electrive LIVE: Ein Blick in die Glaskugel des Ladens

Die Ladeinfrastruktur für Elektromobilität wächst rasant. Im öffentlichen wie privaten Umfeld ergeben sich daraus neue Geschäftsmodelle. Die großen Trends und Potenziale haben wir bei electrive LIVE mit Experten diskutiert – von BiDi-Laden über Flexibilität am Strommarkt bis Payment. Der Konferenzbericht.

electrive live maerz 2024 speaker

Mit der Elektromobilität wachsen die Sektoren Energie und Mobilität (endlich) zusammen. Dementsprechend spielen sich viele Vorträge der 37. Ausgabe unserer Online-Konferenz an dieser neuen Schnittstelle ab. Alles steht unter dem Motto „Future of Charging“. Steigen wir also direkt ein: Als ersten Speaker holt Moderator und electrive-Chefredakteur Peter Schwierz Moritz Fehlow auf die digitale Bühne. Bei seinem Arbeitgeber, Mer Deutschland, ist Fehlow für Energieprojekte sowie Grid & Energy Management zuständig. Seine Aussage ist klar: Nachhaltigkeit wird in der E-Mobilität signifikant Kosten sparen.

„Timing ist die halbe Miete!“

Die Begründung für diese These liefert Fehlow in seinem Vortrag: Er bezieht sich auf die „Herkunft“ des Stroms, nicht auf die Fahrzeug- und Batterieproduktion oder die Arbeitsbedingungen, unter denen auch die Rohstoffe produziert werden. Sprich: Wenn man den verfügbaren Ökostrom zum richtigen Zeitpunkt in die E-Auto-Batterien bekommt, wird es günstiger. Nicht nur, weil der Ökostrom selbst im Zeitraum des Überschusses günstig ist, sondern weil Lastspitzen in den Netzen vermieden werden – und damit der teure Netzausbau, den wir Endkunden alle über den Strompreis zahlen.

Das Prinzip der Stromnetze ist klar: Angebot und Nachfrage müssen sich immer die Waage halten, egal ob ein kleines Insel-Netz oder das europäische Verbundnetz. Der Strom muss in dem Moment verbraucht werden, in dem er erzeugt wird. „In der Vergangenheit war es so, dass wir einen Kraftwerkspark hatten und der Strom dann produziert wurde, wenn er gebraucht wurde. Mit den volatilen, erneuerbaren Energien müssen wir unseren Verbrauch an die Erzeugung anpassen“, sagt Fehlow. „Timing ist die halbe Miete!“

Auf die Elektromobilität übertragen heißt das: Konventionelles Laden, das zu 80 Prozent immer noch zu Hause stattfindet, sorgt für Lastspitzen zwischen 16 und 22 Uhr, wenn das E-Auto nach Feierabend an die Wallbox gehängt und sofort geladen wird. „Ladevorgänge im konventionellen Stil finden meist in den Zeiträumen statt, in denen es nicht ideal ist – das zeigt unsere jahrelange Erfahrung“, berichtet der Mer-Manager. „Wenn wir eine hohe Erzeugung haben und eine geringe Netzauslastung, sind die Kosten tendenziell niedrig. Wenn wir also in dieser Zeit smart laden, können wir viel Geld sparen.“

Nur muss das Fahrzeug dann auch in diesem Zeitraum an der Wallbox hängen. Die Smart-Charging-Lösung von Mer soll daher eine Art Kompromiss bieten, um das Laden in den Alltag der Nutzer zu integrieren. Ein Beispiel: Zum Start wird der Ladestand des Fahrzeugs automatisch ausgelesen und bei Bedarf eine Mindestreichweite sofort nachgeladen – alternativ kann der Nutzer selbst über einen „Notfall-Knopf“ das sofortige Laden starten. Alles, was über den Mindestbedarf hinausgeht, wird dann netzdienlich und kostenoptimiert in anderen Zeiträumen bis zur eingestellten Abfahrtzeit geladen.

