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Bild: Volkswagen
InterviewInfrastruktur

Wann und wie kommt Vehicle-to-Grid? 6 Fragen an Jan Figgener

Angekündigt ist es schon lange, die Machbarkeit demonstriert und dennoch kommen erst jetzt die ersten Elektroautos mit Vehicle-to-Grid und Vehicle-to-Home auf den Markt. VW und BMW setzen dabei aber auf eine DC-Lösung, Renault etwa auf AC. Wohin geht also die Reise? Jan Figgener, einer der Leiter der Konferenz Vehicle-to-grid, Vehicle-to-home und Smart Charging, gibt einen Ausblick.

Die Vorteile des bidirektionalen Ladens sind klar: Zu Hause kann der Strom aus dem E-Auto-Akku genutzt werden, um elektrische Geräte zu betreiben – nicht nur im Falle eines Stromausfalls, sondern etwa abends, wenn das Elektroauto tagsüber mit Sonnenstrom aus der eigenen PV-Anlage geladen wurde. Und nutzt man den Strom nicht selbst, sondern speist ihn ein, stabilisiert das die Netze, kann die Kosten für den nötigen Netzausbau senken und bringt zudem noch Einkünfte.

Was schon als Traum-Szenario direkt mit den ersten Elektroautos angekündigt wurde, geht nun in die Umsetzung. Von der Utopie in die Realität. Und es ist ein Schritt, den die Autobranche nicht alleine gehen kann – an der Entwicklung und Umsetzung sind auch Energieversorger und Netzbetreiber maßgeblich beteiligt.

Am 10. und 11. April findet in Münster in Kooperation mit dem Haus der Technik die Konferenz Vehicle-to-grid, Vehicle-to-home und Smart Charging statt – mit Vorträgen, Diskussionen und natürlich auch dem fachlichen Austausch neben der Bühne. Wir haben vorab mit Jan Figgener, einem der Konferenzleiter, gesprochen.

Viele Pilotprojekte haben schon die technische Machbarkeit von Vehicle-to-Grid und bidirektionalem Laden allgemein belegt – es funktioniert also. Der große Durchbruch in Serienfahrzeugen ist aber bisher ausgeblieben. Fehlt es an einem sicheren Rechtsrahmen? Oder stand V2G bei der Autoindustrie bisher noch nicht im Fokus, weil sie andere Schwerpunkte bei ihren ersten E-Autos hatten?

Tatsächlich hat der Marktstart etwas länger gedauert, als sich viele Personen gewünscht haben. Dennoch gibt es seit diesem Jahr nun die ersten Angebote von Automobilherstellern und Aggregatoren und viele weitere Lösungen und Kooperationen sind für die nahe Zukunft angekündigt. Der Schritt in die Serie passiert also genau jetzt. Dazu mussten und müssen auf der einen Seite einige technische Herausforderungen gelöst werden, weil Mobilität und Energie bisher noch zu oft getrennt gedacht werden. Die ersten Lösungen sehen hier aber bereits gut aus und viele innovative Unternehmen entwickeln diese weiter.

Auf der anderen Seite sehen wir auf regulatorischer Ebene weitere Probleme. So erschweren abweichende Anmeldeprozesse und verschiedene technische Anforderungen vieler Netzbetreiber eine Skalierung der Technologie. Auch besteht noch immer ein Unterschied bei Umlagen und Abgaben zwischen einem Heimspeicher und einem bidirektionalen PKW, was einige Geschäftsmodelle stark beeinflusst. Wir blicken aber optimistisch in die Zukunft, weil Hersteller, Politik und Netzbetreiber aktiv an Lösungen arbeiten.

Geht die Reise bei Vehicle-to-Grid zu AC-Lösungen bei der das Auto wieder Wechselstrom ins Netz einspeist? Bei Vehicle-to-Home könnten ja DC-Lösungen geeigneter sein, um die E-Auto-Batterie in das eigene Microgrid mit PV-Anlage und Heimspeicher einzubinden.

Während vor ein paar Jahren noch sehr viel über DC gelöst wurde, sehen wir mittlerweile immer mehr AC-Lösungen. Gerade beim intelligenten Laden ist AC die offensichtliche Lösung und da ist der Schritt zum bidirektionalen Laden naheliegend.

