Weltpremiere des Porsche Macan: Der erste PPE-Stromer ist da
Gleich vorweg: Es ist kein e-Macan geworden und auch kein Macan Electric. Porsche spricht nur vom „neuen Macan“. Kein Namenszusatz, nur Porsche Macan. Das soll klar machen: Das Elektromodell ist nicht nur eine Ergänzung zu dem vorerst weiter angebotenen Verbrenner-Macan. Es ist die Ablösung. „Unser Bestseller wird elektrisch“, sagt Porsche-Chef Oliver Blume bei der Premiere in Singapur. Um im Vertrieb Verwechslungen auszuschließen, trägt das neue Modell im Konfigurator aber dann doch den Zusatz „Electric“.
Zum Marktstart wird es den Macan wie angekündigt in zwei Varianten geben – in einem Punkt lagen wir aber vorab daneben: Nach den Eindrücken von dem Technik-Workshop zum Macan im vergangenen Jahr hatten wir getippt, dass die beiden Varianten als Macan 4S und Macan Turbo auf den Markt kommen. Das Top-Modell heißt tatsächlich Macan Turbo. Bei dem (vorläufigen) Basismodell hat sich Porsche aber nur für Macan 4 entschieden.
Dieses Modell kommt mit seinem elektrischen Allradantrieb auf eine Leistung von 300 kW und bietet ein maximales Drehmoment von 650 Nm. Da beide Macan-Varianten die gleiche Batterie mit 100 kWh Energiegehalt nutzen, ist der etwas schwächere Macan 4 die reichweitenstärkere Version: Er kommt im WLTP auf eine Reichweite von bis zu 613 Kilometer. Mit seinen umgerechnet 408 PS kann der Macan 4 den Standard-Spurt in 5,2 Sekunden absolvieren und die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 220 km/h.
Macan Turbo leistet 470 kW
Der Macan Turbo nutzt zwar den gleichen Motor an der Vorderachse wie der Macan 4, aber eine gänzlich andere Version an der Hinterachse – mehr dazu in unserem Hintergrund-Artikel zum Macan. Im Top-Modell bedeutet das eine Systemleistung von bis zu 470 kW im Overboost (oder 639 PS). Das Drehmoment – ebenfalls im kurzzeitig abrufbaren Overboost – liegt bei 1.130 Nm, die „regulären“ Werte ohne Overboost gibt Porsche in der Mitteilung nicht an. Mit der Launch Control (und dem erwähnten Overboost) kann der Macan Turbo in 3,3 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h beschleunigen. Schluss ist bei 260 km/h. Bisher hatte Porsche nur von „über 450 kW“ Leistung gesprochen.
Wer die Beschleunigung oder Höchstgeschwindigkeit ausnutzt, wird natürlich nicht an die Norm-Reichweite herankommen. Wird der Macan Turbo aber nach WLTP-Vorgaben bewegt, ergibt sich eine Reichweite von 591 Kilometern. Trotz der Mehrleistung bewegt sich der Macan Turbo also in einem Bereich, der im Vergleich zum Macan 4 im Alltag vernachlässigbar sein dürfte. Das Fahrprofil und die persönliche Fahrweise werden einen deutlich höheren Einfluss auf Verbrauch und Reichweite haben als eine Differenz von 22 WLTP-Kilometern. Aber auch die Aerodynamik hat einen großen Einfluss: Laut Porsche soll das finale Karosseriedesign einen Reichweiten-Zuwachs von 85 Kilometern bedeuten. Die Vergleichsbasis für diese Aussage bleibt aber unklar.
Und: Auch wenn Porsche in Zukunft womöglich weitere Macan-Antriebsvarianten auflegt – in Anlehnung an das Taycan-Portfolio wären zwischen einem Macan 4 und Macan Turbo etwa noch ein 4S oder GTS denkbar – dürften diese auch im Bereich um die 600 Kilometer Norm-Reichweite liegen. Macan-Baureihenleiter Jörg Kerner gab in einem Video-Einspieler bei der Veranstaltung an, dass alle Derivate auf mehr als 500 Kilometer Reichweite kommen werden.
