Ohne Förderung: Verkehrsbetriebe fürchten Delle beim Umstieg auf Elektrobusse
Dass es bei der Elektrifizierung des Busverkehrs in den Städten einige Fragezeichen gibt, machte Ingo Wortmann schon zur Eröffnung der Großveranstaltung in Berlin deutlich: „Die Branche ist fest entschlossen, den ÖPNV zu revolutionieren. Wir benötigen dafür einen langen Atem und sehr viel Geld“, sagte der Präsident des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Wortmann ist zugleich auch Geschäftsführer Mobilität der Stadtwerke München – einem der großen Busbetreiber in Deutschland. Bis 2035 will die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) ihre gesamte Busflotte auf Elektroantrieb umstellen. Für Ingo Wortmann, der zugibt, anfangs zu den Skeptikern gehört zu haben, ein dickes Brett: „Wir nehmen unser kostengünstigstes Betriebssystem mit ausgereifter Technik und tauschen es aus gegen ein System mit Kinderkrankheiten und erheblichen Investitionskosten.“ Gemeint ist der Wechsel von Diesel zu Elektro. „Unsere Elektrobusse in München haben jedenfalls Kinderkrankheiten“, schob Wortmann erklärend nach.
Für den Gesamtverband rechnet Wortmann mit einem Finanzbedarf von 24 Milliarden Euro für die Elektrifizierung der Stadtbusse in Deutschland. „Das stemmen wir nicht aus dem Querverbund und nicht aus dem Fahrgastbetrieb. Das stemmen wir nicht, wenn wir nicht die Mittel dafür bekommen.“ Für eine Revolution bräuchte es Unterstützung vom Staat. Und die Förderung moderner Verkehrssysteme sei ein Konjunkturmotor, keine Schuldenfalle, betonte Wortmann. Diese etwas verklausulierte Kritik richtete sich erkennbar an die nächste Rednerin auf der VDV-Bühne – Daniela Kluckert. Die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium (BMDV) hat bekanntlich ein FDP-Parteibuch (Stichwort Schuldenbremse) und trägt letztlich die fachliche Verantwortung für den kompletten Förderstopp, der seit dem KTF-Urteil und der folgenden Haushaltskrise gilt. Für elektrische Stadtbusse gibt es bekanntlich genau wie für elektrische Lkw und Autos kein Geld mehr vom Staat – Verkehrswende und Klimaschutzziele hin oder her.
Technologieoffenheit und Schuldenbremse
Daniela Kluckert brachte es denn auch fertig, vor der versammelten Busbranche einerseits die Erfolge bei der Elektrifizierung zu loben („Wir sind stolz, dass ein deutscher Hersteller in Europa Marktführer beim BEV-Bus ist.“) und gleichzeitig für Technologieoffenheit („Wir dürfen nicht eine Technologie protegieren.“) zu werben. Man könne Klimaneutralität nur schrittweise und mit ökonomischer Vernunft erreichen, dürfe keine Technologie verbieten. „Dazu gehören alle Antriebe, die anders sind als der Verbrenner – oder anders CO2-frei sein können“, sagte Daniela Kluckert wörtlich. Dass damit die bei der FDP beliebten und sündhaft teuren E-Fuels gemeint sind, wussten die Zuhörer im Saal. Szenenapplaus gab es keinen. Und das sollte auch so bleiben. Denn gute Nachrichten hatte Kluckert auch zum Thema Geld nicht mitgebracht: „Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass es weitere Förderaufrufe gibt. Aber ich kann Ihnen versprechen, dass wir Ihre Bedürfnisse auf dem Schirm haben.“ Nach ihrem kurzen Auftritt hatte es die Staatssekretärin dann eilig, den Saal zu verlassen. Doch Moderator Martin Schmitz, Geschäftsführer Technik des VDV, gelang es, die BMDV-Vertreterin noch kurz mit einer Anmerkung zu stellen: „ Wir haben alles hier für die Transformation, wir brauchen nur das Geld!“ Und Daniela Kluckert reagierte prompt: „Aber nicht nur vom Bund“, sagte die FDP-Politikerin forsch. Auch Länder und Kommunen hätten ihre Aufgaben. Raunen im Saal – und Daniela Kluckert war weg.
