ACC legt Arbeiten an Zellfabriken in Kaiserslautern und Termoli auf Eis
ACC plant seit Jahren mit drei europäischen Batteriezellenwerken. Das erste im französischen Billy-Berclau/Douvrin befindet sich nach seiner Eröffnung im vergangenen Jahr im Ramp-up. Die beiden anderen in Kaiserslautern und Termoli sollten ab 2025 bzw. 2026 ans Netz gehen. Wie „Reuters“ und verschiedene weitere Medien berichten, hat ACC aber die Arbeiten an den Werken in Deutschland und Italien vorübergehend eingestellt. Als Grund wird die nachlassenden Nachfrage nach Elektrofahrzeugen genannt. Das Unternehmen soll dazu ausgeführt haben, dass es kostengünstige Batterien erforschen und entwickeln müsse, um billigere Elektrofahrzeuge zu liefern, und dass es seinen Zeitplan für Industrie und Bau Ende 2024 oder Anfang 2025 präzisieren werde. Zurzeit setzt das Joint Venture auf NMC-Batteriezellen (Nickel-Mangan-Cobalt).
ACC befindet sich im Besitz von Stellantis, Mercedes und Saft, einer Batterie-Tochtergesellschaft von TotalEnergies – und zwar seit Kurzem im Verhältnis 45:30:25 Prozent. Dass Stellantis sich umorientieren könnte, hatte sich zuletzt bereits abgezeichnet. Es wird schon länger vermutet, dass der OEM mit dem chinesischen Hersteller CATL auf einen alternativen Partner für den Bau einer europäische Fabrik für günstigere LFP-Zellen setzen könnte. „Reuters“ schreibt nun, dass solch eine Produktionsanlage zwischen den beiden Partnern bereits vereinbart sei.
„Investitionspläne an Marktabsatz anpassen“
Carlos Tavares, CEO von Stellantis, wurde jüngst bereits in einem Medienbriefing mit der Frage konfrontiert, ob sein Unternehmen neben dem Joint Venture mit CATL noch drei ACC-Fabriken in Europa unterstütze. „Wir werden unsere Investitionspläne für Elektrofahrzeuge an das Tempo anpassen, mit dem der Marktabsatz von Elektrofahrzeugen wächst“. Und: „Wir haben keine Kontrolle über diese Geschwindigkeit“, gab er laut „Reuters“ als Antwort.
Mercedes schreibt der Agentur zufolge in einer Erklärung, dass es sich zu ACC bekenne und dass seine Elektrifizierungsstrategie weiterhin auf Kurs sei. Allerdings treten die Stuttgarter – so wurde es Mitte Mai bekannt – aktuell ebenfalls mit einem Kurswechsel auf die Investitionsbremse. Zuvor vertrat das Unternehmen eine recht stringente „Electric only“-Strategie. Grund für die Abkehr davon seien die enttäuschenden Absatzzahlen aktueller E-Luxusautos, die Mercedes zu „harten Einschnitten zwingen“, wie es im Mai beim „Handelsblatt“ hieß.
Batteriezell-Technologie auf dem Prüfstand
Dieser Kontext hilft einzuordnen, warum zumindest zwei von drei Anteilseignern die Notwendigkeit sehen dürften, beim Werksbau auf die Bremse zu treten. Mit Blick auf Kaiserslautern berichtete die „Rheinpfalz“ zuerst über die Pausierung – und zwar unter Berufung auf ACC-Generalsekretär Matthieu Hubert. Die Staatskanzlei Rheinland-Pfalz bestätigte die Entscheidung im Laufe des Dienstags. Hubert wird bei der „Rheinpfalz“ dahingehend zitiert, dass sich der Markt für E-Autos langsamer entwickele als erwartet. Und: „Bevor wir investieren, und wir sprechen von Milliarden, müssen wir die Frage beantworten, welche Art von Batteriezell-Technologie der Markt erfordert.“
Inzwischen hat sich auch die Landesregierung von Rheinland-Pfalz zu Wort gemeldet. Sie sei sehr zuversichtlich, dass die Fertigung in Kaiserslautern entstehen wird, heißt es. Den ursprünglichen Plänen zufolge wollte ACC zwei von insgesamt sieben Milliarden Euro in Kaiserslautern investieren. Die öffentlichen Fördermittel für den Bau am Opel-Standort belaufen sich auf rund 437 Millionen Euro. Der bisherige Zeitplan sah vor, die Bauarbeiten in Kaiserslautern bis Mitte 2024 zu beenden, anschließend die Anlagen zu installieren und Anfang 2025 die Produktion zu starten. Bis 2030 waren drei Produktionsblöcke mit einer Kapazität von je 13,4 GWh vorgesehen – also etwa 40 GWh insgesamt. Je 40 GWh waren auch für den französischen und den italienischen Standort geplant.
