Zwischen Förderfrust und Markthochlauf – was 2024 für die Elektromobilität bringt
Ist das Ziel der Bundesregierung, bis 2030 satte 15 Millionen E-Autos auf die Straßen zu bringen, noch zu erreichen? Oder tritt die Antriebswende auf der Stelle und verzögert sich weiter? Das sind Fragen für die erste Ausgabe unserer Online-Konferenz electrive LIVE, die zum Jahresauftakt traditionell unter dem Motto „Quo vadis Elektromobilität 2024?“ steht.
Unser bescheidendes Ziel bei der insgesamt 35. Ausgabe unserer Online-Konferenz: Wir wollen den rund 800 digitalen Gästen aus der Branche im aktuellen Trubel etwas Orientierung bieten. Denn fest steht nur, dass nichts feststeht: Bricht der Verkauf von Elektroautos ein oder ist alles halb so wild? Welche Ladeinfrastruktur wird noch gefördert, welche nicht?
Zum Auftakt schaltet Moderator und electrive-Chefredakteur Peter Schwierz als ersten Speaker Jürgen Stein zu – das neue Gesicht für Elektromobilität bei der EnBW. Stein ist seit gut drei Monaten Chief Innovation & New Business Officer bei dem Energieversorger, der mit gut 4.200 Schnellladepunkten bundesweit das größte Schnellladenetz betreibt. Bis 2030 soll das Netz auf rund 30.000 Schnellladepunkte anwachsen – und das alles ohne Förderung. Am Deutschlandnetz hat sich die EnBW bewusst nicht beteiligt, wie Stein betont.
EnBW baut Ladeparks ohne Förderung
Wie das gehen soll? Immerhin soll der heutige Bestand bis 2030 versiebenfacht werden, um auf jene 30.000 Schnellladepunkte zu kommen. Stein nennt hierfür aus seiner Sicht zwei Erfolgsfaktoren der EnBW: Kundenzentrierung und Ausbau/Verfügbarkeit. „Um die Kunden zu überzeugen, braucht man überzeugende, einfache Produkte mit einer App, die funktioniert“, sagt Stein. Für den schnellen Ausbau habe die EnBW „hochstandardisierte Prozesse“ entwickelt, von der Standort-Akquise über den Bau bis zum Betrieb.
Die Strategie der EnBW bei den Standorten ist bekannt: Neben Autobahnen und Verkehrsknotenpunkten (vermehrt mit eigenen Ladeparks statt an Raststätten) sollen die Schnelllader auch dort entstehen, wo die Autos für 30 bis 60 Minuten geparkt werden – an Supermärkten etwa. Für die Kunden ist die Lage der entscheidende Faktor, Umwege werden – gerade im Alltag – immer weniger in Kauf genommen. Für Stein und seinen Arbeitgeber zählt hingegen nur eines – das Tempo des Ausbaus. „Wir können viel diskutieren, was wichtig ist – etwa welche Zahlungsarten man anbieten soll oder muss. Das ist aber nicht unser Fokus, sondern erst einmal der weitere Ausbau, ein engmaschiges Netz mit hoher, technischer Verfügbarkeit“, so der EnBW-Manager. „Das Ziel sind natürlich 100 Prozent Verfügbarkeit. Selbst wenn ich 99 Prozent Verfügbarkeit habe, bedeutet das, dass die Ladesäule im Jahr 3,5 Tage nicht zur Verfügung steht. Das ist nicht akzeptabel.“
Dass die EnBW dabei ohne Fördermittel auskommt, liegt natürlich auch an dem Budget von 200 Millionen Euro pro Jahr – die allermeisten Wettbewerber müssen ihren Ausbau mit deutlich weniger Geld stemmen. Stein begründet den Verzicht auf Fördermittel zudem so: „In dem Moment, in dem wir Business Cases ohne Förderung gut rechnen können, ist es oft einfacher, selbst in die Skalierung kommen zu können. Bei unterschiedlichen Förderprogrammen gibt es leicht andere Anforderungen, auf die man immer wieder reagieren muss – was die Skalierung mit dem immer gleichen System ausbremst.“
Wo und wie Förderungen beim Ausbau der Ladeinfrastruktur noch nötig sind, dazu später mehr in der Diskussionsrunde.
