Paragraf 14a: Warum im Depot Lade-Abbrüche per Gesetz drohen
Die Aachener Elexon GmbH hat ein Policy Paper veröffentlicht, um ein Bewusstsein für die detaillierten Auswirkungen des zum Jahreswechsel in Kraft getretenen Paragrafen 14a des Energiewirtschaftsgesetzes zu schaffen und „dringend notwendige Lösungsansätze in Gang zu bringen“, wie das Unternehmen selbst schreibt. Der in der Branche oft nur kurz „14a“ oder auch „Spitzenglättungs-Paragraf“ genannte Gesetzesabschnitt räumt Verteilnetzbetreibern die Möglichkeit ein, „steuerbare Verbrauchseinrichtungen“ wie etwa Wallboxen oder Wärmepumpen zeitweise ferngesteuert zu „dimmen“, falls ansonsten eine Überlastung des Stromnetzes droht.
Die Regelung gilt nicht für öffentliche, sondern nur für nicht-öffentliche Ladepunkte (bzw. andere Verbraucher) im Niederspannungsnetz – und auch nur verpflichtend für Anlagen, die nach dem 1. Januar 2024 in Betrieb genommen wurden. Auch Unternehmensareale fallen daher unter §14a EnWG. Spediteure und Flottenbetreiber sind aber darauf angewiesen, dass ihre Fahrzeuge planmäßig laden, um ihr Geschäft am Laufen zu halten. Elexons Geschäftsführer Marcus Scholz warnt deshalb, dass Anpassungen an dem Gesetzestext geboten seien, um „die positiven Absichten des Gesetzes in vollem Umfang zu realisieren“.
Kurz ausgeholt: Die Novellierung von „14a“ geht noch auf das CDU-geführte Bundeswirtschaftsministerium unter Peter Altmaier zurück. Anfangs stand noch die vollständige Abschaltung der Verbraucher im Raum, was aber enormen Widerstand provozierte und Altmaier den Entwurf zurückziehen ließ. Bewegung in die Sache kam abermals Mitte 2022 mit einem Entwurf, der die vollständige Abschaltung verwarf, im weiteren Verlauf wurde eine garantierte Mindestbezugsleistung von erst 3,7 kW und inzwischen 4,2 kW fixiert.
Die Leistung von Ladestationen darf nach aktuellem Recht also nicht auf weniger als 4,2 kW gedrosselt werden. Es sei denn, man betreibt mehr als neun steuerbare Verbrauchseinrichtungen über einen Anschluss, beispielsweise mehrere 22-kW-Ladestationen auf dem Firmenareal. Dann greift ein „Gleichzeitigkeitsfaktor“ von 0,45. Sprich: Die Ladestationen können dann nur noch mit 1,89 kW laden.
Mit solchen 22 kW-Ladestationen kann beim Depotladen über Nacht auch durchaus eine Lkw-Flotte versorgt werden. Vielleicht nicht die schweren Exemplare mit Batterien von 600 kWh oder mehr. Aber 16-Tonner für den städtischen und regionalen Einsatz können in zehn Stunden so 220 kWh nachladen – wenn eben nicht gedimmt wird.
„Für größere Betriebe, die über zahlreiche Ladestationen verfügen, bedeutet dies, dass jede Ladestation erheblich weniger Leistung liefern kann als erwartet. Die Folge sind unverhältnismäßig lange Ladezeiten, die Betriebsabläufe erheblich stören können“, folgert Scholz. „Ein E-Lkw hat eine durchschnittliche Batteriekapazität von rund 400 kWh. Die Reduzierung der Ladeleistung auf 4,2 kW würde den Ladevorgang von wenigen Stunden auf mehrere Tage verlängern.“
Und: „Die Gesetzgeber haben sich nicht genug Gedanken gemacht. Denn bei 1,89 kW erfolgt keine Kommunikation mit dem Fahrzeug.“ Je nach Modell kann es dann zu einer Fehlermeldung kommen – und zu einem Ladeabbruch. Nach einem solchen Abbruch wird das Laden nicht mehr automatisch neu gestartet. Sollte es also dazu kommen, wäre das beim nächtlichen Laden auf dem Firmenareal höchst unpraktikabel. Denn neu gestartet werden müsste dann manuell.
Noch ist das ein theoretisches Szenario, da es seit Jahresanfang noch nicht zu einem derartigen Netzengpass gekommen ist, der den Eingriff von Verteilnetzbetreibern gemäß „14a“ erforderlich gemacht hat. „Aber was spielt es für das Business-Modell eines Unternehmens für eine Rolle, dass die Gefahr theoretisch gering ist? Die Sicherheit muss einfach vorhanden sein“, äußert Scholz.
