„Produktionsausblick Elektrofahrzeuge in Deutschland“ – Stefan Schneeberger, Berylls Strategy Advisors
Derzeit sind rund 800.000 Menschen in Deutschland direkt in der Autoindustrie beschäftigt, also bei den Herstellern oder Zulieferern. Sie erwirtschaften knapp fünf Prozent der Bruttowertschöpfung in Deutschland. Für die Berylls-Studie zur Automobilproduktion in Deutschland haben Stefan Schneeberger und sein Team nicht nur die Entwicklung der Autoproduktion bis 2028 projiziert, sondern diese auch in Relation zu dem erwarteten realen Bruttoinlandsprodukt der Länder gesetzt. Denn so wird die Entwicklung in Ländern wie Ungarn, wo mit den neuen E-Auto-Werken von BMW und BYD ein Wachstum von 60 Prozent erwartet wird, wieder relativiert – da dieses Wachstum auf einer viel geringeren Basis stattfindet. Für Deutschland erwartet Berylls in diesem Zeitraum ein Wachstum von 13 Prozent, in China 15 Prozent und in den USA von neun Prozent. Düster sieht es hingegen für Japan (-14 Prozent) und Südkorea (-19 Prozent) aus.
„Deutschland ist das einzige Land unter den großen Herstellungsländern, bei dem der Zuwachs der Autoproduktion über dem Wachstum des realen BIP liegt“, so Schneeberger bei unserer jüngsten Online-Konferenz. „Die Autoindustrie wird auch in Zukunft für Deutschland extrem wichtig bleiben.“ Nur: Hier geht es noch um die gesamte Autoindustrie, nicht rein um die E-Mobilität.
Aber auch da ist das Bild, das Berylls zeichnet, eher positiv: Gemäß der Prognose werden in Deutschland 2030 im Schnitt drei von vier gebauten Autos rein elektrisch sein. Global wird es etwas weniger als jeder zweite Neuwagen sein, in China rund 60 Prozent. Besonders ab dem Jahr 2026 werde die E-Produktion in Deutschland zulegen, wenn bei Herstellern wie Mercedes, BMW und Audi wichtige Modellwechsel anstehen und neue E-Plattformen debütieren. Doch Schneeberger liefert auch ein großes Aber: In Deutschland sieht Berylls ein großes Klumpenrisiko, denn die hiesige Autoindustrie ist von nur wenigen Unternehmen abhängig. Floppen die kommenden E-Modelle und es werden einfach weniger Autos gebaut, hat das bei wenigen, großen Unternehmen enorme Auswirkungen auf die gesamte Industrie und Zulieferlandschaft.
In Deutschland sieht Schneeberger noch ein zweites Risiko: Das Wachstum, das Berylls für die heimische Industrie bei der Produktion sieht, kommt nicht von den deutschen Autobauern – die stellen „nur“ nach und nach die Produktion in den vorhandenen Werken um. Das Wachstum kommt in erster Linie von Tesla und der Gigafactory in Grünheide – und möglichen weiteren Playern aus dem Ausland, die sich hier ansiedeln.
„Zukünftige industriepolitische Maßnahmen und Förderungen müssen auf die lokale Produktion zugeschnitten sein“, sagt der Unternehmensberater. „Die Dynamik der Konkurrenz aus China kann schlagartig für Verwerfungen sorgen. Wer weiß, vielleicht ist unter den Top-Ten 2024 auch ein Modell eines chinesischen Herstellers?“ Mit dem Tesla Model 3 auf Platz 8 gibt es dort immerhin schon ein Auto, das in China gebaut wird.
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