8,2 Millionen E-Autos statt 15 Millionen
Als zweiter Speaker nach Stein tritt Christian Hochfeld, Direktor beim Thinktank Agora Verkehrswende, vor die Kamera. Und das wortwörtlich: Die 35. Ausgabe von electrive LIVE war zum ersten Mal eine hybride Veranstaltung – Stein war digital zugeschaltet, Hochfeld in Berlin im electrive-Studio mit Peter Schwierz vor Ort. Hochfeld setzt sich vor allem mit der politischen Perspektive auseinander – etwa wie das eingangs erwähnte 15-Millionen-Ziel noch erreicht werden kann oder welche Maßnahmen nötig wären, um die CO2-Emissionen des Verkehrssektors endlich zu senken.
Sein Eröffnungs-Statement macht den Ernst der Lage klar: „Die Hütte brennt! Die Frage ist, wie wir das Ganze löschen.“ Hochfeld saß auch bei den Autogipfeln im Kanzleramt mit Politik und Wirtschaft am Tisch. Über konkrete Inhalte und Aussagen schweigt er zwar, sagt aber: „Es verwundert immer wieder, dass die Politik Ziele formuliert, aber dann keine echten Maßnahmen ergreift und diese Lücke dann stehen lässt. In Deutschland wirkt es oft so, als sei das Ziel schon erreicht, sobald man es formuliert hat.“ Positiv sei aber, dass sich bei dem Treffen Politik und Wirtschaft „einhellig“ zum 15-Millionen-Ziel bekannt hätten. „Aber bei der Frage, wie das erreicht werden soll, wird es sehr dünn.“
Die Zahlen sprechen aber bekanntlich eine eigene Sprache: Die CO2-Emissionen des Verkehrssektors bleiben bereits heute hinter den Zielen aus dem Klimaschutzgesetz zurück – und es gibt wenig Bewegung, wie der immer weiter sinkende Pfad der CO2-Ziele erreicht werden soll. Ein kurzes Rechenbeispiel von Hochfeld: Bei derzeit rund drei Millionen neuzugelassenen Autos pro Jahr in Deutschland werden bis 2030 noch etwa 21 Millionen Autos neu auf die Straße kommen. Da derzeit aber nur rund 1,3 Millionen Elektroautos im Bestand sind, müssen 13,7 dieser 21 Millionen Neuzulassungen rein elektrisch sein – also zwei Drittel. Andersrum gesehen hätte Deutschland nur noch ein Budget von rund sieben Millionen neuen Verbrennern und dann wäre Schluss – wenn das 15-Millionen-Ziel steht.
Doch das wird laut Hochfeld zunehmend unwahrscheinlicher: „Eine echte Verschiebung bei der Neuzulassungsstruktur gab es immer nur dann, wenn sich Regulierungen und Förderungen ändern“, so der Direktor von Agora Verkehrswende. Da das in der Regierung aber nicht in Sicht ist, könnte sich eher ein anderes Szenario bewahrheiten, etwa jenes aus dem Projektionsbericht der Bundesregierung selbst: Dort wird inzwischen von 8,2 Millionen E-Autos im Jahr 2030 ausgegangen, also 6,8 Millionen unter Plan.
„Ein Elektroauto mit einem Verbrauch von 10 kWh auf 100 km. Das sollte das Leitbild für die Entwicklung sein und nicht immer größere und stärkere Fahrzeuge.“
Christian Hochfeld, Agora Verkehrswende
„Das führt zu Mehremissionen von 55 Millionen Tonnen CO2“, erklärt Hochfeld. „Die 15 Millionen E-Autos werden vermutlich erst 2033 oder 2034 erreicht. Bis dahin müsste Deutschland drei bis sechs Milliarden Euro für CO2-Zertifikate ausgeben, um die Mehremissionen zu kompensieren. Das Geld kann auch besser ausgegeben werden.“ Und: Wird das 15-Millionen-Ziel verpasst, sorgt das auch nach 2030 für weitere Mehremissionen, denn die zusätzlich auf die Straße gekommenen Verbrenner werden im Schnitt 14 Jahre lang gefahren und stoßen somit bis in die 2040er Jahre weiter CO2 aus. „Als ich diese Zahlen im Vorstand eines Zulieferers vorgetragen habe, gab es Gelächter als Antwort. Denn die Zulieferer kennen natürlich die Produktionsplanungen der Hersteller. Und diese Zahlen passen einfach nicht zusammen“, berichtet Hochfeld.
