Großraum Paris testet 24-Meter-Elektrobus mit bodenbasiertem Ladesystem

In der französischen Hauptstadtregion Île-de-France finden erste Testfahrten mit einem elektrischen Doppelgelenkbus statt, der mit einem bodenbasierten konduktiven Ladesystem von Alstom ausgestattet ist. Die ÖPNV-Behörde Île-de-France Mobilités plant die Anschaffung einer ganzen Flotte der 24 Meter langen E-Busse.

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Bild: Alstom

Das Testfahrzeug nennt sich Tzen 4 und wurde von einem Konsortium der Unternehmen Van Hool, Kiepe Electric und Alstom für Île-de-France Mobilités entwickelt. Dass sich die ÖPNV-Behörde für den Großraum Paris für diesen zweigelenkigen Elektrobus interessiert, ist seit 2021 bekannt. Nun hat ein 24 Meter langes Exemplar seine erste Fahrt im Busbetriebszentrum in Corbeil-Essonnes unternommen.

Die Busse an sich stammen von Van Hool, das Batteriesystem von Kiepe Electric und das sogenannte SRS-System – also die bodenbasierte Ladelösung – von Alstom. Letztere hatte der französische Konzern bereits 2019 angekündigt. Es handelt sich um ein statisches Ladesystem mit Bodenkontakt, „das die Bordgeräte automatisch, mit sehr hoher Leistung und in nur wenigen Minuten auflädt“, wie Alstom mitteilt. Das Aufladen könne entweder bei einem Halt auf einer Buslinie während des Betriebs oder auf einem Betriebshof erfolgen.

Es handelt sich bei der neuen Ladelösung konkret um eine Weiterentwicklung eines Alstrom-Ladesystems für Straßenbahnen. Als Vorteil des SRS-Systems bezeichnet Alstrom, dass keine oberirdische Infrastruktur benötigt wird und das System sowohl modular als auch kompatibel mit allen Arten von Elektrobussen ist. „Seit mehr als 20 Jahren entwickelt und implementiert Alstom oberleitungsfreie statische und dynamische Bodenladelösungen – APS für Straßenbahnen und SRS für Straßenbahnen und Elektrobusse“, so Jean-Baptiste Eyméoud, Präsident von Alstom Frankreich. Diese Lösungen würden in einem Dutzend Städten auf der ganzen Welt eingesetzt. „Heute freue ich mich über diese Weltpremiere: die erste Fahrt des Busses Tzen 4, der zu 100 % elektrisch ist, mit zwei Gelenken fährt und dank unseres bewährten und innovativen SRS-Systems am Boden aufgeladen wird.“

Die genaue Ladeleistung nennt Alstom nicht. 2019 war in Verbindung mit einem in der spanischen Stadt Málaga präsentierten 12-Meter-Prototyp von 200 kW die Rede. Forciert wurde die Entwicklung des Systems unter anderem im Zuge eines von Alstom geleiteten früheren Pilotprojekts namens PALOMA (Prototype for Alternative Operation of Mobility Assets).

2021 kristallisierte sich dann Île-de-France als Hotspot für den ersten kommerziellen Einsatz der Technologie heraus. Die ÖPNV-Behörde Île-de-France Mobilités gewährte dem Konsortium von Van Hool, Kiepe Electric und Alstom den Zuschlag, um eine Flotte der E-Doppelgelenkbusse zu bauen. Die extralangen Exemplare sollen auf zwei neuen Bus Rapid Transit-(BRT)-Linien zwischen Viry-Chatillon und Corbeil-Essonnes sowie zwischen Paris und Choisy-le-Roi zum Einsatz kommen. Zur Anzahl der Busse gab es zunächst keine Angaben. Im Frühjahr 2022 folgte aber ein Rahmenvertrag, in dem Île-de-France Mobilités die Option zugesprochen wurde, mindestens 56 Einheiten zu bestellen. Genannt wurde damals aber nur die Mindestanzahl, eine Obergrenze oder der finanzielle Umfang des Rahmenvertrags wurden nicht erwähnt.

Laut den damaligen Angaben von Île-de-France Mobilités handelt es sich um die ersten 24 Meter langen E-Doppelgelenkbusse in der Hauptstadtregion. Die Fahrzeuge sollen die Vorteile einer Tram mit denen von Straßenbussen verknüpfen und rund 140 Passagiere befördern können. Auf den genannten Strecken pendeln die Busse größtenteils auf eigenen Fahrspuren und erhalten Vorrang an Ampeln. Die auf den Namen Tzen 4 getaufte Linie zwischen Viry-Chatillon und Corbeil-Essonnes soll die bisherige Linie 402 ersetzen – die derzeit meistbefahrene Linie im Großraum Paris. Die zweite Linie – Tzen 5 – ist eine neue Busroute, die das 13. Arrondissement von Paris über Ivry-sur-Seine und Vitry-sur-Seine in knapp 33 Minuten mit Choisy-le-Roi verbinden wird.

Inwiefern die kürzlich erfolgte Ankündigung des belgischen Busherstellers Van Hool, die Produktion und den Verkauf von Stadtbussen komplett einzustellen, das Projekt gefährdet, ist nicht bekannt. Das Unternehmen sieht bekanntlich keine Chancen mehr, im Segment der zunehmend elektrischen Stadtbusse konkurrenzfähig zu sein. Die wirtschaftliche Lage ist zudem wohl sehr angespannt.

alstom.com

2 Kommentare

zu „Großraum Paris testet 24-Meter-Elektrobus mit bodenbasiertem Ladesystem“
Busfreak123
15.10.2024 um 11:47
Wie funktioniert diese Ladevorrichtung im Boden genau? Gibt’s da nicht Probleme wegen Verschmutzungen ? Dreck von der Straße und Regen könnte ein Problem werden. Wie sieht’s aus im Winter mit Schnee, Streusalz usw. ? Denke das diese Station sicher beheizt ist (ähnlich wie z.B. Weichen) Bin mal gespannt auf einen Bericht nach längerer Einsatzzeit
Spüler
15.10.2024 um 12:33
Induktive Systeme sind bei Bussen nicht neu, unter anderem seit 2014 in Braunschweig als "emil" im Einsatz. Das Pentografen-System scheint sich aber eher durchzusetzen, jedenfalls ist es recht ruhig um die Induktionsladung in den letzten Jahren geworden. Tierbau ist teurer und birgt die von Dir genannten Gefahren mit Laub, Schnee und Co.

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