Beim Blick in die Glaskugel des Ladens darf auch The Mobility House nicht fehlen – das Unternehmen hat bereits viele Belege für die technische Machbarkeit von smartem Laden geliefert. Marcus Fendt, CSO und Geschäftsführer bei TMH, geht daher sogar noch einen Schritt weiter als Fehlow und geht davon aus, dass das Laden von E-Autos sogar komplett kostenlos werden kann – also die große Vision „Zero zero“ des Unternehmens, null Emissionen bei null Kosten.

Bereits heute kann mit einem Lastmanagement eine Ersparnis von 250 Euro je Ladepunkt im Jahr realisiert werden, so Fendt. Sinnvoll sei ein Lastmanagement ab fünf bis zehn Ladepunkten. Aber auch Einzelnutzer mit nur einer Wallbox zu Hause können bereits kräftig sparen. So sorge der lange umstrittene §14a des Energiewirtschaftsgesetzes für Einnahmen von 160 Euro im Jahr, wenn man seine Wallbox vom Netzbetreiber dimmen lässt. Bei Bedarf kann der Betreiber die Wallbox von elf zwischenzeitlich auf 4,2 kW drosseln, um bei der Gefahr einer Überlastung das lokale Verteilnetz zu schonen – also etwa in den Spitzenzeiten des konventionellen Ladens aus Fehlows Vortrag. „In der Praxis werden solche Einschränkungen voraussichtlich nur geringfügig sein“, schätzt Fendt. Bei Wallboxen, die seit dem 1. Januar 2024 installiert wurden, haben die Nutzer ohnehin keine Wahl. Bei älteren Wallboxen könnte es sich aufgrund der 160 Euro und der geringen Einschränkungen laut Fendt auch lohnen – die passende Hardware vorausgesetzt.

„Flexibilität ist die neue Währung der Energiewirtschaft“

Die Ersparnis von 160 Euro kann The Mobility House laut Fendts Angaben auf bis zu 400 Euro pro Jahr erhöhen – und zwar dann, wenn die Kunden über den TMH-Dienst eyond laden. Dann werden die Ladevorgänge in jene Stunden geschoben, in denen der Strom günstig und/oder möglichst sauber ist. „Bei im Schnitt 15.000 Kilometern im Jahr können wir bis zu 250 Euro herausholen“, so Fendt. „Beim Dienstwagenfahrer ist das besonders interessant.“ Denn: Gegenüber dem Arbeitgeber wird bei der Abrechnung der Ladevorgänge zu Hause der fixe, marktübliche Stromtarif angegeben. Über eyond könne man beim Laden aber bis zu zehn Cent pro Kilowattstunde sparen – dennoch wird der volle Betrag erstattet. Da über den Dienst auch das PV-Laden mit der eigenen Solaranlage möglich ist, könne man die Ersparnisse weiter maximieren.

Der große Schritt wird aber nicht das optimierte Laden, bei dem der Strom nur in eine Richtung fließt, sondern das bidirektionale Laden mit Vehicle-to-Grid. Dann kann mittels der Elektroauto-Batterien etwa das Stromnetz stabilisiert werden, bevor Erneuerbare im Überschuss abgeschaltet werden müssen – was für direkte Einnahmen sorgt und indirekt beim geringeren Netzausbau ebenfalls spart. „Flexibilität ist die neue Währung in der Energiewirtschaft, nicht mehr die reine Kilowattstunde“, sagt Fendt.

Auch wenn es TMH zusammen mit Netzbetreibern und Autobauern bereits mehrfach in Pilotprojekten demonstriert hat, hat es Vehicle-to-Grid bisher kaum in Serienautos geschafft. Und falls es angeboten wird, stehen Hardware-Beschränkungen und hohe Preise dem Durchbruch im Weg – siehe etwa das bidirektionale Laden bei VW. Bald ist es aber keine Vision mehr: Noch in diesem Jahr wird die Renault-Marke Mobilize zusammen mit The Mobility House V2G in Deutschland und Frankreich anbieten – und zwar mit dem neuen Renault 5.