Die spätere Podiumsdiskussion erlebte die Vertreterin des Bundesverkehrsministeriums nicht mehr. Schade, denn dort wurde Tacheles geredet, etwa von Greenpeace-Verkehrsexpertin Marissa Reiserer: „Ich finde es frech zu sagen, das Geld ist nicht da.“ Beim Bau von Autobahnen und Bundesstraße werde schließlich auch nicht gespart. Die Greenpeace-Vertreterin war es denn auch, die eine umweltbezogene Vermögenssteuer zur Finanzierung der Antriebswende beim Stadtbus ins Spiel brachte. Ins Staunen kam auch Alexandra Reinagl, Chefin der Wiener Linien. Sie hofft, dass die deutsche Förderpolitik „bei uns in Österreich nicht als Beispiel genommen wird“. Wasch mich, aber mach mich nicht nass – mit dieser Philosophie sei der Green Deal der EU nicht zu erfüllen.
Unaufgeregt aus der Praxis berichtete Jens-Günter Lang, Technik-Vorstand der Hamburger Hochbahn, also dem Vorzeige-Unternehmen in Sachen Antriebswende beim Stadtbus. „Man darf nicht undankbar sein“, sagte Lang. „Wir haben bis Mitte nächsten Jahres 400 geförderte Elektrobusse einschließlich Ladeinfrastruktur.“ Aber es fehlten dann noch immer 700 Busse und das koste eine weitere Milliarde. „Das ist aus dem Umsatz nicht zu stemmen“, machte der Hamburger klar. Jetzt bleibe es an den Ländern und Kommunen hängen. Das Problem für Jens-Günter Lang: Alle Investitionen in den Betriebshöfen sind angestoßen. Jetzt gehe es konkret darum, wie das zu finanzieren ist. „Am Ende muss die Rechnung bezahlt werden“, mahnte Lang.
Im Verlauf der Runde wurde auch VDV-Präsident Wortmann deutlicher: „Für uns ist das Signal desaströs“, sagte der Münchener. „Wir haben sehr viel Arbeit und Geld aufgewendet, um die Hochlaufkurve bei Elektrobussen hinzubekommen.“ Auf einem Drittel der Strecke die Fördermittel zu streichen, sei für die MVG sehr kritisch. „Da ist kein gutes Signal für die Verkehrswende und das Klima“, so Wortmann. Letztlich könne man nur machen, was realistisch finanzierbar ist. „Wenn es schlecht läuft, bleibt von der Antriebswende nichts übrig“, warnte Wortmann am Ende eindringlich.
Verkehrsbetriebe wollen auf Elektromobilität setzen
Bei aller Unklarheit, was die Förderung und das Geld angeht, waren sich die Vertreter/innen der Verkehrsbetriebe aus Hamburg, München und Wien übrigens einig, dass der Elektroantrieb die richtige Wahl ist. „ Das ist unaufhaltbar und wir müssen auf diese Technologie setzen“, sagte etwa Alexandra Reinagl von den Wiener Linien. Das Interesse sei auch beim Nachwuchs groß: „Elektromobilität ist ein Treiber, um junge Fachkräfte anzulocken.“ Und die werden bekanntlich überall gebraucht. Auch Jens-Günter Lang aus Hamburg sieht es so: „Wir haben mit der Elektromobilität jetzt eine Technologe, die funktioniert.“ Die neuesten Hamburger E-Busse sind laut Lang bei der technischen Verfügbarkeit auf einem Niveau mit Dieselbussen. „Das System schwingt sich ein und funktioniert einigermaßen stabil – zu einem gehobenen Preis.“ Es gehe nicht mehr um das Ob oder Wie, sondern um die Frage der Finanzierung. Auch diese pragmatische Einschätzung aus der Praxis in der heimlichen Hauptstadt der Elektromobilität in Deutschland hat Daniela Kluckert leider verpasst. Und so bleibt von der diesjährigen VDV-Elektrobuskonferenz vor allem eines übrig – die Frage, woher das Geld für die Antriebswende kommen soll. Und wie ohne Förderung die Klimaschutzziele der EU (ab 2030 sollen 90 % der neuen Busse elektrisch fahren, ab 2035 dann alle) erreicht werden sollen.
9 Kommentare