Van Hool vor Ausstieg aus E-Bus-Geschäft und unklarer Zukunft
Wie die belgische Zeitung „De Standaard“ berichtet, ist das Van-Hool-Management zu dem Schluss gekommen, dass man im Stadtbus-Segment nicht gegen chinesische Unternehmen wie BYD und große, europäische Hersteller wie MAN und Solaris mit Werken in Polen konkurrieren könne. Daher will sich Van Hool ganz auf (nicht elektrische) Reisebusse und Anhänger konzentrieren. Gerade bei luxuriöses Reisebussen gibt es deutlich weniger Konkurrenz. Aber: Das Segment der Elektro-Stadtbusse wächst beständig, das Reisebus-Geschäft ist in der Corona-Pandemie stark eingebrochen und hat sich noch nicht vollständig davon erholt.
In einer unterdessen auch selbst vom Unternehmen publizierten Pressemitteilung heißt es, dass man zwischen 2024 und 2027 die Belegschaft am Standort Koningshooikt um rund 1.100 Mitarbeiter reduziert wolle. Dies kündigte Van Hool den Arbeitnehmervertretern dieser Tage auf einer Sonderbetriebsversammlung an. Der Spar- und Umstrukturierungskurs firmiert unter dem Slogan „Van Hool Recovery Plan“. Dieser soll dem Unternehmen „eine nachhaltige Zukunft aus eigener Kraft ermöglichen“.
„Wir verstehen die Auswirkungen, die dieser Plan auf die Mitarbeiter und ihre Familien haben wird, und es fällt uns schwer, diesen Schritt zu tun“, wird Co-CEO Marc Zwaaneveld in der Unternehmensmitteilung zitiert. In Anbetracht der äußerst dringenden Situation, in der sich das Unternehmen befindet, ist es jedoch wirklich notwendig, diese Maßnahmen zu ergreifen, um eine nachhaltige Zukunft für Van Hool zu sichern. Mit diesem Sanierungsplan bleibt Van Hool ein bedeutender Arbeitgeber in Flandern.“
Zum Elektrobus-Segment äußert sich das Unternehmen in der Mitteilung nicht. Es heißt darin lediglich, dass man bei der Annahme neuer Aufträge aus dem öffentlichen Verkehr selektiver vorgehen werde und dass die Produktion von Omnibussen hauptsächlich im Werk im nordmazedonischen Skopje und die von Sattelaufliegern in Koningshooikt stattfinden werde.
Van Hool stellt Elektrobusse zwar her, ist aber nicht wirklich auf deren Fertigung spezialisiert. In der Vergangenheit hat Van Hool vor allem auf Wasserstoff als Zukunftstechnologie gesetzt (BZ-Busse des Herstellers sind auch in Deutschland unterwegs) und nicht auf Batterien. Daher wurden laut „De Standaard“ für Batterie-elektrische Busse nicht ausreichend Beschaffungsverträge geschlossen und das Unternehmen bekomme nun nicht genügend Teile für E-Busse oder muss zu viel für Batterien chinesischer Hersteller bezahlen. Damit sind die Busse deutlich teurer, genannt wird von „De Standaard“ als Vergleich etwa ein E-Bus des chinesischen Herstellers BYD.
Es ist auch schwierig, mit europäischen Playern wie MAN oder Solaris zu konkurrieren, die beide in Polen produzieren und stark auf Elektrobusse setzen. Zuletzt hatte Van Hool einen großen Auftrag von De Lijn an den chinesischen Hersteller BYD verloren, der 20 Prozent günstiger war als europäische Bushersteller. „De Standaard“ verweist aber auch auf interne Streitigkeiten innerhalb der Eigentümerfamilie Van Hool. „Diese ist intern sehr gespalten, was in der Vergangenheit häufig dazu geführt hat, dass Fehlentscheidungen getroffen wurden – etwa, dass man sich zu spät für Elektrobusse entschieden hat“, schreibt die Zeitung in einem Artikel zur Krise bei dem Unternehmen. Zudem habe die Familie zu lange an einem Top-Manager aus den eigenen Reihen festgehalten und nicht auf einen externen, erfahrenen Manager gesetzt. Erst im Januar wurde der Niederländer Marc Zwaaneveld als Krisenmanager verpflichtet.
Es geht aber nicht nur um einen Strategiewechsel bei den Modellen und der Antriebsart, sondern auch um die Standorte. Durch die Umstrukturierung wird Van Hool nicht mehr viele Busse in Belgien herstellen, wodurch viele Arbeitsplätze in der belgischen Fabrik, die 2.000 Mitarbeiter beschäftigt, verloren gehen dürften. Denn die Produktion der Reisebusse soll den belgischen Berichten zufolge „größtenteils oder vollständig“ in Nordmazedonien erfolgen. Dort betreibt Van Hool bereits ein Werk, das bisher aber die Stadtbusse herstellt. Wird deren Produktion eingestellt, werden dort Kapazitäten frei – und die Luxus-Reisebusse könnten dort deutlich günstiger produziert werden als in Belgien. Das Kalkül: So könnte Van Hool die Konkurrenz bei den Preisen unterbieten.
Das Werk im belgischen Koningshooikt soll aber offenbar nicht komplett geschlossen werden: Die Anhängersparte soll bestehen bleiben, dort sind 640 Menschen beschäftigt. Auch die F&E-Abteilung und ein Teil der Instandhaltung würden bestehen bleiben. Allerdings gibt es hierzu noch keine bestätigte Aussage, es kursieren derzeit unterschiedliche Versionen. Einigen Berichten zufolge sei das komplette Aus des Werks besiegelt, da kein Industriepartner gefunden worden sei. Anderen Angaben zufolge laufe diese Suche noch und sei nicht abgeschlossen. Die geldgebenden Banken bevorzugen offenbar die Option, dass ein Industriepartner das Unternehmen übernimmt und so Geld einbringt.
Es steht auch eine Insolvenz im Raum, sofern die belgische Regierung nicht eingreift. Die Rede ist von einer Summe zwischen 50 und 100 Millionen Euro, die Van Hool aufbringen müsse, um seine Schulden und Abfindungen der entlassenen Mitarbeiter zu decken. Ob es eine finanzielle Unterstützung gibt, ist aber ebenfalls noch offen. Denn sollten die bisherigen Informationen zutreffen, würde die Politik damit vorrangig Arbeitsplätze in Nordmazedonien erhalten – und nicht in Flandern.
vanhool.com, destandaard.be, destandaard.be, destandaard.be (alle auf Niederländisch)
Redaktionelle Mitarbeit: Stefan Köller
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