Q1: Tesla rutscht finanziell ab, verspricht aber Modell-Nachschub
Es galt eine zeitlang als Automatismus, dass sich Tesla jedes Quartal selbst übertrumpft. Doch auch an dem Elektroauto-Pionier geht der weltweite Rückgang der E-Auto-Nachfrage und die zunehmende Konkurrenz aus China nicht spurlos vorbei. Intern kommt eine in die Jahre gekommene Modellpalette hinzu. Tesla selbst äußerte im Januar die Einschätzung, dass die nächste Wachstumsphase erst wieder durch die neue Fahrzeuggeneration eingeleitet werde. Die aktuelle Stagnationsphase kostet nun bekanntlich mindestens 14.000 Tesla-Mitarbeiter den Job. Darunter nach neuesten Angaben „nur“ 400 in Grünheide.
Dies als grobe Gemengelage, in deren Kontext nun die Veröffentlichung der Q1-Geschäftszahlen fällt. Die da wären: Tesla verbuchte im Auftaktquartal 2024 einen Umsatz von 21,3 Milliarden US-Dollar und einen Gewinn von 1,13 Milliarden US-Dollar. Beide Ergebnisse bilden Ausreißer nach unten: Der Umsatz gab im Vergleich zum Q1/2023 um 9 Prozent und gegenüber dem Vorquartal um 15 Prozent nach. Betrachtet man den Umsatz des Automotive-Geschäfts isoliert (ohne das Supercharger- und Energie-Business), geht es sogar noch einige Prozentpunkte weiter abwärts.
Quartalsgewinn sackt zusammen
Noch deutlicher wird das aktuelle Tal beim Q1-Gewinn: Mit 1,13 Milliarden US-Dollar fällt Tesla beim GAAP-Überschuss auf das Niveau von Q2/2021 zurück. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum bedeutet der Wert einen Gewinnrückgang um 55 Prozent, gegenüber dem Vorquartal ist der Schwund noch wesentlich gravierender – allerdings kaum aussagekräftig, da Tesla im Q4/2023 durch einen steuerbedingten Einmaleffekt einen exorbitant hohen Gewinn von 7,9 Milliarden Dollar ausweisen konnte.
Tesla selbst führt die rückläufigen Zahlen teils auf Sonderereignisse wie den Produktionsanlauf des aktualisierten Model 3 („Highland“) im Werk in Fremont sowie die Werksschließungen aufgrund von Schiffsumleitungen im Zusammenhang mit dem Konflikt am Roten Meer und eines Brandanschlags auf die Gigafactory Berlin zurück. Das Unternehmen nennt aber auch gestiegene Betriebskosten, den teuren Cybertruck-Produktionshochlauf und einen geringeren durchschnittlichen Fahrzeugverkaufspreis als Ursache.
Letzteres ist ein Ergebnis von Teslas Preisgestaltung bzw. Produktmix und gipfelt in einer im ersten Quartal dieses Jahres auf 5,5 Prozent abgestürzten operativen Marge. Zum Vergleich: Im Jahresdurchschnitt 2023 lag die Marge bei 9 Prozent. 2022 gab es noch zweistellige Werte mit einem Höchststand von 19 Prozent in Q1/2022.
Diese Stelle im Geschäftsbericht offenbart, wie sehr Tesla zugunsten eines höheren Marktanteils an der Profitabilität gespart hat. Diesen Kurs verfolgt der US-Elektroautobauer bekanntlich seit Beginn 2023 mit einer brachialen Kampfpreis-Taktik – bekräftigt dieser Tage durch eine neuerliche Preissenkung. Doch die dadurch sonst so verlässlich steigende Kurve der Produktions- und Auslieferzahlen zeigt sich im ersten Quartal anfällig: Konkret hat Tesla zwischen Januar und März 433.371 Fahrzeuge produziert und 386.810 davon an Kunden übergeben. Die Produktion lag damit in etwa auf dem Niveau des Q3/2023 und ist immer noch das viertbeste Quartal der Firmengeschichte. Überraschend niedrig sind aber die Auslieferungen: Ein Quartalsergebnis von unter 400.000 Einheiten gab es zuletzt im Q3/2022.
Negativer freier Cashflow
Und: Niedrige Auslieferzahlen bedeuten hohe Lagerbestände. Tesla nennt diesen Sachverhalt (neben Investitionen in KI-Infrastruktur) als Hauptursache für einen zwischen Januar und März aufgetürmten negativen freien Cashflow in Höhe von 2,5 Milliarden US-Dollar. So außer Balance war der US-Elektroautobauer auf Quartalsbasis schon lange nicht mehr. An seiner Liquidität lässt Tesla angesichts von 26,9 Milliarden Dollar an Reserven und Investitionen allerdings nicht zweifeln.