Auch in Zeiten der Haushaltsdebatte und zunehmend begrenzter Fördergelder hält Hochfeld weitere Maßnahmen für angebracht – aber kein Revival des Umweltbonus, von dem der Experte ohnehin kein Fan war. „Es gibt drei Instrumente, die weitestgehend haushaltsneutral, aber wirksam sind: eine Reform der Dienstwagenbesteuerung, eine Reform der Kfz-Steuer und ein CO2-Preis beim Klimageld.“ Bei den Dienstwagen soll der Vorteil für E-Autos etwa nicht abgeschafft, sondern vergrößert werden – damit Verbrenner bei der nächsten Fahrzeugbeschaffung unattraktiver werden.
Ganz ohne neue Haushaltsmittel dürfte es aber nicht gehen. Denn es müssen nicht nur Fahrzeuge elektrifiziert werden, sondern der Verkehr auch auf Bus, Bahn, Fahrrad und Fußverkehr umgelagert werden. „Um die Klimaschutzziele zu erreichen, braucht es ein in sich stimmiges Gesamtkonzept für die Verkehrswende, bei dem alle Elemente ineinander greifen“, schließt Hochfeld seinen Vortrag. „Wenn wir jetzt nicht reagieren, wird es sehr schwierig, die Klimaschutzziele zu erreichen und vor allem fallen wir auch bei der Industrie international zurück.“
Damit hat Hochfeld selbst die perfekte Überleitung zum dritten Speaker von electrive LIVE geliefert, nämlich zu Stefan Schneeberger, Projektleiter bei Berylls Strategy Advisors. Der Unternehmensberater ist einer der Autoren der jüngsten Berylls-Studie zur Automobilproduktion in Deutschland. Der Elektromobilität wird schließlich immer noch nachgesagt, Jobs in der Autoindustrie zu vernichten.
Kurz zur Ausgangslage: Derzeit sind rund 800.000 Menschen in Deutschland direkt in der Autoindustrie beschäftigt, also bei den Herstellern oder Zulieferern. Das erwirtschaftet knapp fünf Prozent der Bruttowertschöpfung in Deutschland. Für die Studie haben Schneeberger und sein Team nicht nur die Entwicklung der Autoproduktion bis 2028 projiziert, sondern diese auch in Relation zu dem erwarteten realen Bruttoinlandsprodukt der Länder gesetzt. Denn so wird die Entwicklung in Ländern wie Ungarn, wo mit den neuen E-Auto-Werken von BMW und BYD ein Wachstum von 60 Prozent erwartet wird, wieder relativiert – da dieses Wachstum auf einer viel geringeren Basis stattfindet. Für Deutschland erwartet Berylls in diesem Zeitraum ein Wachstum von 13 Prozent, in China 15 Prozent und in den USA von neun Prozent. Düster sieht es hingegen für Japan (-14 Prozent) und Südkorea (-19 Prozent) aus.
„Deutschland ist das einzige Land unter den großen Herstellungsländern, bei denen der Zuwachs der Autoproduktion über dem Wachstum des realen BIP liegt“, sagt Schneeberger. „Die Autoindustrie wird auch in Zukunft für Deutschland extrem wichtig blieben.“ Nur: Hier geht es noch um die gesamte Autoindustrie, nicht rein um die E-Mobilität.
Aber auch da ist das Bild, das Berylls zeichnet, eher positiv: Gemäß der Prognose werden in Deutschland 2030 im Schnitt drei von vier gebauten Autos rein elektrisch sein. Global wird es etwas weniger als jeder zweite Neuwagen sein, in China rund 60 Prozent. Besonders ab dem Jahr 2026 werde die E-Produktion in Deutschland zulegen, wenn bei Herstellern wie Mercedes, BMW und Audi wichtige Modellwechsel anstehen und neue E-Plattformen debütieren.
