EU plant Strafzölle von bis zu 30 Prozent auf E-Autos aus China
Die Europäische Union wird noch vor der Sommerpause Strafzölle auf Elektroautos aus chinesischer Produktion erheben. Das hat Valdis Dombrovskis, der Brüsseler Kommissar für Handel, unter anderem bei Politico angedeutet. Fachkreise berichten, dass der bestehende Zoll von derzeit zehn auf zukünftig 25 bis 30 Prozent steigen könnte. Das würde nicht nur Marken wie MG oder BYD beeinflussen, sondern auch andere in China gefertigte Elektroautos wie das Tesla Model 3, den BMW iX3 oder den Dacia Spring.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte bereits im September eine Rede in scharfem Ton gehalten. Es drohe eine Flut staatlich subventionierter Elektroautos und somit eine künstliche Marktverzerrung zu Ungunsten einheimischer Hersteller, so von der Leyen.
Im Anschluss wurde eine Antisubventionsuntersuchung eingeleitet. Deren Deadline endet am 4. Juli. Es ist aufgrund der Zoll-Offensive der USA anzunehmen, dass schon vorher provisorische Maßnahmen verkündet werden.
Keine ausreichende Kooperation durch BYD, SAIC und Geely
Die EU-Kommission hatte außerdem im April beklagt, dass BYD, SAIC und Geely, also die besonders großen Player, mehrere Fragen nach Transparenz bei Subventionen oder bei Lieferketten nicht ausreichend beantwortet hätten. Auch die Europawahl am 9. Juni ist ein Faktor bei der Veröffentlichung von neuen Zoll-Ideen: Es gibt Parteien, die sich von einer solchen Aktion einen politischen Vorteil versprechen.
Derzeit beträgt der Einfuhrzoll in die EU wie gesagt zehn Prozent. Dazu addieren sich die Transportkosten. In die andere Richtung variiert der Zoll zwischen 15 und 20 Prozent. Allerdings gehen nur wenige Pkw diesen Weg, und die meisten kommen aus dem Luxussegment wie etwa von Mercedes oder Porsche, wo Geld eine untergeordnete Rolle spielt. Die meisten Fahrzeuge von deutschen und anderen europäischen Herstellern, die in China verkauft werden, rollen auch in Shanghai, Wuhan oder Hefei vom Band.
Die Redaktion von electrive hatte im Februar in Hintergrundgesprächen mit relevanten chinesischen Autoherstellern erfahren, dass man sich auf die Erhöhung der Importzölle einrichte. Möglicherweise sind solche Erwartungen schon eingepreist. Nun ist aus Brüssel die Zahl von 25 bis 30 Prozent zu hören.
Gleichstand bei 25 bis 30 Prozent Importzoll
„25 bis 30 Prozent Importzoll sind plausibel“, sagt hierzu Auto-Analyst Matthias Schmidt. Der Grund: „Die Bank UBS hatte im Dezember chinesische Elektroautos untersucht und einen 30-prozentigen Kostenvorteil festgestellt“, so Schmidt. Mit dieser Größenordnung würde die EU also lediglich gleichziehen, statt eine Strafaktion zu inszenieren. Der Wettbewerb wäre wieder hergestellt und unfaire Praktiken kompensiert.
Die europäischen Nationalstaaten sind sich aber keineswegs einig. Treiber der EU-Antisubventionsuntersuchung war und ist Frankreich. Deutschland dagegen hat sich sowohl in der Industrie als auch in der Politik gegen neue Zölle ausgesprochen.
Der simple Grund ist, dass die Interessen von Frankreich und Deutschland unterschiedlich sind. Renault und Stellantis verkaufen viele Elektroautos im B- und C-Segment. In diesen preissensiblen Regionen können wenige hundert Euro Differenz bereits die Kaufentscheidung ausmachen. Die Befürchtung, dass chinesische Wettbewerber genau hier punkten können, ist berechtigt.
Deutschland will keinen Handelskrieg
Anders ist die Situation für Deutschland. Die Bundesrepublik ist bei Handel und Produktion länger und enger mit China verknüpft als Frankreich; die gegenseitige Abhängigkeit ist höher. Ein offensiv geführter Handelskrieg ist für viele deutsche Unternehmen eine Horrorvorstellung, wie electrive im April beschrieben hat.
So kritisiert Dirk Jandura, der Präsident des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen (BGA), die Diskussion über eine Erhöhung der Zölle deutlich. Man werde sich ins eigene Fleisch schneiden, sagte Jandura dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Dienstag, weil es „kein einziges Auto in der EU ohne Teile aus China“ geben würde. Verlierer von Protektionismus wären am Ende die Verbraucher ebenso wie die Unternehmen.
Es wird trotzdem faktisch eine Kompromisslinie zwischen den französischen und den deutschen Vorstellungen geben, und in dieser Hinsicht wäre eine milde Steigerung auf 25 bis 30 Prozent Importzoll sinnvoll. Zum Vergleich: Bei Fahrrädern addieren sich heute auf den Einfuhrzoll von 14 Prozent zusätzlich 19 Prozent Umsatzsteuer sowie ein Antidumpingzoll von 48,4 Prozent. Bei E-Bikes sind es sogar 62,1 Prozent.
Produzieren, wo verkauft wird
Das politische Ziel in den drei großen Pkw-Märkten China, USA und Europa ist ähnlich: Protektionistische Maßnahmen wie der Inflation Reduction Act (IRA) in den USA sollen zum einen die strategische Abhängigkeit von anderen Ländern reduzieren. Zugleich, und das ist der Kern der Sache, soll die Autoindustrie dazu genötigt werden, E-Autos dort zu produzieren, wo sie auch verkauft werden.
Ein wünschenswertes Ergebnis bei einer Zollerhöhung von zehn auf 25 oder 30 Prozent ist also nicht der Zusammenbruch des Handels zwischen China und Europa. Es geht ums Gegenteil, um die Installation von Fertigungskapazitäten überall. Einige Konzerne sind schon angekommen: CATL zum Beispiel, der weltgrößte Batterieproduzent, hat ein Werk in Thüringen. Volvo wird den EX30 bald auch im belgischen Gent bauen. Und BYD errichtet eine Fabrik in Ungarn, wo auch die Neue Klasse von BMW demnächst vom Band rollt.
Offen ist, wie die chinesische Regierung auf die relativ milde Erhöhung der EU-Importzölle reagiert. Über die Steigerung auf 100 Prozent in den USA war man nicht amüsiert, sprach von Mobbing und einer ernsthaften Beeinträchtigung der bilateralen Atmosphäre. Weitere Gegenmaßnahmen sind zu erwarten.
Mit Blick auf die EU lassen es die Verantwortlichen in Peking im besten Szenario bei grimmigen Kommentaren, weil ihnen die Folgen der eigenen Subventionspolitik sehr wohl bewusst sind. Im Worst Case gibt es einen Konflikt, deren Verlierer das Chinageschäft der gesamten deutschen Industrie ist.
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