Tesla-Werk in Grünheide: Schock, Schaden und Stillstand nach Anschlag auf Stromversorgung
Kurz zu den Geschehnissen vom Dienstag: Durch einen frühmorgendlichen Brandanschlag auf einen rund zehn Kilometer vom Tesla-Standort gelegenen Strommast fiel in der Gigafactory und in sechs umliegenden Gemeinden der Strom aus. Das Tesla-Werk wurde daraufhin evakuiert. Die Produktion steht seitdem still. Gegen Mittag bekannte sich die selbsternannte „Vulkangruppe“, ein linksextremistisches Netzwerk, zu der Tat. Die Polizei hat inzwischen die Echtheit des Bekennerschreibens bestätigt. Die weiteren Details lassen sich hier nachlesen. Während in den Gemeinden die Stromversorgung bereits nach wenigen Stunden wieder in Gang gesetzt werden konnte, ist dies für die 12.000-Mitarbeiter-Fabrik nicht der Fall. Und die Bänder werden länger still stehen als zunächst gedacht: Bis voraussichtlich Ende kommender Woche bleibe die Produktion in der Gigafactory unterbrochen, teilte das Unternehmen gestern mit.
Werksleiter André Thierig äußerte bereits zuvor, dass er nicht damit rechne, die Fertigung in dieser Woche wieder aufnehmen zu können. Tesla entstehe durch den Produktionsstopp ein wirtschaftlicher Schaden im hohen neunstelligen Bereich. Derzeit laufen in Grünheide rund 6.000 Autos pro Woche vom Band. Legt man nur den Grundpreis für ein Model Y von rund 45.000 Euro als Maßstab an, könnten Tesla durch den Anschlag 270 Millionen Euro Umsatz entgehen. Weitere Kosten durch die gestörte Lieferkette kommen hinzu. Vor der Fabrik sollen sich laut „Manager Magazin“ bereits Lastwagen stauen.
Hinzukommen etwaige Schäden durch den abrupten Stromausfall am Fabrikequipment. Anfällig sind beispielsweise die großen Gusspressen von Tesla, die – sollte flüssiges Material in ihnen erkaltet sein – nur schwer wieder davon zu befreien sind. Ob Tesla im Moment des Blackouts über Notstrom verfügte, um gewisse Produktionsprozesse kontrolliert zu stoppen, ist nicht bekannt.
Tesla-Werksleiter: „Wir lassen uns nicht unterkriegen!“
Der Anschlag auf die Stromversorgung erfolgte zu einem Zeitpunkt, zu dem sich die Werkserweiterung in Grünheide konkretisiert. Tesla will bekanntlich neben seinem 300 Hektar großen bestehenden Werksgelände auf zusätzlichen rund 170 Hektar einen Güterbahnhof, Lagerhallen und einen Betriebskindergarten errichten. Die Pläne sind seit 2022 bekannt. Mitte Februar lehnten die Bürgerinnen und Bürger von Grünheide eine Erweiterung des Werksgeländes bei einer Abstimmung aber mehrheitlich ab. Dabei ging es um diese neuen Flächen, daneben strebt Tesla auch den Ausbau des Werks auf dem bestehenden Fabrikgelände an. Letzteres stand aber explizit nicht zur Abstimmung.
Drauf angesprochen sagte Werksleiter Thierig gegenüber dem Manager Magazin: „Ob das jetzt einen Einfluss hat auf den weiteren Ausbau der Fabrik, kann ich an der Stelle nicht sagen.“ In einem am gestrigen Abend veröffentlichten LinkedIn-Post sprach André Thierig von einem schlimmen Tag für die Gigafactory in Grünheide und für die Gemeinden, „die von dem Terroranschlag auf das Stromnetz betroffen waren“. Sobald die Reparatur im Netz der Edis abgeschlossen sei, „werden mit aller Kraft wieder anlaufen! Wir lassen uns nicht unterkriegen!“
Tesla-Chef Elon Musk reagierte polternd-trotzig mit dem Statement: „Das sind entweder die dümmsten Öko-Terroristen der Welt oder sie sind Marionetten derjenigen, die keine guten Umweltziele haben.“ Die Produktion von Elektrofahrzeugen zu stoppen, anstatt von Fahrzeugen mit fossilen Brennstoffen, sei „extrem dumm“ – die letzten Worte seines Posts waren sogar auf Deutsch.
In einem gesonderten Tweet von Tesla Manufacturing hieß es: „Wir stehen fest an der Seite unserer Mitarbeitenden, der Menschen in Grünheide und Umgebung und all derer, die von diesem gegen Tesla gerichteten Brandanschlag auf das öffentliche Stromnetz betroffen sind.“ Die Sicherheit der über 12.000 Tesla-Mitarbeitenden habe für das Unternehmen oberste Priorität, und man sei froh, dass bei diesem Anschlag niemand verletzt wurde. „Neben uns sind viele weitere Menschen in der Region vom Stromausfall betroffen und wir verurteilen diesen rücksichtslosen Anschlag.“ Und: „Wir gehen davon aus, dass die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte die Verursacher zur Verantwortung ziehen.“ Man sei aufrichtig dankbar für die große Unterstützung aus allen Teilen Deutschlands und der Welt und verurteile Gewalt in jeglicher Form.
Auch die politische Führung des Bundes und des Landes reagieren betroffen. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) äußerte sich bereits gestern mit den Worten, dass es sich „offenbar um einen schweren Anschlag auf unsere kritische Infrastruktur mit Konsequenzen für tausende Menschen sowie viele kleine und große Betriebe in unserem Land“ gehandelt hat. Anschläge auf die kritische Infrastruktur seien „eine Form von Terrorismus“.
Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) spricht in einem Tweet von einer „in keiner Weise zu tolerierenden Eskalation, unter der Menschen, Beschäftigte & Unternehmen der Region zu leiden haben“. Er will zudem die Sicherheit am Werk erhöhen. „Was möglich ist, wird sicherlich intensiviert werden“, hatte der Politiker zuvor bei einer Pressekonferenz am Tesla-Werk gesagt. „Wir haben uns angeschaut, wo kritische Infrastruktur ist“.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wählte ebenfalls deutliche Worte: „Ein solcher Anschlag auf unsere Strominfrastruktur ist eine schwere Straftat, die durch nichts zu rechtfertigen ist.“ Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck fordert eine rasche Aufklärung und Konsequenzen: „Gewalt und Sabotage dürfen kein Mittel der Auseinandersetzung sein“, so der Grünen-Politiker.
handelsblatt.com, manager-magazin.de, automobilwoche.de
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