Daimler Buses setzt bei E-Bussen künftig auf Synergien mit E-Lkw
Till Oberwörder sieht „den Markt nach der Pandemie zurück“. Der CEO von Daimler Buses präsentierte jüngst die Jahreszahlen für 2023, die einen merklichen Aufschwung bei Umsatz, Gewinn und Rendite zeigen. An die Ergebnisse der Vor-Corona-Zeit kommt der Bushersteller allerdings noch nicht heran. Dazu weiter unten einige Details. Relevanter für uns: In einer Fragerunde mit Journalisten ließ sich Oberwörder auch einige Learnings und Ausblicke zur eMobility-Strategie des Unternehmens entlocken. Vor allem sollen E-Busse und E-Lkw des Konzerns unter technischen Gesichtspunkten näher zusammenrücken.
Aktuell hat Daimler Buses im strombetriebenen Stadtbussegment den 2018 eingeführten eCitaro als Solo- und Gelenkvariante im Angebot. Neben dem Modell mit NMC-Batterien gibt es den eCitaro auch mit Feststoffbatterien und seit Mitte 2023 mit Brennstoffzellen-Range-Extender („eCitaro Fuel Cell“). Oberwörder zufolge wurden im vergangenen Jahr rund 500 eCitaros abgesetzt. Das waren zwar etwa 50 mehr als 2022, aber 100 bis 150 weniger als für das Jahr eigentlich angestrebt. Der Anteil vollelektrischer Fahrzeuge am Gesamtabsatz von Daimler Buses in Europa lag 2023 damit bei rund 6,3 Prozent. Oberwörder versichert zwar, dass „die Transformation unserer Branche in vollem Gange ist und die Nachfrage nach umweltfreundlichen Verkehrsmitteln kontinuierlich steigt“. Noch spiegelt der Elektro-Anteil am Absatz dies allerdings nicht wider.
NMC-Batteriechemie klar im Fokus
Oberwörder äußert auf electrive-Anfrage darüber hinaus, dass für den eCitaro mit Feststoffakku eine „reduzierte Nachfrage“ vorliege und die beiden Varianten mit NMC-Batteriechemie klar im Fokus stünden. Mit dem Interesse am neuen eCitaro Fuel Cell zeigt sich der Topmanager dabei „sehr zufrieden“. Durch den BZ-Range-Extender kommt diese Version auf eine Reichweite von rund 400 Kilometern, was gegenüber den 280 Kilometer des klassischen eCitaro auch lange Umläufe im ÖPNV ohne Zwischenladen abdecken soll. Der eCitaro Fuel Cell ist seit Mitte 2023 erhältlich. Welcher Anteil der rund 500 im vergangenen Jahr abgesetzten Daimler-Elektrobusse auf diese Variante entfielen, schlüsselt der Hersteller nicht auf.
Dafür betont Oberwörder, dass die Beschäftigten von Daimler Buses künftig verstärkt mit den Kollegen des Daimler-Truck-Konzerns zusammenarbeiten werden. Man habe vor, „den E-Antriebsstrang, Komponenten und Technologien, wo immer möglich, mit den elektrisch angetriebenen Lkw des Daimler Truck-Konzerns zu teilen“, so der Topmanager. Ein Ansatz mit Potenzial – das finden auch andere: Mit der Volvo Group hat erst dieser Tage ein Konkurrent einen elektrischen Überlandbus vorgestellt, der sich die Batterien mit Volvo-Lkw teilt.
Lkw dürften neue Frontrunner werden
Während die Schweden schon abliefern, handelt es sich bei Daimler Buses noch um eine Ankündigung. Als Felder, die sich für Synergien anbieten, nennt Oberwörder etwa den Antriebsstrang, die Elektronik, aber auch das Batteriemanagement oder Software. Was die Positionierung der Batterien – bei Lkw oft unten im Fahrwerk, bei Bussen häufig auf dem Dach und im Heck – angeht, spricht der Unternehmenschef von „verschiedenen Geometrien“, die aber ähnlicher werden könnten. „Elektrobusse waren bei der Elektromobilität die Frontrunner, die Lkw folgten. Aber die Welt dreht sich.“ Oberwörder geht davon aus, dass mit dem Hochlauf der elektrischen Trucks künftig die E-Lkw mit Innovationen vorangehen und die Busse nachziehen werden. Weitere Neuigkeiten zu seiner Elektrifizierungs-Strategie will Daimler Buses erst auf seinen „eMobility Days“ Ende des Jahres bekanntgeben.
