CO2-Emissionen: So sauber war das Elektroauto 2023
59,7 Prozent: Der Anteil der Stromproduktion durch erneuerbare Energien hat 2023 einen neuen Höchststand erreicht. Das trägt Bruno Burger vom Fraunhofer ISE (Institut für Solare Energiesysteme) Anfang Januar in nüchternen Worten vor. Der Professor und promovierte Ingenieur ist einer der Gründer von Energy Charts. Das Portal des Fraunhofer ISE bilanziert die Stromversorgung inklusive aller Produktionsquellen bis ins Detail. Die Arbeit von Burger, seinem Team und weiteren validen Quellen ermöglicht für Elektroautos das, was für Pkw mit Verbrennungsmotor nur geschätzt werden kann: Eine transparente Analyse der Fahremissionen. Und deren Ergebnis ist eindeutig und unzweifelhaft – das Elektroauto hat nicht nur eine klar bessere CO2-Bilanz als eins mit Otto- oder Dieselantrieb. Der Abstand wächst fortwährend, weil es eine zwangsläufige ökonomische Entwicklung zu erneuerbaren Energien gibt.
Es sollte dabei nicht übersehen werden, was als selbstverständlich gilt und inzwischen gerne vergessen wird: Elektroautos erzeugen keine Verbrennungsabgase. Sie sind in dieser Hinsicht lokal emissionsfrei. Auch beim Bremsstaub, der wie der Reifenabrieb durch die Euro 7-Vorgaben gesetzlich limitiert werden wird, sind sie wegen der Rekuperation lungenschonender als konventionelle Fahrzeuge.
Jährlich sinkende CO2-Emissionen pro Kilowattstunde
Zurück zu den CO2-Emissionen. Wir von electrive wollen unsere Berechnungen nachvollziehbar darstellen. Jede Leserin und jeder Leser soll für sich prüfen können, wie hoch die CO2-Emissionen des Fahrstroms sind. Der BDEW (Bundesverband für Energie- und Wasserwirtschaft) nennt für das abgelaufene Jahr rund 370 Gramm Kohlendioxid pro Kilowattstunde Strom. Das entspricht einem Minus von elf Prozent gegenüber 2022.
In der Gesamtbetrachtung Well-To-Wheel (WTW), also in der Summe aus der Produktion und Bereitstellung der Energie plus den Fahremissionen, muss beim Elektroauto einfach der Stromverbrauch mit den CO2-Emissionen multipliziert werden. Wer mit 15 kWh/100km vorankommt, erreicht im üblichen WTW-Vergleichsmaßstab 55,5 Gramm CO2 pro Kilometer. Bei 20 kWh/100km sind es 74 g CO2/km, und Autobahnpiloten mit üppigem Elektroauto und 25 kWh/100km liegen bei 92,5 g CO2 / km.
Für die Prognose 2024 hilft uns Luca Schmadalla, CEO beim THG-Quotenhändler Geld für E-Auto, weiter. Das Umweltbundesamt (UBA) veröffentlicht eine Vorausschau der erwartbaren CO2-Emissionen, auf deren Basis die Treibhausgasminderungsquoten verkauft werden: Es sind 326 g CO2/kWh.
Übertragen auf die eben genannten Rechenbeispiele ergeben sich für 2024 also 48,9 g CO2/km bei 15 kWh/100km, 65,2 g/CO2 km bei 20 kWh/100km und 81,5 g CO2/km bei 25 kWh/100km. So kann sich jeder mit seinem Durchschnittsverbrauch ausrechnen, wie hoch die CO2-Emissionen pro Kilometer in 2023 und 2024 sind.
Verbrennungsmotor: Plus 20 bis 30 Prozent für die Vorkette
Vom Elektroauto wird eine Transparenz eingefordert, die beim Vergleich zum Pkw mit Verbrennungsmotor schmerzlich vermisst wird. Eine ehrliche Offenlegung der Vorkettenemissionen in der Produktion von Superbenzin und Dieselkraftstoff gibt es bis heute nicht; die Mineralölkonzerne halten sich bedeckt.
Wir sind also auf Annäherungen angewiesen. So beruft sich das ADAC Technik Zentrum auf Zahlen der EU und schlägt 20 Prozent auf die unmittelbaren Fahremissionen (Tank-To-Wheel oder TTW) auf. Der Wissenschaftler Auke Hoekstra von der Universität Eindhoven geht eher von 30 Prozent aus.
