Bilder: BMZ, KLiB; Montage: electrive
HintergrundPolitik

Neuplanung des KTF: Verliert Deutschland seine eMobility-Forschung?

Mit der grundlegenden Überarbeitung des Klima- und Transformationsfonds (KTF) und des Bundeshaushalts hat die Bundesregierung nicht nur viel diskutierte Subventionen wie den Umweltbonus gekürzt oder beendet, sondern auch bei den Mitteln für die Forschung den Rotstift angesetzt. Einige Forscher schlagen bereits Alarm.

Es sind arbeitsreiche Wochen und Monate im politischen Berlin. Die Spitzen der Bundesregierung hatten sich im Dezember nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Mitte November grundsätzlich auf Konsequenzen für den Haushalt geeinigt. Im Zentrum der Einsparungen steht der Klima- und Transformationsfonds (KTF). Zwar soll der KTF laut der Regierung „das zentrale Instrument des klimafreundlichen Umbaus bleiben“. Doch das Budget wird deutlich gekürzt, für 2024 um zwölf Milliarden Euro, bis 2027 sollen sich die Kürzungen auf 45 Milliarden Euro summieren.

Die sehr kurzfristig am dritten Advent beendete Umweltbonus-Förderung für den Kauf von E-Autos hat medial nur kurz für Aufregung gesorgt, die angekündigten und inzwischen zum Teil wieder einkassierten Anpassungen bei Subventionen im Agrar-Sektor dominieren seitdem die Schlagzeilen – auch schon vor den Bauern-Protesten im Januar.

Ein Punkt ist aber bisher kaum beachtet worden: Die Bundesregierung streicht Mittel für Forschung an der Elektromobilität – und das nicht zu knapp. Da diese Streichungen bisher vom Bundesfinanzministerium nicht kommuniziert wurden, ist die Forschungswelt derzeit in Aufruhr.

„Positiv-Liste“ sorgt für Aufruhr

Wie in jeder Redaktion eines (Fach-)Mediums erhalten natürlich auch wir bei electrive regelmäßig Zuschriften und Feedback zu unseren Artikeln oder übergreifenden Themen. Was sich aber in den vergangenen Wochen rund um die Forschungsförderung im Bereich Elektromobilität getan hat, ist ohne Beispiel.

Vertreter namhafter Institutionen, die Projekte im Millionen-Wert durchführen oder als Projektträger unterstützen, haben sich zu Wort gemeldet und sind – freundlich ausgedrückt – nicht gerade angetan von den aktuellen Vorgängen. Für Ärger sorgt unter anderem die „Positiv-Liste“, die die Regierung kurz vor Weihnachten veröffentlicht hatte – mit jenen Projekten und Initiativen, die „vollständig“ oder „größtenteils“ im KTF erhalten bleiben sollen. Das sind etwa das IPCEI Batterie mit 510 Millionen Euro und die Zuschüsse zur Errichtung von Tank- und Ladeinfrastruktur, die um 290 Millionen Euro auf immerhin noch 1,92 Milliarden Euro gesenkt wurden.

Aber es bleiben eben nicht alle Projekte aus dem wichtigen Batterie- und eMobility-Bereich erhalten. „Schwarz auf weiß“ könne man dort nachlesen, „dass wir kein Geld mehr bekommen“, schreibt etwa einer der Vertreter. „Unser Titel wird nicht mehr aufgeführt. Dafür gibt es 460 Millionen Euro Ausgleich für die Betreiber von Kohlekraftwerken.“

Ein Beispiel für ein Thema, das es nicht nicht auf jene Liste geschafft hat: Der Titel „Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Elektromobilität“, der mit Geldern des Wirtschaftsministeriums (BMWK), des Verkehrsministeriums (BMDV) und des Forschungsministeriums (BMBF) finanziert wurde, ist dort nicht aufgeführt – und dürfte somit eingestellt werden. Alleine mit dem Part des Forschungsministeriums sollten etwa das Projekt „ForBatt“ zum Ausbau der nationalen Forschungsinfrastruktur im Bereich der Batteriematerialien und -technologien, Transferinitiativen zur Batterieforschung mit Industriebegleitung oder auch internationale Kooperationen und die Nachwuchsförderung in der Batterieforschung unterstützt werden. Eine unserer Quellen schätzt, dass rund 75 Prozent der Fördermittel des BMBF für Batteriethemen 2024 verloren gehen. Es können also geplante Forschungsprojekte nicht durchgeführt werden, deren Ergebnisse fehlen dann beim Aufbau einer deutschen und europäischen Batteriebranche.

