EU verhängt Zölle auf chinesische E-Autos ab Juli
Bereits wenige Stunden vor der offiziellen Bestätigung der Kommission hatte die „Financial Times“ berichtet, dass die Zölle mehr als zwei Milliarden Euro pro Jahr einbringen sollen. Die deutsche Regierung soll sich den Informationen zufolge gegen die Einführung der Zölle ausgesprochen haben, da Berlin das Risiko eines teuren Handelskriegs mit Peking sieht. Durchgesetzt hat sich Deutschland mit dieser Haltung offenkundig nicht: Die EU-Kommission hat am Mittwoch in Brüssel mitgeteilt, dass ab dem nächsten Monat vorläufige Sonderzölle für Elektroautos aus China erhoben werden.
Erwähnenswert ist, dass die Zölle nicht pauschal gelten, sondern je nach Hersteller unterschiedlich hoch ausfallen. Maßgeblich hierfür soll wohl die Höhe der von der EU festgestellten Subventionen sein: Hat ein chinesischer Hersteller mehr Geld von der Regierung erhalten (und kann der EU-Logik zufolge so seine Fahrzeuge künstlich zu einem niedrigeren Preis anbieten), fällt der Einfuhrzoll in die EU höher aus.
Das bedeutet: BYD wird mit einem Sonderzoll von 17,4 Prozent belegt. Bei Geely sind es 20 Prozent und bei SAIC sehen die Politiker in Brüssel die größte Marktverzerrung: Der Autobauer mit Sitz in Shanghai wird mit 38,1 Prozent Sonderzoll belegt. Zu SAIC gehört zum Beispiel die Marke MG Motor, die auch in Deutschland Elektroautos vertreibt. Wenn die Zölle für alle Geely-Marken gelten, sind auch bekannte E-Autobauer wie Volvo, Polestar, Lynk&Co oder Zeekr betroffen – und potenziell auch Smart als Joint Venture von Geely und Mercedes-Benz. Wichtig: Wie etwa das „Handelsblatt“ schreibt, handelt es sich um Zusatzzölle. Sie werden also zusätzlich zu den bereits geltenden zehn Prozent Einfuhrzoll für E-Autos aus China erhoben – was die effektiven Zölle jeweils um zehn Prozentpunkte anhebt.
Sonderzölle könnten noch gekippt werden – theoretisch
In der Mitteilung nennt die Kommission nur diese drei Konzerne direkt – was aber nicht heißt, dass alle anderen Hersteller ohne Sonderzölle wegkommen. „Für andere BEV-Hersteller in China, die an der Untersuchung mitarbeiteten, aber nicht in die Stichprobe einbezogen wurden, würde der folgende gewogene durchschnittliche Zoll gelten: 21 %. Für alle anderen BEV-Hersteller in China, die an der Untersuchung nicht mitgearbeitet haben, würde der folgende Residualzoll gelten: 38,1 %“, teilt die Kommission mit. Nur: Wer kooperiert hat und wer nicht, wird nicht genannt.
Offen ist noch, welcher Sonderzoll für Tesla bzw. konkret das Model 3 gelten wird. „Auf einen begründeten Antrag hin kann einem BEV-Hersteller in China – Tesla – im Rahmen der endgültigen Untersuchung ein individuell berechneter Zollsatz gewährt werden“, heißt es in der EU-Mitteilung. Tesla betreibt in China eine große Fabrik, die nicht nur für den lokalen Markt, sondern auch den Export fertigt – so stammen etwa alle in Europa verkauften Model 3 aus der Giga Shanghai. Was dieser Satz am Ende tatsächlich bedeutet, ist aber noch völlig unklar.
Die angestrebte Erhebung der Zölle ab Juli ist anfangs noch vorläufig. Die EU-Mitgliedstaaten werden aufgefordert, vor dem 2. November über die Zölle abzustimmen. Endgültige Zölle werden normalerweise für fünf Jahre eingeführt. Es wären Nein-Stimmen aus mindestens 15 EU-Ländern nötig, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Dass sich so viele Länder doch noch gegen die E-Auto-Zölle aussprechen, gilt als unwahrscheinlich.
Die Regierung in Peking hat zudem bereits Gegenmaßnahmen angekündigt, die aber nicht den Import von europäischen Elektroautos, sondern von in Europa gebauten Verbrennern mit großem Hubraum teurer machen würde – also jene Margen-trächtigen Modelle, mit denen vor allem die deutschen Hersteller derzeit gut verdienen.
Die erste Reaktion aus China zeigt die Enttäuschung der dortigen Regierung. „Wir sind schockiert und zutiefst enttäuscht. Zollsätze zwischen 17,4 % und 38,1 % stellen eine ERNSTHAFTE Marktbarriere dar“, schreibt die chinesische Handelskammer in der EU (CCCEU) auf X. Auch VDA-Präsidentin Hildegard Müller ist nicht begeistert: „Der potenzielle Schaden, der von den jetzt angekündigten Maßnahmen ausgehen könnte, ist womöglich höher als der mögliche Nutzen für die europäische – und insbesondere die deutsche – Automobilindustrie.“
Wohl auch deshalb hat sich die deutsche Regierung mit Unterstützung von Schweden und Ungarn gegen die erhöhten Zölle ausgesprochen. Starke Befürworter sollen hingegen Frankreich und Spanien gewesen sein, so die „FT“. Aber die intensive Lobbyarbeit der Regierung Scholz „hat nicht funktioniert“, sagte eine mit dem Prozess vertraute Person der Zeitung. Schweden dürfte sich der deutschen Position wegen der Lage von Volvo angeschlossen haben: Volvo Cars gehört bekanntlich zum chinesischen Geely-Konzern und nutzt daher die Geely-Werke in Fernost für seine globale Produktion. Der elektrische Volvo EX30 wird derzeit nur in China gebaut, soll im kommenden Jahr aber auch im belgischen Gent vom Band laufen.
Die „FT“ zitiert auch eine Prognose des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, wonach eine Erhöhung der Einfuhrzölle um 20 Prozentpunkte (also von derzeit zehn auf 30 Prozent) den Import von chinesischen Elektroautos um ein Viertel verringern würde. Die Kieler sind dabei von 500.000 aus China importierten Elektroautos im Jahr 2023 ausgegangen, was also grob 125.000 Fahrzeugen weniger im Wert von vier Milliarden Euro entsprechen würde. „Der Rückgang würde weitgehend durch einen Anstieg der Produktion innerhalb der EU und einen geringeren Export von Elektrofahrzeugen kompensiert werden, was wahrscheinlich zu spürbar höheren Preisen für die Endverbraucher führen würde“, so die Forscher.
Die Kommission gibt selbst an, dass chinesische E-Autos im Schnitt 20 Prozent günstiger seien als vergleichbare, in der EU hergestellte Fahrzeuge. Mit diesen Preisen wird erwartet, dass die chinesischen Hersteller im kommenden Jahr einen Marktanteil von 15 Prozent in Europa erreichen können. Das Ressort von EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis geht aber eben davon aus, dass die chinesischen Hersteller diese Preise nur aufgrund der staatlichen Subventionen erreichen können. „Wettbewerb muss fair sein“, sagte Dombrovskis bereits im Oktober 2023.
ec.europa.eu, ec.europa.eu (Q&A), ft.com, handelsblatt.com
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