Logistikverbände appellieren an Bundeskanzler: „Trendwende – oder Verkehrswende scheitert!“
Für den an das Bundeskanzleramt adressierten offenen Brief haben sich der Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV), der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) und der Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) zusammengeschlossen. Denn: Die Logistikbranche fühlt sich im Spannungsfeld zwischen Maut-Novelle und abgewürgter eMobility-Förderung („KsNI-Fördertopf“) eingezwängt. Im Schulterschluss forderten Vertreter von Herstellern und der Logistikbranche deshalb bereits Ende 2023 öffentlichkeitswirksam die „sofortige Kurskorrektur in der Verkehrs- und Klimapolitik“. Als Sprachrohr agierten schon seinerzeit DSLV-Hauptgeschäftsführer Frank Huster und BGL-Verbandssprecher Dirk Engelhardt.
Im nun nachgeschobenen Brief schreiben die Verbände u. a., dass man mit „sehr großer Sorge auf die anhaltend hohen Hürden, die eine Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs verhindern, blickt“. Es komme zu einem immer größeren Schereneffekt zwischen wachsenden Belastungen und fehlenden Anreizen. Die kontinuierlich steigenden CO2-Preise könnten ihre Lenkungsfunktion unter den gegebenen Voraussetzungen nicht erfüllen und die Verkehrswende drohe zu scheitern. Außerdem bemängeln die Verbände, dass der Transformationsprozess „einseitig an den Interessen der Herstellerindustrie ausgerichtet“ sei. DSLV, BGL und BWVL fordern unter anderem die Reaktivierung des Programms zur Förderung für klimaschonende Nutzfahrzeuge (KsNI) sowie einen „Runden Tisch Klimafreundlicher Straßengüterverkehr“.
Für eine Trendumkehr ist aus Sicht von DSLV, BGL und BWVL der Dreh an mehreren Stellschrauben essenziell. Im offenen Brief werden konkret folgende Maßnahmen vorgeschlagen:
- Reform der Kraftstoffbesteuerung: Angesichts der erwartbar hohen Anzahl von Nutzfahrzeugen mit Verbrennungsmotoren auch über das Jahr 2030 hinaus bedarf es einer Reform der Energiesteuer, mit der Biokraftstoffe und strombasierte Kraftstoffe nach ihrer Klimawirkung besteuert und somit fiskalisch begünstigt werden.
- Förderung von Depotladen: Es müssen sämtliche technischen und administrativen Voraussetzungen (einschließlich öffentlicher Förderungen) geschaffen werden, um den Netzausbau und den Ausbau von Infrastrukturen für das Aufladen vom strombasierten Lkw an nicht-öffentlichen Logistikanlagen („Depotladen“) zu beschleunigen.
- Planungssicherheit beim Strompreis: Angesichts des zukünftig gigantischen Strombedarfs des Logistiksektors muss dieser in politische Überlegungen für einen wettbewerbsfähigen Industriestrompreis einbezogen werden, um die Branche vor unkalkulierbaren nachfragebedingten Preissprüngen zu schützen.
- Reinvestition der CO2-Maut in Förderprogramme inklusive Kaufprämie: Bereits für das Haushaltsjahr 2025 müssen die kumulierten Mehreinnahmen aus der CO2-Lkw-Maut (30 Milliarden Euro bis 2027) als Teil eines „nachhaltigen Finanzierungskreislaufs Straße“ in die klimafreundliche Transformation des Straßengüterverkehrs reinvestiert werden. Dazu gehört insbesondere die Reaktivierung des KsNI-Programms zur Förderung der Anschaffung strombasierter schwerer Nutzfahrzeuge.
- Runder Tisch klimafreundlicher Straßengüterverkehr: Der Transformationsprozess scheitert, wenn er einseitig an den Interessen der Herstellerindustrie ausgerichtet wird. Für ein Gelingen der Antriebswende muss Politik den Logistiksektor einbeziehen, um ihn in die Lage zu versetzen, die Investitionen in neue Technologien finanziell und organisatorisch auch leisten zu können. Hierfür sollte das Bundeskanzleramt das weitere Vorgehen der Ressorts BMDV, BMWK und BMF mit den Stakeholder-Gruppen (Logistik, Energie und Hersteller) abstimmen und koordinieren. Hierzu regen wir einen „Runden Tisch klimafreundlicher Straßengüterverkehr“ im Bundeskanzleramt an.
Die Vorschläge sollen den Ist-Zustand abmildern, der den Verbänden zufolge durch fehlende Voraussetzungen für die Verkehrswende geprägt ist. Konkret nennen sie den hinterher hinkenden Netzausbau in nahezu allen EU-Mitgliedsstaaten, ausbleibende Fortschritte bei der Lade- und Tankinfrastruktur für E-Lkw und die weiterhin zugunsten von Diesel-Lkw ausschlagende TCO-Rechnung („Total Cost of Ownership). „Unter den gegebenen Rahmenbedingungen werden weder die politisch vereinbarten Zwischenziele noch das Null-Emissionsziel für den Güterverkehr innerhalb der vorgegebenen Zeitfenster erreicht werden können. Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, so kommt der Logistiksektor bei seinen Klimaschutzanstrengungen nicht voran! So scheitert die Verkehrswende“, warnen die Branchenverbände unisono.
Die EU hat bekanntlich erst kürzlich den Weg für neue CO2-Standards für Lkw und Busse geebnet. Demnach müssen die Flottenemissionen von Lkw über 7,5 Tonnen ab 2030 um 45 Prozent, ab 2035 um 65 Prozent und ab 2040 um 90 Prozent reduziert werden.
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