Mit dieser Aussage scheint es also möglich, dass später noch eine kleinere Batterie in einem preiswerteren Basismodell angeboten werden könnte. Wie oben erwähnt kommt in beiden Varianten ein 100 kWh großer Stromspeicher zum Einsatz – mehr zum Aufbau und dem Zelllieferanten gibt es in unserem Hintergrund-Artikel. Es ist allerdings auch möglich, dass sich Kerner bei den 500 Kilometern auf die WLTP-Spanne bezieht: Der Macan Turbo mit der aus Verbrauchs-Sicht schlechtesten Ausstattung kommt noch auf 518 WLTP-Kilometer.
Bisher hat Porsche nur von einer „rund“ 100 kWh großen Batterie gesprochen. Mit der Weltpremiere ist klar: Im Fahrzeug sind exakt jene 100 kWh verbaut, von denen laut Kerner 95 Prozent nutzbar sind. Der Netto-Energiegehalt liegt also bei 95 kWh.
Nachgeladen wird diese 800-Volt-Batterie mit bis zu 270 kW in der Spitze. Der Ladevorgang von zehn auf 80 Prozent soll unter Idealbedingungen 21 Minuten dauern. Bei einem Netto-Energiegehalt von 95 kWh werden in dieser Zeit also 66,5 kWh nachgeladen, was einer durchschnittlichen Ladeleistung von 190 kW entspricht. Das kann sich sehen lassen. Beim Macan ist der DC-Ladeport übrigens über dem linken Hinterrad platziert, über dem rechten Hinterrad gibt es einen zusätzlichen AC-Ladeport. Das Wechselstrom-Laden ist mit 11 kW möglich.
Eine kleine Änderung gibt es bei einer Sonderfunktion der Macan-Batterie, dem sogenannten „Bank-Laden“: Bietet die Ladesäule nur 400 Volt Spannung, kann die Batterie virtuell in zwei Bänke geteilt werden, die dann parallel geladen werden. Damit soll ein „besonders effizientes Laden ohne zusätzlichen HV-Booster“ mit bis zu 135 kW möglich sein. Bisher hatte Porsche von bis zu 150 kW bei dieser Funktion gesprochen.
3,5 Millionen Test-Kilometer
Um die neuen Antriebseinheiten, die Batterie, deren Ladeverhalten und auch das Fahrwerk unter allen denkbaren Bedingungen zu testen, haben die Prototypen und seriennahen Exemplare insgesamt über 3,5 Millionen Kilometer zurückgelegt – von 30 Grad unter Null in Skandinavien bis zu 50 Grad im Death Valley. „Ein herausragendes Fahrzeug, das auf jedem Untergrund performt“, sagt Blume über den neuen Macan.
Die Erprobungsphase ist nicht nur so ausführlich ausgefallen, weil Porsche sehr viel Wert auf die Extremtests und die markentypische Fahrdynamik legt oder weil es sich beim Macan um das erste Modell auf einer neuen Plattform handelt. Den Macan wird es auch wieder mit der Porsche-typischen Aufpreisliste geben. Die Kunden können also (je nach Modell) zwischen verschiedenen Technologien etwa bei Fahrwerk und Bremse wählen. All diese Komponenten und Kombinationen müssen vorher erprobt und aufeinander abgestimmt werden. Ein Basis-Macan mit Stahlfedern und Stahlbremsen ist schon fast ein anderes Auto als ein Macan mit adaptivem Luftfahrwerk, Keramikbremsen und dem „Performance-Hinterwagen“ des Turbo-Modells, was eine gänzlich andere Hinterachs-Konstruktion bedeutet.
Bei der Veranstaltung in den Gardens by the Bay mit dem ikonischen Hotel Marina Bay Sands im Hintergrund ging es weniger um einzelne Ausstattungs-Details. Porsche stellte vor allem das Design in den Vordergrund – die Weltpremiere fand im Rahmen der dortigen Singapore Art Week statt. Dabei gibt es beim Design an sich wenig Überraschungen: Der neue Macan trägt alle Merkmale der aktuellen Designsprache der Marke, von den viergliedrigen LED-Tagfahrlichtern an der Front über die Macan-typische Seitenlinie bis hin zum durchgängigen Leuchtenband am Heck.
Einige der Elemente werden dabei jedoch neu interpretiert. So wurde das erwähnte Tagfahrlicht als Designelement in der typischen Scheinwerfer-Position platziert. Die eigentlichen Scheinwerfer sitzen in einer eigenen Einheit darunter. Aber auch das ist eigentlich keine Überraschung mehr, dieses Designfeature war bereits bei den zahlreichen Prototypen zu erkennen. Das Leuchtenband am Heck ist jedoch auffälliger als bisher, da es gemeinsam mit einem dunkel gehaltenen Bereich um den Porsche-Schriftzug eines der prägenden Designelement der Heckansicht darstellt – und nicht nur eine schmale, rote Leuchte über die gesamte Fahrzeugbreite.