Und auch von einem Vertreter eines beteiligten Ministeriums wird hinter vorgehaltener Hand kritisiert, dass die Forschungsförderung zur Elektromobilität wie der Umweltbonus quasi über Nacht auf Eis gelegt wurde. „ Wir können zwar laufende Projekte ausfinanzieren, bekommen aber Stand heute kein neues Geld in 2024 ff. für neue Vorhaben. Wichtige Themen wie bidirektionales Laden, E-Lkw und Netzintegration können dann forschungsseitig nicht mehr wie geplant weiterverfolgt werden“, so die Quelle.

Das Kompetenznetzwerk Lithium-Ionen-Batterien (KLiB) hat sich gar mit einem Offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz sowie Wirtschaftsminister Robert Habeck, Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger und Finanzminister Christian Lindner gewandt. Darin bringt das als Verein organisierte KLiB das „große Unverständnis“ zum Ausdruck, dass eben jener Titel „Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Elektromobilität“gestrichen werden soll. „Die von Ihnen geplanten Kürzungen führen zum Ende der deutschen Batterieforschung, mit dramatischen Konsequenzen für den High-Tech Standort Deutschland“, heißt es in dem Schreiben, das electrive vorliegt. „Damit zerstören Sie die Basis für das technologisch souveräne deutsche Ökosystem Batterie und die Abhängigkeit der Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft hin zur CO2-Neutralität von außereuropäischen Unternehmen wird zementiert.“ Daher appelliert der KLiB-Vorstand an die Politik, die Streichung des Titels rückgängig zu machen.

Droht ein Fachkräftemangel?

Konkret umreißt der KLiB-Brief drei Auswirkungen. In den kommenden ein bis zwei Jahren werden aktuelle Forschungsvorhaben auslaufen und dann nicht durch Folgeprogramme ergänzt. „Der Verlust der akademischen Ausbildung wird den Fachkräftemangel massiv verschärfen. Die Entwicklung eines wettbewerbsfähigen, technologisch souveränen deutschen Ökosystems Batterie kommt zum Erliegen“, heißt es dazu. Punkt 2: Im globalen Wettbewerb der High-Tech Standorte ist die Qualität der Ausbildung und die Verfügbarkeit von Fachkräften ein bedeutsamer Standortvorteil – mit dem Dachkonzept Batterieforschung hat das BMBF (mit Millionen-Geldern gefördert) eine international wettbewerbsfähige Plattform etabliert. „Ohne nachhaltige substanzielle Forschungsförderprogramme des Bundes kann diese Plattform nicht aufrechterhalten werden und die bisherigen Investitionen drohen verloren zu gehen. Der Verlust dieser Plattform wird zu einem weiteren Standortnachteil und damit zu einem Rückgang von nationalen und internationalen Investitionen in den Standort Deutschland führen“, so das KLiB.

Und als dritte Folge werden die IPCEI-Förderungen angesprochen. Mit jenen multi-nationalen Projekten sollen in Europa Unternehmen zum Einstieg in die Batterietechnologie gebracht werden, auch um „Keime für ein Ökosystem Batterie zu bilden“. Die Batterie-Experten befürchten aber, dass die an den IPCEIs beteiligten Unternehmen mit dem Verlust der deutschen Forschung bald nicht nur mit einem Fachkräftemangel zu kämpfen haben werden, sondern auch aufgrund der ausbleibenden Projekte in der F&E-Pipeline ihre Wettbewerbsfähigkeit bedroht wird. „Die öffentlichen Investitionen durch die IPCEI würden, zumindest am Standort Deutschland, ins Leere laufen!“, heißt es in dem Brief.

Übrigens: Dass es überhaupt diesen Offenen Brief gibt, ist durchaus bemerkenswert. Denn im Kompetenznetzwerk Lithium-Ionen-Batterien sind die unterschiedlichsten Fachrichtungen organisiert, nicht nur die Batteriebranche mit Automotive-Bezug. Das Schreiben wurde aber vom zwölfköpfigen KLiB-Vorstand abgesegnet und hat somit nicht nur die Unterstützung des Automotive-Parts, sondern auch etwa von den Maschinenbauern und der Chemie.

Die Lage ist kompliziert, die Kommunikation schwierig. Das Problem: Noch ist der Haushalt 2024 nicht final beschlossen. Es weiß zum aktuellen Zeitpunkt also noch niemand verlässlich, mit welchem Budget für 2024 geplant werden kann – und welche Gelder gekürzt oder tatsächlich ersatzlos gestrichen werden. Und selbst politische Absichtserklärungen (wie etwa die „Positiv-Liste“ zum KTF) müssen im laufenden Prozess nicht unbedingt Bestand haben und Meinungen können sich ändern – siehe Agrar-Diesel.

