P3 Charging Index Asia: Der Lotus Emeya schlägt sie alle
Insgesamt vier Ausgaben des P3CI hat die Beratung bereits veröffentlicht – die ersten drei davon mit Fokus auf Europa (dort war zuletzt der Kia EV6 der Sieger) und im vergangenen Jahr erstmals eine Ausgabe mit Modellen, die in Nordamerika erhältlich sind. Diesen Lade-Vergleich hatte der Lucid Air GT für sich entschieden.
Der P3CI Asia ist anlässlich des 37. Electric Vehicle Symposiums in Südkorea entstanden. Die Methodik entspricht den vorigen Ausgaben: Kann ein Auto in 20 Minuten Strom für 300 Kilometer nachladen, ergibt das einen Index-Wert von 1,0. Liegt das Ergebnis darüber, ist die in 20 Minuten nachgeladene Reichweite sogar noch höher. Lieg er darunter, wurden weniger als 300 Kilometer nachgeladen. So viel sei verraten: Die Asien-Ausgabe hat diese Methodik erstmals an ihre Grenzen gebracht – später dazu mehr.
Getestet wurden insgesamt zehn Fahrzeuge verschiedener Hersteller, die in Asien in nennenswerten Stückzahlen vertrieben werden oder bei der Performance neue Maßstäbe setzen – innerhalb der Modelle wurde wie gehabt die reichweitenstärkste Antriebsvariante genutzt. Als deutsche Modelle sind etwa der Mercedes-Benz EQS 450+ und der BMW i7 eDrive50 dabei, die beide über 100 kWh große Batterien haben. Aus Südkorea wurden der Kia EV9 mit Heckantrieb und der Genesis G80 electrified getestet – und auch der Hyundai Ioniq 6 RWD. Von chinesischen Marken sind der BYD Atto3, der Nio ET5 Touring und der Xpeng G9 mit Long-Range-Batterie dabei. Zwei Modelle haben eine Sonderrolle: Das Tesla Model Y LR RWD kommt zwar von einem US-Hersteller, wird aber in Shanghai gebaut und kommt in Asien auf nennenswerte Stückzahlen. Und Lotus ist zwar im Kern eine britische Marke, gehört aber zum chinesichen Geely-Konzern – der neue Emeya mit seinem 102-kWh-Akku wird auch in China gebaut.
Eine Anmerkung: P3 hat alle Fahrzeuge selbst getestet und die realen Ladekurven ermittelt. Die Tests fanden in Nordamerika und Europa statt, dabei wurde mit einem Messinstrument auch die Power Line Communication“ zwischen Fahrzeug und Ladesäule überwacht – damit abgesichert ist, dass jeweils das Fahrzeug der limitierende Faktor bei der Ladeleistung war und nicht die Ladesäule weniger Strom abgegeben hat als das Fahrzeug hätte verarbeiten können – gerade beim Lotos Emeya war das eine Herausforderung. Anders als bei den europäischen Ausgaben des P3CI ist die Grundlage für die nachgeladene Reichweite allerdings nicht der ADAC EcoTest, sondern wegen der internationalen Vergleichbarkeit der WLTP. Daher sind die aktuellen Index-Werte nicht direkt mit denen früherer Ausgaben vergleichbar.
Lotus Emeya erreicht den höchsten, jemals ermittelten Charging Index
So viel zur Vorrede. Bei den Ergebnissen sticht der bereits erwähnte Lotus Emeya hervor. Mit einem P3 Charging Index von 1,53 hat er Emeya das bis dato beste Ergebnis erzielt. In den vorgegebenen 20 Minuten hat das Fahrzeug Strom für 458 Kilometer nachgeladen. Und genau damit hat stößt der Lotus an die Grenze, denn die Methodik des Charging Index hat de facto ein noch besseres Ergebnis verhindert: Der Emeya hatte bereits nach 14 Minuten von zehn auf 80 Prozent geladen. Da bei noch höheren Ladeständen die Ladeleistung zunehmend abnimmt, sind in dem Testergebnis auch sechs Minuten mit einer relativ geringen Leistung enthalten. In den ersten zehn Minuten sind mit 402 kW in der Spitze 310 WLTP-Kilometer nachgeladen worden, in den zweiten zehn Minuten nur noch 148 Kilometer. Von zehn bis 80 Prozent lag die durchschnittliche Ladeleistung bei 331 kW.