Er und sein Team haben den §14a-Anwendungsfall für ein Unternehmen mit 40 AC-Wallboxen à 22 kW und dynamischem Lastmanagement durchgerechnet. Bei einer Runterregulierung auf 4,2 kW pro Ladepunkt und aktivierten Gleichzeitigkeitsfaktor liefern die Ladepunkte je 1,89 kW. Das dynamische Lastmanagement sorgt dafür, dass die Hälfte der Ladepunkte mit 4,2 kW laden, die anderen fallen komplett aus. Am Folgetag käme unter den 40 Flottenfahrzeugen die Hälfte auf einen Batteriestand von 40%, der Rest auf 5%.
Neben der Veröffentlichung seines Policy Paper zu diesem Thema sucht Elexon auch das Gespräch mit Parlamentariern. Auf unsere Frage, warum sich die Aachener als privatwirtschaftliches Unternehmen dieser Problematik annehmen, äußert Scholz, dass im Kontext von „14a“ nur der politische Weg bleibe, um das Thema noch einmal aufzubrechen. In der Tat ist Elexon auf das Laden von Logistikflotten spezialisiert und zählt etliche Logistik- und KEP-Branchenakteure zu seinen Kunden. Die Problematik kann das Unternehmen also mit dem Blick aus der Praxis in Gänze erfassen. Was Scholz umtreibt, ist unter anderem die falsche Vorstellung, dass die Gewerbekunden bei ihren Ladeanlagen vor allem auf Mittelspannung setzen, die in diesem Fall ebenso wie öffentliche Lader von „14a“ ausgenommen wären.
„Es wurde von der Beschlusskammer argumentiert, die für Gewerbetreibende notwendige Ladeinfrastruktur sei ohnehin mit den dort nötigen hohen Leistungen in der Regel ans Mittelspannungsnetz anzuschließen. Dem können wir nur widersprechen. Unsere Erfahrung aus mehr als 30.000 aufgebauten Ladepunkten im AC- und DC-Bereich zeigt, mehr als 90 % der Ladeparks der Logistiker sind ans Niederspannungsnetz angeschlossen.“
Aus der aktuellen Regelung ergeben sich aus Scholz‘ Sicht mehrere unerwünschte Effekte. Allen voran reduziere die unzureichende Verlässlichkeit das Vertrauen in die Technologie und die Investitionsbereitschaft. Außerdem könnten Unternehmen überdimensionierte Mittelspannungs-Anschlüsse bevorzugen – quasi als einzigen Ausweg, um der Gefahr der Leistungsbegrenzung im Niederspannungsnetz und dem damit einhergehenden Risiko für den eigenen Betriebsablauf zu entgehen. Die Alternative ist mit dem Bewusstsein zu leben, dass „14a“ irgendwann eintritt – und die Flotte eines Tages ohne oder nur mit unzureichend aufgeladenen Batterien dasteht.
Über einen Lösungsansatz hat Scholz mit seinem Team bereits nachgedacht – und zwar in Form einer „vernünftigen Ausnahmeregelung“. Ausgenommen sind bereits heute u.a. Feuerwehr, Polizei und THW. Scholz plädiert dafür, dass sich künftig Gewerbetreibende zwischen einer Drosselung und einem pauschalen Zuschuss zum Netzausbau entscheiden können sollen. „So wird jeder Betrieb in die Lage versetzt, selbst die Auswirkungen einer möglichen Drosselung vorab abzuwägen“, so Scholz. Wer sich „14a“ entzieht, soll aus Scholz‘ Sicht neben einem monetären Beitrag („zum Beispiel +10% zu den regulären Kosten der Leistungsbereitstellung“) auch zur Wahl eines variablen Stromtarif verpflichtet werden, der bei Spitzenbezug teurer ist. Denn auch das entfalte eine netzentlastende Lenkfunktion.
Scholz und sein Unternehmen betonen, dass sie die zum Jahreswechsel in Kraft getretene Gesetzesnovelle grundsätzlich begrüßen („es braucht Eingriffe ins Netz“), aber vor allem für entscheidende Akteure in der Mobilitätswende – zu denen er Logistiker, aber auch Handwerker und sonstige Flottenbetreiber zählt – nochmal nachgebessert werden müsse. Bei einem politischen Frühstück mit 21 Parlamentariern in Berlin sowie Vertretern von DPD und GLS machte Elexon jüngst auf das Dilemma aufmerksam. „Wir haben verdeutlicht, dass nicht die 4,2 kW das Problem sind, sondern dass bei eintretenden Gleichzeitigkeitsfaktor und den folgenden 1,89 kW die Ladevorgänge abbrechen können – und auch nicht mehr automatisch neu starten. Dessen waren sich die politischen Vertreter nicht bewusst, was ja verständlich ist. Sie sind ja keine Fachexperten“, so Scholz. Wichtig sei deshalb, dass bei solchen Gesetzen im Vorfeld künftig nicht nur Fahrzeughersteller, sondern auch Ladeinfrastrukturanbieter mit ihrer Praxiserfahrung angehört werden.
Quelle: Infos per E-Mail
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