Dabei setzen die Franzosen auf eine AC-Lösung. Im Gegensatz zu der VW-Lösung ist keine teure DC-Wallbox nötig, die Mehrkosten für die bidirektionale AC-Wallbox schätzt Fendt auf etwa 300 Euro. Wird das Flexibilitäts-Potenzial dann entsprechend vermarktet, können die Fahrtkosten vor Kunde auf null sinken. Ist das Elektroauto an sich schon günstiger als der Verbrenner, können die Kosten mit eyond knapp halbiert werden. Quasi keine Fahrtkosten mehr zu haben und gleichzeitig die Netzintegration erneuerbarer Energien zu unterstützen, ist nicht nur gut für den Geldbeutel, sondern auch für das Klima.

Allerdings räumt Fendt ein, dass es sich bei der Renault-Lösung noch um kein offen zugängliches, diskriminierungsfreies Produkt handelt. „Viele Dinge werden erstmal im Kleinen proprietär mit einem Hersteller entstehen und sich entwickeln. In dieser Zeit kann man lernen und den Standard vorantreiben“, so Fendt. „Das Wichtige ist, dass es jetzt los geht! Die Interoperabilität schleift sich erst ein, wenn die Industrie beginnt, Dinge zu produzieren. Als die Schnelllader aufgebaut wurden, gab es anfangs einige Fahrzeuge, die mit einer bestimmten Ladesäule nicht kompatibel waren. So wird es auch bei V2G laufen: Am Anfang wird es ruckeln, die Probleme werden dann aber auch schnell ausgeräumt. Es kommt immer erst die Idee und dann die Standardisierung dahinter.“

Lade-Hotspots an Autobahnen und in Metropolen

Bevor wir in der Glaskugel weiter in die Zukunft blicken, darf man auch den Ist-Zustand nicht aus den Augen verlieren. Diese Zahlen liefert Ludwig Hohenlohe, Geschäftsführer von Charging Radar, im dritten Vortrag. Das Unternehmen analysiert weltweit den Lade-Markt, jedoch mit Fokus auf Europa. Dabei werden nicht die behördlich gemeldeten Ladesäulen erfasst, sondern die ESVEs direkt aus den Backends der Betreiber. Daher gibt es nicht nur die reine Anzahl der Ladepunkte, sondern auch Infos zu deren Belegung.

Auch wenn sich die Datengrundlage leicht unterscheidet, ist das Ergebnis recht ähnlich zu den Zahlen und vor allem grundlegenden Trends der Bundesnetzagentur: In Deutschland gibt es derzeit rund 125.000 (halb-)öffentliche Ladepunkte, davon sind mit über 97.000 AC-Ladern die Wechselstrom-Ladepunkte in der deutlichen Mehrheit (78 Prozent). Bei DC (25.256 Ladepunkte) gibt es ein starkes Wachstum, insbesondere bei den HPC – DC-Ladern mit 50 bis 149 kW sind mit zwei Prozent inzwischen die Ausnahme, so Hohenlohe.

Wichtig ist aber nicht nur die Zahl der Ladepunkte und deren Standorte (in Summe knapp 41.000), sondern eben auch die Frequenz, mit denen diese Ladepunkte genutzt werden und wie viel Strom je Session bezogen wird. So haben sich Hotspots in den großen Metropolen und entlang der wichtigsten Autobahnen gebildet, wie eine Heatmap aus dem Datenbestand von Charging Radar zeigt. Berlin, Hamburg, der Ballungsraum um Rhein und Ruhr, Frankfurt, Stuttgart und München stechen auf der Karte deutlich hervor. „Aber der Nordosten Deutschlands zeigt in der Fläche noch wenig Ladeaktivität“, sagt Hohenlohe zu der Lücke.