Zumal das Unternehmen im Geschäftsbericht in seltener Ausführlichkeit darlegt, wie es gegensteuern will: Tesla gibt an, die Palette an künftigen Fahrzeugen überdacht zu haben und neue Modelle früher einführen zu wollen als mit der zweiten Hälfte 2025 bisher angekündigt war. Dazu muss man wissen, dass es zuletzt Gerüchte gab, wonach Tesla auf Geheiß von CEO Elon Musk die Entwicklung eines angekündigten Kompaktmodells mit Lenkrad und Pedalen eingestellt haben soll, um sich voll auf das Robotaxi auf der gleichen Plattform zu konzentrieren. Für den 8. August ist inzwischen auch die Premiere des Robotaxis angekündigt. Ob Tesla aber tatsächlich auf das konventionellere Privatkunden-Modell verzichtet, war bisher schwer zu beurteilen.
Erschwingliche Modelle unter den Neuheiten
Im Geschäftsbericht wird Tesla für seine Verhältnisse nun relativ deutlich und betont, dass es keinen harten Bruch von der aktuellen zur neuen Plattform geben wird: Die nun vorgezogenen Neumodelle („darunter auch erschwinglichere Modelle“, so der O-Ton) werden demnach sowohl Aspekte der Next-Generation-Plattform als auch Aspekte der aktuellen Plattformen nutzen und können auf denselben Fertigungsstraßen produziert werden wie die aktuelle Fahrzeugpalette. Da das Robotaxi eine ganz eigene Fertigungslogik erhalten soll („revolutionäres Unboxing“ – hier mehr dazu ), wie Tesla nun auch offiziell im Geschäftsbericht bestätigt, fällt es bei dieser Klassifizierung heraus.
Tesla eröffnet also den Countdown zu den nächsten Volumenmodellen. Vage bleibt dabei, ob der texanische Hersteller mit den vorgezogenen Modellneuheiten Varianten bestehender Modelle oder eben das erwähnte Kompaktmodell anreißt. Unvermeidbar ist laut Tesla, dass durch den Strategieschwenk wohl „geringere Kostensenkungen eintreten als ursprünglich erwartet“, dafür verbindet das Unternehmen mit diesem Vorgehen große Hoffnungen in puncto Volumensteigerung: Tesla verspricht sich von den Neumodellen einen Beitrag, „unsere derzeit erwartete maximale Kapazität von fast drei Millionen Fahrzeugen voll auszuschöpfen, was ein Wachstum von mehr als 50 % gegenüber der Produktion im Jahr 2023 ermöglichen würde, bevor wir in neue Fertigungslinien investieren.“ Im Gesamtjahr 2023 hatte Tesla bekanntlich 1.845.985 Elektroautos hergestellt und 1.808.581 davon an Kunden ausgeliefert. Nicht zu verwechseln ist dieses Statement mit einer Produktionsprognose für 2024, es dürfte sich eher auf 2025 beziehen. Zumal die Produktionskapazität derzeit auch erst bei 2,35 Millionen Autos pro Jahr liegt.
In der Telefonkonferenz zu den Quartalszahlen präzisierte Musk in der Nacht noch, dass das Unternehmen plane, die Produktion neuer Modelle „Anfang 2025, wenn nicht sogar Ende dieses Jahres“ zu beginnen. Und: Der Unternehmens-CEO hob auch Teslas Investitionen in die KI-Infrastruktur hervor und sagte, dass man in Gesprächen mit „einem großen Autohersteller“ sei, um sein Fahrerassistenzsystem zu lizenzieren.
Evolution eines Schlüsselsatzes
Wie sehr bei Tesla hinter den Kulissen um die nächsten Produkteinführungen gerungen wird, macht übrigens ein einzelner Satz im Geschäftsbericht besonders deutlich. Bei der Vorstellung der Q4-Zahlen im Januar hieß es noch wortwörtlich: „Unser Unternehmen befindet sich derzeit zwischen zwei großen Wachstumswellen: Die erste begann mit der globalen Expansion der Model 3/Y-Plattform und die nächste wird unserer Meinung nach durch die globale Expansion der Fahrzeugplattform der nächsten Generation eingeleitet.“ Drei Monate später wiederholt Tesla denselben Satz, ändert aber den letzten Teil. Demnach wird die nächste Wachstumswelle nicht mehr allein durch die neue Plattform, sondern „durch Fortschritte bei der Autonomie und die Einführung neuer Produkte, einschließlich solcher, die auf unserer Fahrzeugplattform der nächsten Generation aufbauen“, eingeleitet.
Dahinter dürfte das Bewusstsein stehen, dass die finanziell auszehrende Position zwischen zwei Wellen weder dem Unternehmen noch seinen Unterstützern über mehrere Jahre zuzumuten ist. Kurzfristig wird’s aber unbequem bleiben, wie Tesla vorwarnt: „Im Jahr 2024 könnte die Wachstumsrate unseres Fahrzeugvolumens deutlich unter der im Jahr 2023 erzielten Wachstumsrate liegen.“
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