Ich würde die Frage AC vs DC auch unabhängig vom Anwendungsfall bewerten. Bei Vehicle-to-Home sind zwei Dinge wichtig: Die Fahrzeuge müssen einen sehr geringen Standby-Verbrauch aufweisen und gleichzeitig bei niedrigerer Leistung effizient entladen. Wenn ich bei heutigen Fahrzeugen zum Teil mehrere hundert Watt Verlustleistung habe, kann ich nicht sinnvoll einen Haushalt mit ebenfalls wenigen hundert Watt Verbrauch versorgen. Es braucht also Pkws mit sehr geringen Standby-Verlusten von wenigen Watt und neue Wechselrichter. Ob diese Wechselrichter nun im Pkw oder in der Ladestation sind und wir somit von AC- oder DC-Ladung sprechen, ist am Ende nicht entscheidend.

Welche Auswirkungen hat bidirektionales Laden, egal ob ins Netz oder ins Eigenheim eingespeist wird, auf den Akku? Altert er aufgrund der zusätzlichen Ladezyklen schneller? Oder was sind die Herausforderungen für die Batteriezelle und das Batteriemanagement?

Hier unterscheiden sich die Belastungen nach Anwendungsfall, generell kann aber Entwarnung gegeben werden. Batterien altern sowohl kalendarisch (auch ohne Betrieb) als auch zyklisch (aktives Laden und Entladen). Dabei führen hohe Ladezustände und Temperaturen zu einer beschleunigten kalendarischen Alterung und hohe Ladeströme und hohe Zyklustiefen zu einer beschleunigten zyklischen Alterung.

Nun passiert bei der bidirektionalen Einbindung Folgendes: Bei den meisten Einsatzgebieten sinkt der durchschnittliche Ladezustand gegenüber der üblichen Vollladung nach Ankunft, was die kalendarische Lebensdauer verlängert. Zeitgleich erhöht sich die zyklische Alterung durch den zusätzlichen Energiedurchsatz. Diese Alterung hat aber lediglich einen geringen Einfluss auf die Lebensdauer, weil die meisten Zyklustiefen sehr klein sind und die Fahrzeuge in der Regel auch für deutlich mehr Zyklen ausgelegt sind, als für die Mobilität benötigt werden. Solche kleinen Zyklustiefen sehen wir vor allem bei der Versorgung des Haushalts mit Energie und der Frequenzstabilisierung.

Anders kann es bei der Versorgung eines Gewerbebetriebs mit hohem Verbrauch oder im Strommarkthandel sein, bei dem der Erlös durch den Energiedurchsatz kommt. Solche Einsatzgebiete können zu vielen zusätzlichen Zyklen mit hohen Zyklustiefen führen, bei denen beschleunigte Alterung auftreten kann. Hier müssen Betriebsstrategien so ausgelegt sein, dass ein vorzeitiges Altern der Batterie verhindert wird, was aber mit moderner Analytik und guten Energiemanagementsystemen möglich ist. Zusätzlich muss in vielen Fällen die Leistungselektronik des Fahrzeugs eingeschaltet bleiben. Das führt zu mehreren tausend Betriebsstunden pro Jahr, was für heutige Modelle herausfordernd sein kann, aber kein generelles Hindernis für die zukünftige bidirektionale Fahrzeugeinbindung darstellt.

Und wie sieht es bei den Netzbetreibern und Ladeinfrastrukturbetreibern aus? Wo sehen Sie da die Hürden?

In Deutschland haben wir Netzbetreiber in sehr unterschiedlicher Größe. Gerade kleinere Betreiber kommen personell bei allen Änderungen der Energiewelt schnell an ihre Grenzen. Schließlich kommen Speicher, PV-Anlagen, Wärmepumpen und eben auch Elektroautos mit ins System. Hier müssen standardisierte Prozesse geschaffen werden, damit alle Akteure ein einheitliches Interface vorfinden. Gerade für kleinere Netzbetreiber wird die Rolle von Dienstleistern daher weiter wachsen. Bei Ladeinfrastrukturbetreibern sind wir eigentlich sehr optimistisch, da viele Unternehmen sich schon seit langem mit der Thematik beschäftigen. Der Fokus wird dabei aber erst einmal auf dem privaten Raum liegen, da beim öffentlichen Raum die Regulatorik noch einmal herausfordernder ist.

Tanken war für den Kunden einfach, das Laden an der eigenen Wallbox ist es auch – solange der Strom nur vom Netz in den Akku fließt. Wie kann Vehicle-to-Grid für den Kunden so einfach wie möglich gestaltet werden? Und was ist – Stichwort Systemintegretion – dazu im Hintergrund alles nötig?