Damit war der Emeya in der Durchschnitts-Ladeleistung sogar besser als das zweitbeste Modell in der Peak-Ladeleistung. Der Xpeng G9 kam immerhin auf 320 kW in der Spitze, konnte diese Ladeleistung aber nicht einmal bis 30 Prozent Ladestand halten – ab 35 Prozent fiel die Ladekurve auch unter jene des Hyundai Ioniq 6. 233 kW im Schnitt sind aber ein gutes Ergebnis. Da der Verbrauch des G9 mit 19,4 kWh/100km aber der zweithöchste im Vergleich ist, reicht es im P3CI mit 1,20 Punkten nur für Rang drei. Zweiter ist der Mercedes EQS 450+, der mit seinem 400-Volt-System zwar in der Spitze langsamer, aber konstanter lädt und dabei mit 16,4 kWh/100km zu den effizienteren Fahrzeugen gehört – was einen P3CI von 1,24 ergibt.
Insgesamt erreichen sieben der zehn getesteten Modelle einen Indexwert von über 1,0, laden also mehr als 300 Kilometer in 20 Minuten nach und gelten damit in der P3-Definition als „langstreckentauglich“. Wie das Ergebnis dabei zustande kommt, ist zum Teil höchst unterschiedlich. Der Hyundai Ioniq 6 kommt auf eine ordentliche Durchschnitts-Ladeleistung von 184 kW und einen extrem niedrigen Verbrauch. Der Plattform-Bruder Kia EV9 mit einer größeren Batterie lädt mit 190 kW etwas besser (und das auch extrem konstant um die 200 kW), hat aber den höchsten Verbrauch im Feld – und muss sich in Summe mit 1,07 zu 1,16 dem Ioniq 6 geschlagen geben.
Im Verbrauchs-Kapitel überrascht durchaus, dass hinter dem aerodynamisch optimierten Ioniq 6 mit dem Model Y und BYD Atto 3 zwei SUV-Modelle folgen und andere Limousinen wie den EQS, Emeya, G80 electrified und den i7 unterbieten. Die anderen beiden SUV im Vergleich, der Kia EV9 und Xpeng G9, liegen im Verbrauchs-Ranking ganz hinten.
Derzeit sind nicht alle der getesteten Modelle in Europa verfügbar, die Ergebnisse sind also nicht unbedingt für Endkunden relevant. Dennoch leitet P3 für electrive einige Key Findings ab, die für die Branche wichtig sind und in Kürze auch für die Verbraucher interessant sein dürfte.
- „Die Ladeleistungen haben nun endgültig die Schallmauer von 300kW durchbrochen, was neben den aufgezeigten Lotus und Xpeng ja bekannterweise auch durch Porsche unterfüttert wird. Eine Alpitronic HYC300 ist bspw. nicht mehr ausreichend um die maximale Performance abzurufen“, so P3. Im Rahmen der Tests hat das bedeutet, dass eher Ionity-Stationen mit 350 kW je Ladepunkt oder Alpitronic Hypercharger HYC400 angefahren werden mussten – und mit dem Lotus für das volle Potenzial sogar eine spezielle Ladestation von XCharge in Stuttgart. Für Endkunden heißt das: Die derzeit vorhandene Ladeinfrastruktur könnte zumindest vorübergehend ein Bottleneck werden, einige Autos können mehr.
- „Die max. CCS Ladeströme von 500 Ampere werden mittelfristig auch der Vergangenheit angehören. Nachdem Tesla das bereits seit Jahren macht, macht dies nun auch Lotus, während auf Ladestationsseite mit XCharge ein erster Hardware-Hersteller (Tesla nicht eingeschlossen), diesen Weg nun geht“, so P3. Eine mögliche Folge: Für 400-Volt-Plattformen könnten sich neue Chancen ergeben, wenn mit mehr als 500 Ampere – und somit mehr als den obligatorischen 200 kW – geladen werden könnte. Das Stichwort ist könnte, denn auch aktuelle 400-Volt-Hersteller wie Mercedes und BMW zieht es zu 800 Volt. Ob die günstigeren Modelle, die weiterhin bei 400 Volt bleiben, dann auf Ströme über 500 Ampere ausgelegt werden, ist fraglich.
- „Durch die hohen Ladeleistungen sind die 20 Minuten Ladedauer zeitnah nicht mehr Stand der Technik: Lotus schafft es bereits jetzt in weniger als 15 Minuten von 10 auf 80% SoC und wird danach beim Laden verhältnismäßig super langsam, was dann auf die gesamten 20 Minuten fast schon zum Nachteil wird“, erklärt P3. Sprich: Es könnte für die kommenden Ausgaben auch eine angepasste Methodik geben.
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