Doch Schneeberger liefert auch ein großes Aber: In Deutschland sieht Berylls ein großes Klumpenrisiko, denn die hiesige Autoindustrie ist von nur wenigen Unternehmen abhängig. Floppen die kommenden E-Modelle und es werden einfach weniger Autos gebaut, hat das bei wenigen, großen Unternehmen enorme Auswirkungen auf die gesamte Industrie und Zulieferlandschaft. „Das große Gegenbeispiel sind die USA, wo quasi jeder global relevante Hersteller – auch die deutschen – ein Werk haben“, so Schneeberger. „Läuft das Wachstum bei einem Hersteller nicht wie geplant, beeinflusst das nicht die ganze Industrie.“
In Deutschland sieht Schneeberger noch ein zweites Risiko: Das Wachstum, das Berylls für die heimische Industrie bei der Produktion sieht, kommt nicht von den deutschen Autobauern – die stellen „nur“ nach und nach die Produktion in den vorhandenen Werken um. Das Wachstum kommt in erster Linie von Tesla und der Gigafactory in Grünheide – und möglichen, weiteren Playern aus dem Ausland, die sich hier ansiedeln. Ausgehend von einer Produktion von 4,3 Millionen Autos im Jahr 2023 könnte sich im besten Fall 2030 eine Produktion von sechs Millionen Autos ergeben. Mit „Gegenwind für die Branche“ stellt Berylls 4,6 Millionen Einheiten in Aussicht. Kommt es aber zum „perfekten Sturm“, könnte die Produktion in Deutschland auch auf 3,6 Millionen Autos sinken.
„Positiv ist, dass sechs der zehn meistverkauften E-Autos Deutschlands auch hier gebaut werden. Negativ für die Zukunft ist: Das prognostizierte Wachstum der deutschen Autoproduktion kommt nur von Tesla, nicht den deutschen Herstellern.“
Stefan Schneeberger, Berylls Strategy Advisors
Denn der Markt ist bei den immer wichtiger werdenden E-Autos noch sehr dynamisch: Von den Top Ten der meistverkauften E-Autos in Deutschland aus dem Jahr 2022 haben es nur fünf Modelle in die Top Ten des Jahres 2023 geschafft. Bei den Verbrennern gibt es derart heftige Wechsel nicht. Wer aber heute gute Verkäufe mit einem E-Auto erzielt, sollte sich nicht darauf verlassen, dass das Ende 2024 oder 2025 immer noch so ist. Was Schneeberger sehr positiv sieht: Sechs der zehn Top-Modelle 2023 wurden in Deutschland gebaut.
„Zukünftige industriepolitische Maßnahmen und Förderungen müsen auf die lokale Produktion zugeschnitten sein“, sagt der Unternehmensberater. „Die Dynamik der Konkurrenz aus China kann schlagartig für Verwerfungen sorgen. Wer weiß, vielleicht ist unter den Top Ten 2024 auch ein Modell eines chinesischen Herstellers?“ Mit dem Tesla Model 3 auf Platz 8 gibt es dort immerhin schon ein Auto, das in China gebaut wird.
Verbliebene Ladeinfrastrukturförderung geht an die E-Lkw
Schneeberger hat zwar in dem Vortrag die Studienergebnisse zusammengefasst und eingeschätzt, für die abschließende Podiumsdiskussion übergibt er aber digital an seinen Vorgesetzten, Alexander Timmer, Partner von Berylls Strategy Advisors. Außerdem gesellt sich Johannes Pallasch, Sprecher des Leitungsteams der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur, zu Christian Hochfeld und Peter Schwierz ins Berliner Studio.
In der Diskussion kommt zunächst Johannes Pallasch zu Wort, der mit dem neuen Haushalt nach der Überarbeitung des Wirtschaftsplans für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) einen turbulenten Start ins neue Jahr hatte. Bereits im Dezember war durchgesickert, dass die Mittel für die Tank- und Ladeinfrastruktur auf 1,92 Milliarden Euro gekürzt wird, tatsächlich dürfte es am Ende sogar nur auf 1,85 Milliarden Euro hinauslaufen. Geplant war das anders.