Alleine die Top-5-Städte machen knapp 20 Prozent aller Ladevorgänge aus. Auch dort zeigt sich etwa, dass die an DC-Ladern bezogene Energiemenge deutlich zunimmt. Die höchste Auslastung der Ladepunkte hat aber München, aber eher aus unrühmlichen Grund. In der Landeshauptstadt Bayerns gibt es verhältnismäßig wenig DC-Lader und an den vorhandenen AC-Ladepunkten wird einfach länger gestanden als am Schnelllader.

Sich auf AC-Lader zu fokussieren, da Autos ohnehin die meiste Zeit des Tages stehen, ist mit der Erfahrung von Charging Radar für die Städte aber auch kein leichter Weg. „Verwaltungen haben städtebaulich das Problem, dass öffentliche AC-Lader in der Masse schwierig zu realisieren sind. Ladevorgänge wechseln daher in den halböffentlichen Raum, etwa auf die Parkplätze des Einzelhandels. Die Ladeleistung orientiert sich dann aber an der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer in dem halböffentlichen Raum – also sind es in der Regel Schnelllader“, berichtet der Lade-Experte. Die Daten zeigen: Supermärkte, die Fahrstrom anbieten, haben während ihren Öffnungszeiten überdurchschnittlich hohe Auslastungen der Ladepunkte. Ein Geschäftsmodell, das sich also lohnen könnte: „Im (halb-)öffentlichen Raum gibt es eine starke Tendenz in Richtung DC, weil die Menschen das einfacher in ihren Alltag integrieren können.“

In dem Doppel-Vortrag mit Hohenlohe stellt auch Arne Meusel, Geschäftsführer von Cirrantic, die neue Wallet-Lösung seines Unternehmens vor. In dieser digitalen Wallet können CPO und MSP ihre Ladedienste anbinden und so einem größeren Publikum als dem eigenen zugänglich machen.

Wie kann das Payment nutzerfreundlich werden?

„Es gibt schon x Varianten, wie man an der Ladesäule zahlen kann. Braucht es noch mehr Varianten und mehr Offenheit? Oder können wir es nutzerfreundlich wieder in einer Wallet zusammenführen?“, fragt Meusel. Er betont, dass es aber die Ladedienste der jeweiligen Anbieter bleiben und nicht in das Cirrantic-Angebot unter dem Label Moovility übergehen. Moovility soll aber die zentrale Anlaufstelle für die Endnutzer werden – von der Routenplanung über die eigentliche Fahrt bis zum Laden. Dort werden die Ladepreise zentral dargestellt, auch dynamisches Pricing könnte möglich sein, um die Auslastung zu steuern.

Im vergangenen Jahr gab es eine „Wallet Special“-Aktion gemeinsam mit Visa. Visa herausgebende Banken haben dafür geworben und so eine große Zielgruppe außerhalb der eMobility-Bubble erreicht. Das Angebot war Laden für 0,35€/kWh, wenn der Ladevorgang Ad hoch mit einer Visa-Karte gestartet wird. „An über 16.000 Ladepunkten wurde Strom für zwei Millionen Kilometer geladen“, berichtet Meusel. „Und vor allem haben wir an einigen Standorten erreicht, dass im Aktionszeitraum anstatt der sonst marginalen Anteile 40 Prozent aller Ladevorgänge ad hoch gestartet wurden.“

Für den vierten und letzten Vortrag dieser Ausgabe von electrive LIVE ist Max Brandt aus Dänemark zugeschaltet. Der junge Deutsche ist CEO und Mitgründer von FLEXeCHARGE mit Hauptsitz in Kopenhagen. Das Unternehmen bietet seinen Kunden, den Charge Point Operators, etwa ein Lastmanagement an – entweder aus der Cloud heraus oder lokal, je nach Anlage vor Ort. Jenes Lastmanagement ist auch der Ausgangspunkt für alle Software-Dienste. Beim Lastmanagement selbst sind laut Brandt die Innovationen quasi ausgeschöpft. Nach den unterschiedlichsten Ladestationen werden jetzt stationäre Speicher nach dem Plug&Play-Prinzip integriert, das war es dann aber. Die Steuer-Algorithmen an sich stehen.