„Der neue Macan ist über die Markenidentität klar als Teil der Porsche-Produktfamilie erkennbar. Die Porsche-typische Proportion wurde weiterentwickelt und den Herausforderungen an ein elektrisches Fahrzeug optimal angepasst“, sagt Designchef Michael Mauer. „Dadurch wurde der sportlich-moderne und dynamische Auftritt des Macan weiter geschärft. Das Design stellt klar: Auch elektrifiziert ist der Macan der Sportwagen im Segment.“
Kurz die wichtigsten Daten: Der Macan ist 4,78 Meter lang, ohne Außenspiegel 1,94 Meter breit und 1,62 Meter hoch. Der Radstand liegt bei 2,89 Metern, 8,6 Zentimeter mehr als beim bisherigen Verbrenner-Modell. Trotz der abfallenden Dachlinie soll der Kofferraum hinter der Rücksitzbank (modell- und ausstattungsabhängig) bis zu 540 Liter fassen. Wird die Rücksitzlehne komplett umgelegt, steigt das hintere Laderaumvolumen auf bis zu 1.348 Liter. Wie schon beim Taycan und den Verbrenner-Sportwagen wie dem 911 gibt es auch im elektrischen Macan ein zweites Ladeabteil unter der Fronthaube: Der Frunk fasst nochmals 84 Liter und soll entweder das Lade-Equipment oder auch kleine Reisetasche aufnehmen können. Die maximale Anhängelast des neuen Macan liegt bei glatten zwei Tonnen.
Im Innenraum geht es Porsche-typisch zu – wer schonmal in einem halbwegs aktuellen Porsche saß, der dürfte sich auch im Macan schnell zurecht finden. Unter der Oberfläche ist aber Vieles neu. So gibt es den Macan erstmals mit einem Augmented-Reality-Head-up-Display. Und viel entscheidender: Beim Infotainment nutzt Porsche jetzt Android Automotive OS als Betriebssystem.
Die Nutzeroberfläche des serienmäßigen Porsche Communication Management (PCM) sieht zwar sehr ähnlich aus, ist aber technisch auf eine ganz andere Basis gestellt. Der Macan soll etwa bei der Rechenleistung „eine neue Dimension“ erreichen, so Porsche. Das soll sich nicht nur bei der Reaktionszeit des Sprachassistenten zeigen, sondern etwa auch bei der Routenplanung inklusive Ladestopps. Zudem ermöglicht der Wechsel auf das Android Automotive OS ein App-Center für Apps von Drittanbietern. Mehr dazu – Sie ahnen es – gibt es in unserem Hintergrund-Artikel.
Preise starten bei 84.100 Euro
Seit 2014 hat Porsche weltweit mehr als 800.000 Macan ausgeliefert. „Diese Erfolgsgeschichte soll der vollelektrische Nachfolger, der im Porsche Werk Leipzig bilanziell CO₂-neutral produziert wird, fortschreiben“, so Porsche.
Für eine Weltpremiere etwas ungewöhnlich ist, dass Porsche gleich die Preise für das neue Modell veröffentlicht hat. In Deutschland ist der Macan 4 ab 84.100 Euro erhältlich, für den Macan Turbo werden mindestens 114.600 Euro fällig. Im UK liegen die Basispreise bei 69.800 bzw. 95.000 Pfund, in den USA steht der Macan mit 78.800 bzw. 105.300 Dollar in der Liste. Bei diesen Preisen dürfte es aber nicht bleiben, Porsche-Chef Blume hob bei der Veranstaltung auch die hohe Individualisierbarkeit des Macan vor. Gegen Aufpreis, versteht sich.
Somit bleibt bei der Premiere nur eine Frage offen: Wird der Macan auch das erste PPE-Modell beim Kunden sein? Mit der Premiere war Porsche zumindest vor dem Schwestermodell Audi Q6 e-tron dran, der vermutlich im März vorgestellt wird. Laut Porsche werden die erste neuen Macan „im Verlauf der zweiten Jahreshälfte“ ausgeliefert. Jetzt liegt der Ball also bei Audi.
porsche.com (Mitteilung), porsche.com (Konfigurator)
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