Selbst bei der vorsichtigen Schätzung von 20 Prozent Aufschlag für die CO2-Emissionen der Rohölförderung, dem Schiffstransport und der Raffinierung ergeben sich bei einem Pkw mit Ottomotor und einem Verbrauch von 5 Litern auf 100 Kilometer demnach 118,5 g CO2/km durch die Verbrennung von Superbenzin (spezifische Emission 2,37 kg CO2/l). Darauf kommen 23,7 Gramm für die Spritproduktion. Macht in Summe 142,2 g CO2/km für die Well-To-Wheel-Bilanz in einem modernen und gekonnt hybridisierten Wagen.
Ein ausgewachsenes Diesel-SUV im Bestand mit Sechszylinder nimmt gerne auch acht Liter Diesel aus dem Tank. Daraus resultieren unmittelbare Emissionen von 212 g CO2/km bei 2,65 kg CO2/l. Plus 20 Prozent für die Vorkette (42,2 g CO2/km) macht 254,4 g CO2/km.
Das ist nicht weniger als das 2,75-Fache eines elektrischen SUVs im Autobahnbetrieb bezogen auf 2023, und in diesem Jahr kann es das Dreifache werden.
Dazu kommt: Ab 2026 müssen im Verkaufsraum die CO2-Emissionen bei der Batterieproduktion fürs konkrete Fahrzeug ausgewiesen werden.
Wir schauen gleich auf diesen Aspekt, wollen aber zuerst zurück zu Professor Bruno Burger und die Energy Charts kommen. Es gibt mehrere bemerkenswerte Fakten in der Jahresbilanz 2023 der Stromproduktion in Deutschland.
So wurden insgesamt 436,8 Terawattstunden (TWh) Strom erzeugt. Das ist ein erhebliches Minus gegenüber den 558,1 TWh des Rekordjahrs 2017. Hier zeigen sich zum einen die Rezession und die Konjunkturkrise. Zugleich gibt es aber Effizienzfortschritte beim Verbrauch. Unsichtbar bleibt außerdem die erfreuliche Netzentlastung durch den Eigenverbrauch: Wer mit einer Photovoltaikanlage selbst Strom macht und den im Haushalt oder im Elektroauto nutzt, taucht in dieser Bilanz nicht auf.
Wenn Sie glauben, dass die besten Elektroautos erst noch kommen und dass Sie dringend irgendwo 10.000 oder 20.000 Euro investieren wollen, sollten Sie die Anschaffung einer Photovoltaikanlage prüfen. Der Markt ist zurzeit geflutet mit Modulen. Die Preise sinken.
Europäischer Stromhandel ist kostengetrieben
Deutschland hatte 2023 nach langer Zeit wieder einen negativen Saldo beim Im- und Export von Strom. Aus der Einfuhr von 61,9 TWh und der Ausfuhr von 49,3 TWh ergeben sich laut statistischem Bundesamt 12,6 TWh Import bei 436,8 TWh Eigenproduktion.
Professor Burger legt Wert auf die Feststellung, dass der Stromhandel nicht etwa aufgrund mangelnder Kraftwerkskapazität notwendig ist. Vielmehr bestimmt der Handelspreis im europäischen Markt, welcher Strom eingespeist wird. Am meisten elektrische Energie haben wir 2023 aus und über Dänemark (10,7 TWh), direkt aus Norwegen via NordLink (4,6 TWh) sowie aus Schweden (2,9 TWh) erhalten.
Die Handelsbilanz mit Frankreich (0,4 TWh Import) und Polen (0,5 TWh Export) ist ungefähr ausgeglichen. Die These, in Deutschland würden ohne französischen Atom- und polnischen Braunkohlestrom die Lichter ausgehen, ist nicht haltbar.
Zur Wirklichkeit gehört außerdem, dass nach der Abschaltung der drei verbliebenen Kernkraftwerke im April keineswegs die Stein- und Braunkohlekraftwerke hochgefahren werden mussten. Im Gegenteil, mit 117,9 TWh hat der Ertrag aus Kohlekraftwerken einen historischen Tiefststand erreicht. Die Anlagen werden zunehmend unwirtschaftlich.
Wasserstoff-Kraftwerke und Batteriespeicher gegen Dunkelflauten
In Zukunft wird es immer wichtiger, auf Schwankungen bei der Erzeugung schnell reagieren zu können. Hierfür sind die Einschätzungen unverändert und wurden durch das Fraunhofer ISE wiederholt: Kurze Lücken können durch Batteriespeicher überbrückt werden. Für die Dunkelflauten sind darüber hinaus Gaskraftwerke ideal, weil sie in sehr kurzer Zeit hochgefahren werden können. Das fossile Erdgas soll mittelfristig durch grünen Wasserstoff ersetzt werden. Die Logik der Energiewende bleibt konstant.