Vor diesem Hintergrund erklärt Pallasch bei electrive LIVE, dass man nun im Verkehrsministerium (dem die NOW und die dort angesiedelte Leitstelle unterstellt sind) priorisieren müsse – und jene 1,85 Milliarden Euro „größtenteils“ für das geplante E-Lkw-Ladenetz vorgesehen seien. Dabei will der Bund vor allem die Netzanschlüsse fördern, da für das gleichzeitige Laden mehrerer E-Lkw deutlich größere Strommengen benötigt werden als bei E-Autos. Und da es vor dem Hintergrund der Rollout-Pläne und der neuen Lkw-Maut schnell gehen soll, will der Bund hier anpacken.
Und dann holt Pallasch umgehend zu einer Spitze gegen den BDEW aus – der im politischen Berlin gefordert hatte, Ladeinfrastruktur gar nicht mehr zu fördern. „Es ist aus unserer Sicht brandgefährlich zu sagen, dass wir keine Förderung für Ladeinfastruktur mehr benötigen. Es gibt Stellen, an denen wir noch einen Bedarf haben“, so Pallasch. „Die 1,85 Milliarden Euro sind größtenteils für das Lkw-Ladenetz vorgesehen, denn da haben wir Bedarf. Da müssen wir schnell sein und vorausschauend bauen – da es derzeit noch wenige Fahrzeuge gibt und es anders als beim Pkw bis zu einem profitablen Geschäftsmodell noch dauern wird.“
EnBW-Manager Stein – obwohl nicht direkt angesprochen – kontert mit dem Argument, schnell sein zu müssen, um beim Ausbau der Infrastruktur vor dem Hochlauf bei den Herstellern zu bleiben. „Wir haben die Verantwortung, schnell zu sein“, sagt Stein. Und bei der Geschwindigkeit bremsen Förderprogramme mit ihren jeweils eigenen Vorgaben, die Problematik der Netzanschlüsse und die Bürokratie: „Wir wollen die Geschwindigkeit, die wir aufgenommen haben, nicht verlieren – etwa weil wir uns in Debatten über Technologieoffenheit verlieren. Außerdem verlieren wir jede Menge Zeit, wenn wir in Amtsstuben klären müssen, ob wir nun einen Busch wegschneiden dürfen oder nicht.“
Aber: Beim Thema E-Lkw-Laden können in dem noch jungen Markt laut Stein „niederschwellige Förderungen sicher helfen, die Entwicklung anzustoßen“. Ob auch die EnBW bald Lkw-Ladesäulen baut, ist noch nicht entschieden. Das Unternehmen beteiligt sich zwar an Pilotprojekten, um Erfahrungen zu sammeln. „ Wir haben aber noch keine abschließende Meinung, welche Rolle wir auf diesem Markt spielen werden“, so der Chief Innovation & New Business Officer.
Rabatte sind „nicht nachhaltig“ – aber wie geht es weiter?
Zurück zum E-Auto: Berylls-Partner Alexander Timmer rät dazu, bei der Bewertung der aktuellen Lage unterschiedliche Blickwinkel einzunehmen. Aus Kundensicht sei der Zeitpunkt für einen Wechsel zum E-Auto gut. „ Mit den aktuellen Rabatten und Aktionen schließt sich auch die Lücke bei der Anschaffung zu den Verbrennern, was den Umstieg einfacher macht“, so Timmer. „Wenn die aktuellen Rabatte früher oder später in der Wertschöpfungskette an die Zulieferer weitergegeben werden, ist die Sicht natürlich eine andere.“
Ob die derzeit meist bis Ende März befristeten Preisaktionen bis ins zweite Quartal oder gar darüber hinaus verlängert werden, will Timmer nicht bewerten. Klar sei aber, dass das „nicht nachhaltig“ sei. Einigen asiatischen Herstellern attestiert der Unternehmensberater aber mehr Spielraum bei der Preisgestaltung als vielen deutschen Autobauern: „Sie sind oft sehr hoch in der Lieferkette integriert, etwa bei Halbleitern oder Batterien. Wenn sie diese nicht einkaufen müssen, sondern selbst herstellen, haben sie eine andere Kostenstruktur.“
Die Kosten sind auch ein enorm wichtiger Faktor für preiswerte Elektroautos. Citroen geht in diesem Jahr mit dem e-C3 für 23.200 Euro an den Start, VW arbeitet seit langem auf ein E-Auto für 25.000 Euro hin (welches Ende 2025 vorgestellt werden soll) und Tesla will mit dem kommenden Kompakt-Modell auf einer neuen Plattform nichts weniger als den Markt revolutionieren. Aber werden diese Autos auch aus dem Hochlohnland Deutschland kommen?
