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HintergrundPolitik

Bedrohte Antriebswende: Logistik-Verbände schlagen im Kanzleramt Alarm

Vertreter des Logistiksektors prangern seit Monaten eine verfehlte Verkehrs- und Klimapolitik an. Jetzt sind sie mit einer ihrer Forderungen durchgedrungen – nämlich der nach einem Treffen im Kanzleramt. Die Köpfe der Verbände BGL, BWVL und DSLV geben an, dort „dringende Maßnahmenkorrekturen angemahnt“ zu haben.

Für die Interessen ihrer Mitglieder zu trommeln – das gehört für die Logistik-Verbände zum Geschäft. In den vergangenen Monaten hat sich aber besonders viel Unmut angestaut. Die Lkw-Betreiber fühlen sich im Spannungsfeld zwischen Maut-Novelle, künftigen EU-Flottengrenzwerten für Lkw und eingefrorener eMobility-Förderung eingezwängt. Der Ruf nach einem „Runden Tisch mit allen Beteiligten im Kanzleramt“ gibt es daher schon länger. Nun also mit Erfolg: Die Köpfe von BGL, BWVL und DSLV kamen unter anderem mit Steffen Meyer, dem wirtschaftspolitischen Berater von Bundeskanzler Olaf Scholz, zusammen. Das Gesprächs- bzw. Streitthema: Wie lassen sich die Klimaziele im Logistiksektor erreichen?

Die genannten Abkürzungen stehen für den Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), den BWVL Bundesverband für Eigenlogistik & Verlader und den DSLV Bundesverband Spedition und Logistik. Der Frust der vergangenen Monate kondensierte jüngst bereits in Statements wie: „Mit den aktuellen Beschlüssen fährt die Koalition die Antriebswende gegen die Wand“. In der aktuellen Mitteilung nach dem Termin im Kanzleramt äußern sich die Branchenvertreter zwar vehement, aber mit etwas weniger Hau-Drauf-Mentalität: „Unter den geltenden Rahmenbedingungen bleibt das Klimaziel 2030 Utopie“, heißt es da etwa – oder: „Die gesetzlichen und strukturellen Gegebenheiten – einschließlich steigender CO2-Preise – wirken nicht für, sondern gegen eine Transformation des Sektors“.

„Support zu einseitig auf OEMs ausgerichtet“

Das erste Mal öffentlich entrüstet zeigten sich BGL und DSLV im November im Schulterschluss mit den Herstellern MAN und Daimler Nutzfahrzeuge, als die eMobility-Förderung für Lkw zwar schon unsicher, aber noch nicht völlig eingestampft war. Nun teilen sie – ergänzt um den BWVL – auch gegen die Hersteller aus: „Die bisherige Förder- und Abgabenpraxis hat sich nicht an den Marktgegebenheiten und Infrastrukturrealitäten, sondern zu einseitig an den Interessen der Nutzfahrzeughersteller ausgerichtet“, so das Verbands-Trio. Das Leistungsvermögen der Logistikbranche in einem konjunkturell stark belasteten Marktumfeld habe die Bundesregierung bislang ignoriert. „Bei diesem eher planwirtschaftlich angelegten Transformationsprozess geht der Plan nicht auf.“

Das erwähnte „konjunkturell stark belastete Marktumfeld“ resultiert aus dem seit Dezember fälligen CO2-Aufschlag bei der Maut, aus der abgesägten KsNI-Förderung für E-Lkw, der ausgesetzten Förderung für gewerbliche Schnellader und für Wasserstoff-Projekte, der Aussicht auf EU-weit strengere CO2-Flottengrenzwerte für Lkw und natürlich aus den eMobility-unabhängigen Wirtschaftlichkeitszwängen. Eine lange Liste von Tiefschlägen also. Nur an einer Stellschraube hat der Bund jüngst den Druck verringert: Das Verkehrsministerium wird im Juni eine weitere Förderrunde für gewerbliche Schnelllader initiieren, mit der auch E-Lkw-Ladesäulen unterstützt werden sollen.