Inwiefern die Reorientierungsphase bei ACC auch Frankreich betrifft, ist bisher unbekannt. Dort wird aktuell der erste Produktionsblock mit 13,4 GWh hochgefahren. Weitere zwei Blöcke sind bisher geplant gewesen, um auf besagte 40 GWh zu kommen.
Ursprünglich eine deutsch-französische Initiative
Die Anfänge von ACC gehen auf das Jahr 2018 zurück – damals noch nicht unter diesem Namen. Das Vorhaben begann Ende 2018 als deutsch-französische Batteriezellen-Initiative von PSA, Opel und Saft, die sich damals in Anspielung auf den damaligen Wirtschaftsminister auf die sogenannte „Altmaier-Milliarde“ bewarbt. Das Vorhaben eines Werks links und rechts des Rheins wurde daraufhin Teil des ersten „Batterie-IPCEI“. Derart bestärkt fiel bei dem deutsch-französischen Konsortium im Januar 2020 der Startschuss für eine Pilotfertigung in einer Anlage von Saft in Frankreich. Dort entwickelten die Partner die Zelltechnologie für die künftigen Werke in Douvrin und Kaiserslautern. Damals war noch von je 24 GWh pro Jahr und Fabrik die Rede.
Das Joint Venture „Automotive Cell Company“ (ACC) wurde offiziell im September 2020 von PSA, Opel und TotalEnergies-Tochter Saft gegründet. Altmaier sagte damals: „Mit Batterien made in Germany sichern wir Wertschöpfung und Arbeitsplätze von morgen!“ Mit der Fusion von PSA und FCA zum heutigen Stellantis-Konzern kam 2022 der dritte ACC-Standort im italienischen Termoli nahe des dortigen Fiat-Werks ins Spiel. Im März 2022 war kurz davor Mercedes-Benz offiziell weiterer Partner bei ACC geworden.
Darlehen für vier weitere Produktionsblöcke
Damit zurück in die Gegenwart: Noch im Februar dieses Jahres nahm ACC bei Geschäftsbanken ein Darlehen in Höhe von 4,4 Milliarden Euro auf, um den Bau der drei Batteriezellenfabriken zu finanzieren. Auch die Anteilseigner schossen in diesem Zuge Geld nach – was sich wie oben erwähnt auf die zuvor ausgeglichenen Besitzverhältnisse auswirkte. Mit dem Darlehen sollten laut offiziellen Angaben vier weitere Produktionsblöcke finanziert werden, ein weiter in Frankreich, einer in Deutschland und zwei in Italien. Aber: Das Schuldenpaket sollte nicht nur die neuen Produktionskapazitäten finanzieren, sondern auch die Entwicklungsarbeit des Unternehmens. Eventuell fließt das Geld nun also in die Entwicklung güngstigerer Zelltechnologien.
ACC ist unterdessen nicht der erste Batteriezellenhersteller, der seien Pläne anpasst. Erst vor wenigen Tagen gab der chinesische Batteriespezialist SVOLT bekannt, sein im September 2022 angekündigtes Werk im brandenburgischen Lauchhammer nicht umzusetzen. SVOLT hat nach eigenen Angaben seine Standortstrategie neu bewertet – und lässt auch Frust an fehlender politischer Unterstützung erkennen. In einer Mitteilung des Unternehmens hieß es vergangene Woche wörtlich: „Neben einer ohnehin geringen Planungssicherheit auf unterschiedlichsten Ebenen – von international drohenden Strafzöllen bis hin zu Marktverzerrungen durch langwierige sowie ungleich verteilte Fördermittel“, sei außerdem ein „signifikantes Kundenprojekt weggefallen“. Hinzu kämen „die wieder aufflammenden Diskussionen über das Verbrenner-Aus in der EU, die sich kontraproduktiv auf die geplanten Lokalisierungsbemühungen auswirken.“ Der Bau der SVOLT-Fabrik im Saarland verzögert sich parallel weiter.
Ein weiteres Beispiel ist Ford: Die Pläne für ein türkisches Batteriezellenwerk in Regie von LG Energy Solution und Koç – neben Ford Gesellschafter des Joint Ventures Ford Otosan – liegen schon länger auf Eis. Hintergrund ist ein vom Ford-Konzern eingeschlagener Sparkurs als Reaktion auf Milliarden-Verluste bei der Ford-Elektrosparte Model e und – ebenfalls – einer sich abschwächenden Nachfrage.
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