Die Befürworter des Elektroautos argumentieren, dass die Berechnung der CO2-Emissionen auf Basis des Strommixes nicht richtig wäre. Die Begründung: Beim Haushaltsstrom haben Nutzer meistens einen Ökostromvertrag, und öffentliche Ladesäulen sind nur förderfähig, wenn ausschließlich Grünstrom verkauft wird. Aus ihrer Sicht fahren sie ein Nullemissionsfahrzeug.
Bilanziell mag das richtig sein, physikalisch ist das noch nicht der Fall. Umgekehrt ist die so genannte Marginalstromhypothese Unsinn, nach der Elektroautos eigentlich nur mit Braunkohlestrom unterwegs sind.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass bei der Produktion von Batteriezellen CO2-Emissionen frei werden, die im Fahrbetrieb eines Elektroautos kompensiert werden müssen.
Batterieverordnung erzwingt CO2-Transparenz
Aber wie hoch sind die?
Was wir wissen ist, dass die europäische Batterieverordnung ab 2026 die Offenlegung dieser CO2-Emissionen erzwingt. Das Gros des Kohlendioxids entsteht bei der Trocknung der Materialien im Fertigungsprozess. Die notwendige Wärme dafür wird häufig durch Erdgas erzeugt. Um die Kosten zu minimieren, arbeitet die Industrie an der Senkung dieser Emissionen – in zwei Jahren gibt es Transparenz in jedem Verkaufsraum. Dann ist die Berechnung exakt und fahrzeugindividuell durchführbar.
Es gibt keinen Stillstand bei den CO2-Emissionen, die während der Batterieproduktion frei werden. Aktuelle Zahlen sind nicht verfügbar, sodass auf die veralteten Werte aus der Schwedenstudie II von 2019 zurückgegriffen werden muss: Im Mittel hat die Analyse 61 bis 106 kg CO2 pro Kilowattstunde Energieinhalt in der Traktionsbatterie gezeigt.
Amortisation bei ungünstiger Annahme nach spätestens 50.000 km
Wegen des kostengetriebenen Fortschritts in der Zellherstellung dürfen diese Zahlen inzwischen als das pessimistische Ende angenommen werden. Für das oben genannte elektrische SUV, bei dem derzeit 77 kWh das gängige Standardmaß für die Traktionsbatterie sind, werden demnach bei 61 bis 106 kg CO2 pro kWh 4,7 bis 8,2 Tonnen CO2 frei.
Das Elektroauto fährt in diesem Beispiel selbst bei der finstersten Produktionsenergie von 8,2 Tonnen für die Traktionsbatterie in gut 50.000 Kilometern nach vorne, weil es pro Kilometer 161,9 g CO2 weniger als das Diesel-SUV emittiert. Bei 4,7 Tonnen ist die Klimavorteilszone in ca. 29.000 Kilometern erreicht. Wohlgemerkt ohne Berücksichtigung des kommenden und stetig steigenden Anteils erneuerbarer Energien, sondern auf Basis des 2023er CO2-Werts.
Formuliert man die Rechnung andersrum und nimmt eine Lebenslaufleistung des Diesel-SUVs von mindestens 250.000 km, stößt es – Achtung – mindestens 32,4 Tonnen Kohlendioxid mehr als das vergleichbare BEV-SUV aus. Und das mit den Werten von 2023 gerechnet – mit jedem Kilometer, der in Zukunft mit einem saubereren Strommix gefahren wird, steigt die Differenz weiter an.
Die Realität ist Heide in Schleswig-Holstein: Angesichts des Windstromüberflusses in Norddeutschland dürfte die Fabrik von Northvolt, deren Zellproduktion 2026 startet, nahe an die Nullemission kommen. Was denken sich die Kritiker dann aus, um sich den Verbrennungsmotor schön zu reden?
Weitermachen, nicht nachlassen
Diese Berechnungen befreien aber weder die Käuferinnen und Käufer noch die Autoindustrie oder die Stromversorger von der Notwendigkeit zu weiteren Fortschritten. So ist es zwar am günstigsten, bei neu installierten Stromproduktionsanlagen auf Wind- und Solarenergie zu setzen. Trotzdem kann der weitere Abbau von bürokratischen Hindernissen zu einer Beschleunigung führen. Und wer ein unverschattetes und freies Hausdach in Südausrichtung hat, sollte sich Angebote einholen: Selten war es so attraktiv wie jetzt, eine Fotovoltaikanlage zu errichten. Eigenverantwortliches Handeln macht ohnehin mehr Spaß, als mit dem Finger auf andere zu zeigen.
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