Das besänftigt die Logistiker wohl kaum. Der Sektor fühlt sich nicht genug in die politische Entscheidungsfindung einbezogen. Das Verbands-Trio macht dabei klar, dass seine Branche Teil der Verkehrswende sein will – inklusive der beschleunigten Einführung neuer Antriebsarten und des verstärkten Einsatzes alternativer Kraftstoffe. Dies gelinge jedoch nur, „wenn mehr marktwirtschaftliche Mechanismen greifen“, den bisher politisch initiierten Maßnahmen attestieren sie „keine messbare Wirkung, im Gegenteil“. Die im Grundsatz marktwirtschaftlich richtige CO2-Bepreisung entziehe der Wirtschaft das für die Transformation nötige Kapital, ohne dass der Staat für ein grünes Return on Investment sorgt.

Gespräche sollen weitergehen

Konkrete Ergebnisse des Treffens im Kanzleramt präsentieren die Verbände nicht, betonen aber, dass man sich auf die Fortsetzung der Gespräche verständigt habe – und sich vor allem in einem „sehr konstruktiv und offen geführten Austausch“ zu Kernthemen Gehör verschaffen konnte. Als konkrete Forderung haben BGL, BWVL und DSLV den Kanzleramts-Vertretern die Reform der Kraftstoffbesteuerung und die Reinvestition der CO2-basierten Lkw-Maut in die Lkw-Transformation da gelassen. Ob in Berlin aber schon für das Haushaltsjahr 2025 Mehreinnahmen aus der Maut in Form von Förderungen in die Lkw-Antriebswende zurückfließen – wie von dem Trio gefordert -, dürfte angesichts der schon jetzt angespannten Haushaltsverhandlungen zwischen den politischen Ressorts fraglich sein. Vorgeschlagen haben die Verbandsköpfe im Kanzleramt eine Förderung im Bereich Depotladen und eine nach Unternehmensgröße gestaffelte Förderung für die Anschaffung von BEV- und FCEV-Nutzfahrzeugen, die sich am Markthochlauf orientieren und deshalb zeitlich degressiv ausgestaltet sein soll.

Zwischen den Zeilen wird übrigens deutlich, dass BGL, BWVL und DSLV die Zusammenarbeit zwischen den Ressorts der Regierung für relativ unabgestimmt halten. Man setze darauf, dass das Kanzleramt „eine entscheidende Koordinierungsfunktion für das weitere Vorgehen der Ressorts BMDV, BMWK und BMF mit den Stakeholder-Gruppen Logistik, Energie und Hersteller“ wahrnimmt, heißt es vielsagend. Man könnte auch sagen: Redet miteinander!

In den Zulassungen zeigt sich noch keine Delle

In den aktuellen Zulassungsstatistiken ist unterdessen noch keine Alarmstimmung herauszulesen. Laut Daten des ACEA konnten hierzulande im ersten Quartal die mittleren und schweren E-Lkw im Jahresvergleich um 173,7 Prozent zulegen – auf 925 Fahrzeuge. Der Wert entspricht in Deutschland einem Marktanteil von immerhin 3,9 Prozent. Mit 56 Prozent wurde auch mehr als jeder zweite neue E-Lkw im Q1 in Europa mit einem deutschen Kennzeichen zugelassen. Ob dieser Fakt nun für Deutschland als Leitmarkt beim Elektro-Lkw spricht oder angesichts der geringen Marktanteile eher die Skepsis der anderen EU-Länder zum Ausdruck bringt, ist sicher Interpretationssache.

Offensichtlich wird jedenfalls, dass sich der Förderstopp des Bundes bei den E-Lkw – und auch bei den E-Bussen – im ersten Quartal noch nicht niedergeschlagen hat. Sprich: Die zwischen Januar und März zugelassenen Fahrzeuge dürften noch bezuschusst worden sein. Wo sich Deutschland im Länderranking ohne die KsNI-Subventionen einordnet, werden die nächsten Statistiken zeigen. Der Bumerang kommt bekanntlich zeitverzögert.

bgl-ev.de, dslv.org

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