Bereits länger spruchreif ist, dass Daimler Buses ab Mitte der Dekade auch elektrische Überlandbusse und bis 2030 elektrifizierte Reisebusse auf den Markt bringen will. Oberwörder spricht von einer „E-Roadmap über alle Segmente hinweg“. Doch jenseits der Stadtgrenzen wird es kniffelig. Denn während Stadtbusse und Depots gut zu elektrifizieren sind, werden elektrische Reisebusse an Autobahnen oder in der Nähe von Touristenattraktionen auf öffentliche Ladestopps angewiesen sein – eine Problematik, die Fernbusse mit Langstrecken-Lkw gemeinsam haben. Bei Reisebussen kommt erschwerend hinzu, dass sie seltener auf den immer gleichen Strecken unterwegs sind. „Noch sind die Voraussetzungen nicht gegeben“, so Oberwörder.
Kurz streift der Topmanager auch die Themen „Förderung“ und „China-Konkurrenz“. Was die E-Busse aus Fernost angeht, „schauen wir uns die Wettbewerber an, aber das Wettbewerbsumfeld ist schon vor der Elektrifizierung intensiv gewesen.“ Bei der Umstellung auf E-Antriebe sei das Besondere, dass es nicht nur um die Fahrzeuge gehe, sondern um das ganze Ökosystem, inklusive Teileverfügbarkeit und -logistik. „Das ist wesentlich!“ In diesem Punkt sieht Oberwörder europäische Hersteller bei europäischen Kunden im Vorteil.
Preislich liegen E-Busse seinen Worten zufolge zurzeit etwa beim doppelten Anschaffungspreis gegenüber Dieselbussen. „Wir arbeiten an der Reduzierung der Kosten, aber ein E-Fahrzeug wird auch künftig in der Anschaffung teurer bleiben“, so Oberwörder. Dafür holen Elektrobusse durch niedrigere Betriebskosten bei der TCO („Total Cost of Ownership“) auf. Staatliche Förderungen helfen laut dem Unternehmenschef natürlich beim eMobility-Hochlauf. Auf die in Deutschland auslaufenden Bundessubventionen angesprochen, betont Oberwörder, dass es gelte, einen guten Mittel-Mix aus Bund- und Ländertöpfen zu finden, um die Entwicklung aufrecht zu erhalten. Aber: „Wesentlicher als eine Förderung für das Fahrzeug wird zunehmend eine Förderung der Ladeinfrastruktur!“
Daimler Buses Solutions in 20 Projekte involviert
Eine erste Bilanz veröffentlicht Daimler Buses zudem zu der Mitte 2023 gegründeten Tochter Daimler Buses Solutions, die die Elektrifizierung des Busbetriebs lade- und serviceseitig unterstützt. Sie arbeite bereits an über 20 Projekten europäischer Kunden, etwa in Den Haag, heißt es. Das Geschäft soll nun „weiter intensiviert“ werden. Ein erstes Learning sei, dass „Betreiber von Elektroflotten zunehmend Komplettpakete nachfragen“, so Oberwörder. Außerdem soll die Tochter ihr Portfolio bald auch um Wasserstoff-Infrastruktur erweitern. Denn: Daimler Buses will bei seinen E-Bussen künftig grundsätzlich auf die Doppelstrategie mit Batterien und Wasserstoff setzen, wie sie auch bei Daimler Truck umgesetzt wird.
Die Produktentwicklung bleibt im Daimler-Konzern also maßgeblich. Zum Abschluss noch ein kurzer Blick auf die 2023er Geschäftszahlen der Bussparte. Daimler Buses‘ Umsatz kletterte vergangenes Jahr um 24 Prozent auf 4,6 Milliarden Euro, der operativer Gewinn von 14 auf 214 Millionen Euro. Die operative Marge beziffert das Unternehmen auf 4,7 Prozent. Für das laufende Jahr soll diese auf fünf bis sieben Prozent steigen.
Abgesetzt wurden 2023 weltweit insgesamt 26.200 Fahrzeuge und Chassis. Darunter 7.976 Fahrzeuge in Europa. Zum Vergleich: In der Vor-Corona-Zeit verzeichnete Daimler Buses 2019 noch rund 32.600 global verkaufte Einheiten. Im laufenden Jahr sind laut Oberwörder 23.000 bis 28.000 das Ziel. Ein recht weiter Zielkorridor. Ein Hinweis, warum dieser so gewählt wurde, geben die Bestellbücher: Im Geschäftsbericht wird der Auftragseingang 2023 mit 27.933 Einheiten angegeben. Das sind 11 Prozent weniger bestellte Busse als im Vorjahr.
daimlertruck.com, daimlertruck.com (Seite 19, PDF)
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