Forschungsfertigung Batteriezelle wackelt wohl nicht

Und etwa „Tagesspiegel Background“ schreibt der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses am 18. Januar eine hohe Bedeutung zu. Der Zeitung liegt die zweite Bereinigungsvorlage des Kassenwarts vor, aus der „drastische Streichungen bei Schiene und E-Mobilität“ hervorgehen sollen, auch bei den Radwegen soll gespart werden, beim geplanten Autobahnausbau (ein Ergebnis eines Koalitionsgipfels aus dem Vorjahr) soll hingegen die Finanzierung nicht angepasst werden – so die Absicht des Bundesfinanzministeriums. Der Haushaltsausschuss und das Parlament können noch eingreifen. Nur hätte das wohl noch weitere Verhandlungen und ein Andauern der unklaren Lage zur Folge. Bis zur finalen Verabschiedung des Bundeshaushalts 2024 wird es wohl keine Planungssicherheit geben.

Bis dahin werden also weiter diverse Entwürfe zu einzelnen Passagen des Bundeshaushalts kursieren. In diesen Entwürfen zeichnet sich zwar einerseits ab, welche Projekte und Bereiche auf der Kippe stehen und welche wohl noch mit Fördergeldern vom Bund rechnen können. Nur sicher ist das eben noch nicht.

So scheint etwa eines der deutschen Vorzeigeprojekte in der deutschen Batterieforschung, die Forschungsfertigung Batteriezelle (FFB) derzeit nicht in Gefahr. Laut einem der Entwürfe will das BMBF an der „Umsetzung des Dachkonzepts Batterieforschung (insb. Forschungsfertigung Batteriezelle)“ festhalten – und 53,5 Millionen Euro zuschießen. „Ein Schwerpunkt liegt auf dem Aspekt der Skalierungsforschung für Batterietechnologien als Beispiel der angewandten und digitalisierten Materialforschung. Dabei nimmt die Forschungsfertigung Batteriezelle (FFB) als neues Innovationsinstrument der industrienahen Prozess- und Produktionsforschung eine Schlüsselrolle ein“, heißt es etwa. Ob das auch so beschlossen wird, ist aber noch nicht klar. Und selbst wenn, könnte die Lage hier sehr ähnlich werden wie bei den IPCEI: Wird die Forschung – oft in Zusammenarbeit mit der Industrie – de facto eingestellt, könnte auch bei der FFB mangels neuer Projekte in der Pipeline die Arbeit ins Stocken geraten.

Dass die Politik den Fokus auf Skalierung und Produktion legen will, passt zwar zur Lage der Branche – schließlich befinden sich einige Batteriefabriken in Deutschland im Aufbau und der Planung, etwa von VW/PowerCo, SVOLT, Gotion und Northvolt, um nur einige Beispiele zu nennen. Und Branchenführer CATL produziert bereits am Erfurter Kreuz. Stampft man aber die Grundlagen-Forschung und weitere Bereiche, etwa zur Optimierung von Batteriezellen oder neuen Kathoden- und Anoden-Materialien, komplett ein, könnte Deutschland in Zukunft den Anschluss verlieren.

Daher scheint nur eines klar: Selbst wenn bald der Bundeshaushalt 2024 verabschiedet wird, werden die Diskussionen über Sinn und Unsinn der einzelnen Maßnahmen erst richtig Fahrt aufnehmen.

2 Kommentare

zu „Neuplanung des KTF: Verliert Deutschland seine eMobility-Forschung?“
Thomas Wagner
16.01.2024 um 09:24
Es ist schon tragisch, wenn mal wieder eine Zukunftstechnologie unter die Räder kommt. Hat Deutschland schon jetzt in manchen Bereichen einen Nachholbedarf, so droht dieser sich noch weiter zu verschärfen. Allerdings sind die Subventionsempfänger mit ihren Traktoren im Kampf um billigen Diesel wesentlich schlagkräftiger unterwegs und gewinnen jetzt schon den Wettkampf in der öffentlichen Wahrnehmung :-(
Gerdundpferd
17.01.2024 um 17:56
na ja bei Wasserstoff könnte man wirklich Geldvernichtung beenden. Alleine schon Dr.Söder´s 500 Mio EUR für 100 BMW X5 die mitToyota Brennstoffzelle bestückt werden......

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