FLEXeCHARGE arbeitet aber mit seinen Kunden daran, das Lastmanagement nicht nur Standort-spezifisch zu betrachten, sondern das gesamte Portfolio eines Anbieters – egal ob es nun sieben E-Bus-Depots mit jeweils vielen Ladepunkten je Standort sind oder ein CPO viele, einzelne HPC-Standorte betreibt. Ein Vorteil für den Kunden: Es gibt einen zentralen Zugang, über den er seine Ladesysteme kontrollieren und auch konfigurieren kann. Doch das ist nur eine Seite.

Flexibilität selbst kann vermarktet werden

Was sich aber im Hintergrund ergibt, nennt Brandt „Virtual Power Plant“-ready. „Damit können wir sehr genaue Vorhersagen treffen, was den Bedarf und die Flexibilität angeht. Wenn wir ein sehr großes Portfolio haben mit zum Beispiel 1.000 Ladepunkten und mehreren Megawatt Ladeleistung, können wir den Bedarf genau erfassen und über einen zentralen Endpunkt in unserer Plattform steuern“, erklärt der junge Gründer.

Daraus ergeben sich zwei Potenziale, die vermarktet werden können. Zum einen gibt es an der Strombörse sehr volatile Preise, vor allem im Day-Ahead- und Intraday-Markt. Je genauer man den eigenen Bedarf zu einem gewissen Zeitpunkt kennt, desto besser kann man den Stromeinkauf steuern – und günstig genau das kaufen, was man auch benötigt. „Gegebenenfalls kann man auch in Echtzeit gezielt die Ladeleistung etwas reduzieren. Wenn der Betreiber für vielleicht zehn Minuten die Ladeleistung um ein oder zwei Kilowatt drosselt, bekommt das der Fahrer kaum mit – über die Summe aller Ladepunkte eines Betreibers ergibt sich aber eine große Flexibilität und Leistung, die bei einer Spitze eingespart werden kann.“

Und zum anderen kann die Flexibilität selbst vermarktet werden. Ähnlich zu den 160 Euro für die Steuerbarkeit der heimischen Wallbox können so konstante Umsätze erzielt werden, tatsächlich muss die Flexibilität aber nur selten genutzt und Ladevorgänge etwas eingeschränkt werden. „Das kann man für eigene, finanzielle Vorteile nutzen, um schneller an den Break-even zu kommen. Oder man gibt diese Flexibilitäts-Vorteile an die Fahrer weiter“, berichtet Brandt. „Auf alle Fälle sorgt es für eine bessere Integration von Erneuerbaren ins Netz und einen geringeren Netzausbau.“

In der abschließenden Panel-Diskussion stellt Moderator Schwierz die Frage in den Raum, ob sich Deutschland mit seinem komplexen System aus über 800 Netzbetreibern selbst ausbremst oder ob eine Konsolidierung her müsste? Laut TMH-CSO Fendt ist das „illusorisch“. „Ich bin seit 20 Jahren in der Branche unterwegs. Es ist gar nicht notwendig, Verteilnetzbetreiber oder Stadtwerke zu konsolidieren. Es reicht, wenn man Standards in den Systemen schafft. Ein System, über das ich Netzanschlüsse beantragen kann und alle hängen sich dran, damit wäre schon viel getan.“

Brandt sieht „sehr viel Unklarheit“ in Deutschland

Mer-Energie-Experte Fehlow pflichtet dem bei: „Am Ende zählt für uns das Ergebnis. Wie das erreicht wird, ist uns egal – ob durch Konsolidierung oder einheitliche Systeme. In unserer täglichen Arbeit bremst es aber enorm, mit so vielen Verteilnetzbetreibern agieren zu müssen.“ Er bemängelt, dass es zwar Vorgaben zur Vereinheitlichung gibt, das aber nicht umgesetzt wird.