„Kompliment an alle Akteure, es ist wahnsinnig viel passiert. Wir müssen aber höllisch aufpassen, dass wir sagen ‚Wir sind mit dem Thema durch‘. Es läuft noch und es ist noch ein langer Weg.“
Johannes Pallasch, Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur
„Ein Tesla Model 2 wird quasi zu den halben Materialkosten gefertigt werden als ein Model 3 heute. Aus der Marke VW kommen Volumenmodelle, auch von französischen Herstellern mit europäischer Produktion. Asiatische Marken werden importieren oder Werke in Europa bauen, zum Teil haben sie die schon. Da wird es kein richtig oder falsch geben“, sagt Timmer. „Die Hauptsache ist, der Preis und die TCO für die Kunden stimmen. Meine Meinung: Ab 25.000 Euro wird es interessant.“
Agora-Direktor Hochfeld merkt auch mit Blick auf die Berylls-Zahlen an, dass die Kapazitäten bei der Produktion da seien. „Wenn aber die Nachfrage in diesem Jahr nicht anspringt, haben wir schon mittelfristig ein Problem“, sagt Hochfeld und verweist auch auf die Kosten für die Autofahrer – aber mit anderem Blickwinkel als Timmer: „Die Politik hat die Rolle, die Marktbedingungen so zu setzen, dass der Verbrenner den Preis zahlt, den er auch verursacht. Wichtig: Es geht nicht darum, Dinge künstlich teuer zu machen – sondern nur darum, die tatsächlichen Kosten zu berechnen.“
Bei zwei Themen sind sich aber alle Vertreter im Panel einig: Eine kürzlich von Elon Musk in einem Tweet geforderte Abschottung vor der chinesischen Autoindustrie sei nicht zielführend. Man müsse sich dem Wettbewerb stellen, so der Tenor. Und die Zukunft ist ohne Zweifel Batterie-elektrisch, zumindest im Pkw.
„Die Abschottung, egal ob vor China, Südkorea oder dem amerikanischen Markt, kann nicht zielführend sein. Wir müssen uns dem Wettbewerb stellen – bei Reichweite, Effizienzen, Portfolio-Lücken.“
Alexander Timmer, Berylls Strategy Advisors
„Es kann nicht darauf ankommen, ob hier jemand persönlich in der Politik Elektromobilität will oder nicht. Es ist der einzige Weg, um die Ziele zu erreichen“, sagt Hochfeld und lässt sich kurz vor Schluss doch noch zu einer Anekdote vom Autogipfel hinreißen: „Es gab bei den Treffen im Kanzleramt aus den Ländern und der Wirtschaft die klare Forderung, nicht mehr in Aussicht zu stellen, dass wir in wenigen Jahren mit überall verfügbaren E-Fuels fahren können. Das sorgt für eine Verunsicherung und Kaufzurückhaltung, weil es diese E-Fuels nicht geben wird.“
Laut Unternehmensberater Timmer, der nah an der Autoindustrie und deren konkreten Produktionsplänen dran ist, wird das Thema Wasserstoff im Auto „auch 2030 deutlich unter einem Prozent Marktanteil bleiben“. „Im Lkw-Bereich sieht das anders aus, aber im Auto wird das keine große Rolle spielen“, so der Berylls-Mann. „Der Plug-in-Hybrid ist weiterhin eine Brückentechnologie, aber nicht das Endziel. Das ist der Batterie-elektrische Antrieb.“
Zum Abschluss der Konferenz gab Leitstellen-Chef Johannes Pallasch übrigens noch zu, dass er sich in einem Punkt geirrt hat: „Ich habe vor einigen Jahren gesagt, dass es so ab 2024, 2025 etwas ruhiger wird. Das ziehe ich zurück, 2024 wird extrem arbeitsreich und das ist auch gut so!“
0 Kommentare