Um Vehicle-to-Grid in der breiten Masse zum Durchbruch zu verhelfen, muss alles möglichst einfach sein. Das Fahrzeug oder die Ladestation müssen selber entscheiden, wann ge- und entladen werden soll und dabei die Mobilitätsbedürfnisse von Besitzer:innen berücksichtigen.

Technologieenthusiasten schauen sich zwar vielleicht eine tägliche Preiskurve an und optimieren ihr Verhalten dagegen, aber das eigentliche Ziel ist, dass Nutzer:innen gar nicht bemerken, dass ihr Fahrzeug gerade intelligent be- und entlädt. Der Unterschied macht sich dann vor allem im Portemonnaie bemerkbar, da die zusätzliche Fahrzeugnutzung Erlöse generiert, die mehreren hundert Euro pro Jahr entsprechen können. Heutzutage ist dafür eine Steuerungslogik und ein entsprechender Stromvertrag notwendig.

Bei der Tagung sprechen Vertreter der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur, zahlreicher Hardware- und Software-Anbieter und auch aus der Forschung. Welche Erwartung haben Sie an die Tagung? Was werden die wichtigsten Themen sein – auf der Bühne und in den Gesprächen drumherum?

Die Tagung ist stets durch einen sehr offenen Austausch geprägt, bei der nicht nur Lösungen, sondern auch Herausforderungen präsentiert werden. Der Fokus liegt derzeit ganz klar auf Unternehmen, die führend in dem Bereich tätig sind und neben vielen Pilotprojekten nun auch erste großflächige Marktlösungen vorstellen. Dadurch wächst das Verständnis der Akteure für die Probleme der anderen und es kann gemeinsam an einer Lösung gearbeitet werden. Aber auch kritische Diskussionen sind an der Tagesordnung: Beim letzten Mal wurden beispielsweise die Komplexität der gesamten Kommunikationskette, Abschätzungen zum Erlöspotenzial, die Konkurrenz von AC vs. DC und natürlich regulatorische Hindernisse diskutiert. Wir sind gespannt, was dieses Jahr noch an Themen dazukommt. Für Teilnehmende bietet die Veranstaltung darüber die Möglichkeit, sich inoffiziell mit Akteuren auszutauschen und gemeinsam Ideen zu entwickeln. Dafür eignen sich sowohl die eingeplanten Diskussionsslots als auch die Pausen und natürlich auch die gut besuchte Abendveranstaltung.

Herr Figgener, wir danken für das Gespräch!

Das Interview ist Teil der Medienpartnerschaft von electrive und der Vehicle-2-Grid Conference am 11. & 12. April in Münster.

2 Kommentare

zu „Wann und wie kommt Vehicle-to-Grid? 6 Fragen an Jan Figgener“
Hansruedi Würsch
22.03.2024 um 07:46
V2H Rückspeisung bei Stromausfall scheint ein Traum zu sein der aber mit der Standard Konfiguration von V2H nicht geht, da Rückspeisung ins stromlose Netz nicht zulässig ist. V2H als Notstrom bedingt dass dass der Onboard oder Offboard Konverter"Blackstart" fähig ist & eine Netz/Insel Umschaltung nach VDE ARN 4105 zugefügt wird. info@smart-bi-charge .ch Ambassador V2X AC Onboard integriert
E. Wolf
09.08.2024 um 19:33
@Würsch, das ist alles so nicht ganz richtig."Rückspeisung " in das Hausnetz ist dann zulässig, wenn es vom allgemeinem Netz am Hausanschlußpunkt getrennt wurde, daher der Begriff "Inselnetz".Richtig, ist, das der Konverter (AC OnBoardCharger bzw. DC-BiDi-Wallbox) netzbildend sein muß. Dies wird ein AC OnBoardCharger nie sein, viel zu teuer und komplex für den eAuto Hersteller. Bei der DC-BiDi-Wallbox sehr wohl machbar, hat Wallbox.com mit der Quasar II auf der Intersolar 2023 eindrucksvoll auf dem Messestand live vorgeführt.Die VDE AR 4105 hat nun mal gar nichts damit zu tun, diese Norm beschreibt das Verhalten von Erzeugern und Speichern am Netz, also Netzparallel.Festhalten läßt sich in jedem Fall, das DC-BiDi um einiges einfacher lokal zu realisieren sein wird. Ein eAutoHersteller mit dem Wunsch ein "Welt-"Auto zu produzieren, wird die Finger von einer AC OnBoardCharger Lösung lassen. Wer es nicht glaubt sollte einmal Mäuschen spielen dürfen, bei der nächsten costreduction-Runde mit den Controllern im Unternehmen.

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