Mit der Sicht aus Kopenhagen und mit vielen skandinavischen Kunden gibt Brandt an, dass er in Deutschland „sehr viel Unklarheit“ sehe. „Es ist oft nicht klar, wie Dinge umgesetzt werden sollen, etwa der §14a. In Dänemark gibt es mit TSO einen zentralen Netzbetreiber und bei einer neuen Regulierung ist schnell klar, wie ein zentrales Interface aussieht. Wenn es 800 Betreibern offengelassen wird, wie sie das Interface gestalten, fehlt die Klarheit“, so der FLEXeCHARGE-CEO. „Das kann auch vom Gesetzgeber vorgegeben werden und die Netzbetreiber setzen nur noch um.“

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Marcus Fendt wiederholt daraufhin das Mantra aus seinem Vortrag: Loslegen und lernen. „Wir sind bei drei Prozent Elektrifizierung. Die Masse der Menschen hat noch gar nicht mitbekommen, was wir hier tagtäglich diskutieren“, so Fendt. „Natürlich bekommen wir das hin, aber es wird am Anfang nicht alles rund laufen. Wenn wir dann bei den zehn Prozent Elektrifizierung sind, ist das längst etabliert und es wird Probleme wie heute nicht mehr geben.“

Cirrantic-Geschäftsführer Arne Meusel überträgt diese Aussage auch auf die Bezahl-Debatte: „Es werden einzelne Varianten gedacht, die an sich gut sind. Vor dem Nutzer tauchen aber zehn Varianten auf, registrieren, scannen, nur das Kabel einstecken etc. Selbst ein bekanntes Kreditkarten-Terminal ist beim Laden nicht ohne Herausforderung, da ich zum Beispiel mein Ladeverhalten nicht ohne Umwege tracken kann. Wir verwirren im Moment den Nutzer noch mehr mit an sich gut gedachte Einzellösungen. Da müssen wir alle in der Branche überlegen, wie wir das besser machen können.“

Datengetriebener Ausbau statt Prinzip Gießkanne

Dass bereits losgelegt wird, verdeutlicht Ludwig Hohenlohe nochmals: „Der Ausbau muss vorangehen und das tut er auch – das zeigen die Zahlen und kommt auch immer mehr in der Breite an. Der Blick in die digitale Welt trägt dazu bei, dass bedarfsgerecht ausgebaut wird und nicht nach dem Prinzip Gießkanne. Das ist politisch vielleicht einfach zu kommunizieren, aber inhaltlich falsch.“

Er warnt aber vor eine AC-vs-DC-Debatte. Auf der einen Seite werden die DC-Ladeleistungen immer höher und die Ladezeiten damit immer kürzer. Andererseits: „Wo heute schon viel nachgefragt wird, ist es wahrscheinlich, dass sich auch ein Zubau lohnt, um Geld zu verdienen.“ Und wenn das ein großer AC-Parkplatz ist, dann lohnen sich wegen der Verweildauer dort wohl auch viele, günstige AC-Ladepunkte. Und wie wir bei electrive LIVE gelernt haben: Solange diese mit einem Lastmanagement gesteuert und die Flexibilität per Vehicle-to-Grid gut vermarktet wird, kann das sogar richtig günstig sein.

1 Kommentar

zu „electrive LIVE: Ein Blick in die Glaskugel des Ladens“
erFahrer
19.03.2024 um 08:37
Vielen Dank für die vielen interessanten Einblicke. MER hat auch einen guten Punkt eingebracht. Ob allerdings gerade dies Firma die so viel Vertrauen über so lange Zeit permanent zerstört hat, hier die Richtige ist. Kommunalpolitische Erde so verbrannt das erstmal länger auch nichts mehr nachwächst. Und heute? Gäbe es eine Auszeichnung für unverschämte Ladepreise, MER wäre auch heute bei den Favoriten zu finden. Wie lautet der Satz? Die Worte höre ich, doch der Glaube daran ist vertane Zeit. leider auch hier bei electrive.

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