So gefährlich sind Unfälle mit Wasserstofffahrzeugen in Tunneln

Ein Forschenden-Team der TU Graz hat das Gefahren- und Schadenspotenzial von Wasserstofffahrzeugen in Tunneln untersucht. Die Analyse zeigt: Grundsätzlich ist das Eintreten gefährlicher Situationen wenig wahrscheinlich, doch in Extremfällen kann das Risiko hoch sein.

Bild: H2 Mobility

Neben Elektrofahrzeugen gelten auch mit Wasserstoff betriebe Fahrzeuge als Alternative zu Wagen mit Verbrennungsmotor. Noch ist die Verbreitung der Wasserstofffahrzeuge, auch Brennstoffzellenauto (Fuel Cell Electric Vehicles – FCEV) genannt, aber gering. Entsprechend gibt es derzeit wenig Erfahrung damit, was passiert, wenn solche FCEV einen Unfall haben. Selbstverständlich haben die Hersteller schon Vorkehrungen getroffen, dass ein Unfall nicht in einer Katastrophe in Bezug auf den leicht brennbaren Wasserstoff führt. Wichtig ist dennoch, Szenarien zum „Was wäre wenn?“ durchzugehen. Die TU Graz hat im Projekt HyTRA untersucht, welche Arten von Zwischenfällen mit wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen speziell in Tunneln realistisch sind, welche Gefahren für Menschen und Tunnelstruktur entstehen und mit welchen Maßnahmen diese Risiken minimiert werden können.

Zu realen Unfällen von wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen in Tunneln gibt es wegen ihres bislang geringen Verkehrsanteils so gut wie keine empirischen Daten. Doch wenn es zum Unfall kommt, so bergen die hohe Energiedichte von Wasserstoff und der hohe Druck, mit dem er gespeichert ist, ein sehr hohes Schadenspotenzial – wohlgemerkt aber nur dann, wenn das ausgereifte Sicherheitssystem des Wasserstoff-Tanks versagt.

Nach aktuellem Standard ist Wasserstoff in Pkw mit 700 bar Druck gespeichert, in Lkw und Bussen mit 350 bar. Tritt ein Schaden an einem Tank auf, wird schnell sehr viel Energie frei. Gerät Wasserstoff in Brand, verbrennt dieser bei Temperaturen von über 2.000 Grad Celsius. Die Tanks sind zwar sehr robust und gut vor mechanischer Einwirkung geschützt, aber einem Auffahrunfall mit einem Lkw halten auch sie nicht stand. Dieses Szenario sollte daher möglichst vermieden werden.

Verschiedene Gefahrenszenarien

Der wahrscheinlichste Ausgang bei einem Unfall mit einem FCEV ist, dass mit keinen nennenswerten Auswirkungen durch den Wasserstoff zu rechnen ist, schreibt das Forschenden-Team deutlich. Jedoch sind bei schweren Unfällen drei verschiedene Gefahrenszenarien möglich.

Im ersten Fall springt bei steigendem Druck in Folge einer thermischen Einwirkung wie z.B. einem Fahrzeugbrand das sogenannte Thermal Pressure Relief Device (TPRD) an, das den Wasserstoff in einem kontrollierten Strahl aus dem Tank ablässt. So hält es den Druck auf einem gewissen Niveau und vermeidet eine Tankexplosion. Entzündet sich dann aber der abgelassene Wasserstoff – was bei der Vermischung mit Luft leicht geschehen kann –, richtet sich die Flamme auf einen festen Punkt am Boden. Es bleibt dennoch gefährlich, da Wasserstoff farb- und geruchlos verbrennt. Der Gefahrenbereich ist allerdings eingeschränkt.

Versagt das TPRD, kann der Tank explodieren, wobei eine Druckwelle entsteht, die sich durch den gesamten Tunnel ausbreitet: Innerhalb von ca. 30 Metern besteht dabei Lebensgefahr, bis etwa 300 Meter die Gefahr von schweren inneren Verletzungen wie Lungenblutungen, weiter entfernt drohen immerhin noch geplatzte Trommelfelle.

Das dritte Szenario ist das unwahrscheinlichste: Es tritt ein, wenn der Wasserstoff ungezündet freigesetzt wird. Als leichtestes Element im Periodensystem steigt der Wasserstoff auf und sammelt sich unter der Tunneldecke in einer Wolke. Befindet sich dort eine Zündquelle (z.B. heiße Lampen oder ein elektrischer Impuls durch den Start eines Lüfters), folgt eine Wasserstoffwolkenexplosion, die ebenfalls eine Druckwelle verursacht.

„Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Gefahrenszenarien mit Wasserstofffahrzeugen zwar relativ unwahrscheinlich sind, aber ein großes Schadenspotenzial bergen. Moderne Wasserstofftanks sind so sicher gebaut, dass wirklich viel schiefgehen muss, damit der Wasserstoff austritt“, sagt Daniel Fruhwirt vom Institut für Thermodynamik und nachhaltige Antriebssysteme der TU Graz. „Infrastrukturseitig sind mögliche Schäden an der Tunnelstruktur kaum zu befürchten, für den Menschen wären Unfälle allerdings gefährlich.“

Um die Risiken zu minimieren, hat das Projektteam um Daniel Fruhwirt mehrere Maßnahmenempfehlungen: Strengere Tempolimits, die mit Section Control überwacht werden, genaue Abstandskontrollen, die den Fahrer*innen visualisieren, wenn sie zu dicht auffahren, und bei Stausituationen bereits früher angezeigte Tempolimits, damit die Geschwindigkeit beim Ankommen am Stauende bereits niedrig genug ist, um im Falle eines Auffahrunfalls nur geringe Schäden zu verursachen.

tugraz.at

2 Kommentare

zu „So gefährlich sind Unfälle mit Wasserstofffahrzeugen in Tunneln“
ganzjahresreichweite
03.06.2024 um 09:46
Nun ja, ein brennendes Batterie-Auto setzt große Mengen flurhaltige Gase frei, was im Tunnel sicher nicht lustig ist.Der Alstom Zug iLint mit FC Antrieb hat, im Gegensatz zum Diesel, eine Genehmigung für den Leipziger Citytunnel. Da scheintdie sehr strenge Deutsche Bahn zu ganz anderen Gefahrenpotentialen zu kommen.Das eine ist eine Studie aus Graz, das andere eine reale Freigabe von Passagiebeförderung in Tunneln.
Stefan
03.06.2024 um 11:12
Beim Citytunnel in Leipzig ist hauptsächlich entscheidend, ob die Züge im normalen Betrieb Abgase erzeugen. Die Entlüftung des Tunnels ist nicht auf Diesel- oder Benzinabgase eingerichtet. Der Tunnel ist für Elektrozüge mit Oberleitung geplant und gebaut.

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