland zieht bald nach
MEroller
27.12.2023 um 13:24
Wie kommt es, dass so eine Ausschreibung nicht explizit schon die MCS-Fähigkeit voraussetzt, die erst das E-LKW Laden wirklich praxistauglich macht? 350kW sind bei 800 bis 1000V noch reine, konventionelle CCS HPC Ladepunkte...
Bernhard
02.01.2024 um 06:03
MCS ist Zukunftsmusik. Aktuell gibt es weder LKW auf der Straße noch kommerziell verfügbare Ladesäulen dafür. Das im Artikel beschriebene Programm soll bis Frühjahr 2025 (also in einem Jahr!) umgesetzt sein. Eine Festlegung auf MCS würde nur Verzögerung und Kostensteigerung bringen. Und der entscheidende Faktor ist bei der LKW-Ladung der Platzbedarf für die Fahrzeuge, aktuell nicht die Anschlussleistung. Das Nachrüsten leistungsstärkerer Säulen wird sicher möglich sein, das passiert ja bei der PKW-Infrastruktur auch laufend.

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