Umweltbundesamt legt seine Vision des Güterverkehrs für 2045 vor

Das Umweltbundesamt hat seine Vorstellungen für den Güterverkehr im Jahr 2045 zu Papier gebracht. E-Antriebe spielen dabei ein wichtige Rolle, nicht nur bei Lkw, sondern auch in der Binnenschifffahrt und auf der Schiene. Wir haben herausgefiltert, was die Empfehlungen des Amts für die Zukunft des Straßengüterverkehrs bedeuten würden.

milence ladestation charging station e lkw electric truck frankreich france heudebouville 2024 06 min
Bild: Milence

Das Umweltbundesamt skizziert in seiner neuen Fachbroschüre „Schwere Lasten. Große Aufgabe. Ein Ziel.“ Wege zu einem umweltschonenden Güterverkehr. Auf 88 Seiten nimmt es dabei die Warenbewegungen von international bis lokal unter die Lupe und schlägt mehr als 70 Maßnahmen vor, die vor allem die Elektrifizierung und Verlagerung im Güterverkehr voranbringen sollen. Mit seiner Vision richtet sich das Amt nach eigenen Angaben „sowohl an politische als auch wirtschaftliche Entscheidungsträger*innen, die auf globaler, nationaler und kommunaler Ebene agieren“.

Die Bestandsaufnahme und die Vorschläge sind dabei sehr breit gefächert. Letztere reichen beispielsweise von der Senkung der Entgelte für die Nutzung von Zugtrassen über die Einführung des „Blauen Engel“ für Logistik-Rechenzentren bis zur Etablierung von Vertriebsmodellen zur Kostenweitergabe von Retouren. electrive zoomt daher auf jenes Maßnahmenpaket, das das Bundesumweltamt mit Blick auf Antriebstechnologien und Ladeinfrastruktur vorschlägt. Hier in Kürze:

  • Steuerungswirkung der Lkw-Maut beibehalten
  • CO2-Bepreisung über EU-ETS 2 weiterentwickeln
  • Energie- und Stromsteuer weiterentwickeln
  • THG-Quote beibehalten
  • Neuanschaffungen von E-Lkw bezuschussen
  • Flottenzielwerte für neue Lkw verschärfen
  • Ladeinfrastruktur ausbauen

Erstes erwähntes Instrument ist die im Dezember 2023 eingeführte Novelle der Lkw-Maut, die seitdem eine CO2-Staffelung enthält. Die Steuerungswirkung der Maut müsse auch zukünftig sichergestellt werden, schreibt das Umweltbundesamt. Denn: „Die eingeführte CO2-Komponente der Lkw-Maut ist ein großer Schritt in die richtige Richtung“. Ohne diesen Aufpreis gibt es wenig Anreiz, sich zu bewegen. Denn: Der fossil betriebene Straßengüterverkehr sei derzeit konkurrenzlos billig, stellen die Autoren fest. Das Umsteuern „braucht klare Wegweiser – also die richtigen Rahmenbedingungen“.

Dabei sieht das Umweltbundesamt auch die CO2-Bepreisung als wirksamen Hebel. Seit 2024 fällt an der Tankstelle bereits ein CO2-Preis
auf Diesel und Benzin von 45 Euro pro Tonne CO2 an und es ist geplant, bis 2026 den Zertifikatepreis je emittierte Tonne CO2 schrittweise auf bis zu 65 Euro zu erhöhen. Ab 2027 soll der nationale Emissionshandel dann in den 2023 beschlossenen neuen Europäischen Emissionshandel für Brennstoffe
(den sogenannten EU-ETS 2) überführt werden.

Mit der Weiterentwicklung der Energie- und Stromsteuer als weitere Maßnahme zielt das Umweltbundesamt darauf, auch bei diesen Abgaben den Klima- und Umweltschutz in den Fokus zu rücken und im Gegenzug auch den Abbau der Privilegien für den Diesel anzugehen. Gleichzeitig solle die seit 2015 geltende Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) im Rahmen der EU-Erneuerbare-Energien-Richtlinie beibehalten werden, schreiben die Autoren. Denn sie „macht E-Lkw finanziell attraktiver“: Denn da elektrische Antriebe gegenüber Diesel-Lkw weitaus weniger Treibhausgasemissionen haben, können die Quotenverpflichteten ihre Quoten inzwischen auch über E-Lkw erreichen.

Als weiteres Instrument plädierte das Umweltbundesamt für die Verschärfung
der CO2-Flottenzielwerte
in der EU, um Hersteller zum Bau von Lkw mit alternativen Antrieben zu motivieren. Die gerade erst in Kraft getretene Neuregelung, wodurch die durchschnittlichen CO2-Emissionen neuer Lkw ab 2030 um 45 Prozent, ab 2035 um 65 Prozent und ab 2040 um 90 Prozent niedriger sein müssen als 2019, geht den Autoren nicht weit genug: „Diese Vorgaben führen in die richtige Richtung, allerdings hätten noch ambitioniertere Ziele und ein Verbot für Verbrennungsmotoren im Straßengüterverkehr die Klimaschutzziele näher gerückt.“

Letzter Punkt im genannten Bereich ist die Ladeinfrastruktur. Das Umweltbundesamt warnt, dass ohne Ladesäulen keine Elektrifizierung möglich sei. „Maßnahmen zur Förderung von E-Antrieben bleiben wirkungslos, wenn das Ladenetz große Lücken hat.“ Deshalb plädieren die Autoren für einen vorausschauenden Ausbau und dafür, Lücken zu schließen, die Verfügbarkeit sicherstellen, das Depotladen zu berücksichtigen und Netzanschlüsse zu verstärken. Neben dem Ladenetzausbau an sich halten sie es auch für ratsam,
die Option eines Oberleitungssystems entlang der Hauptkorridore im deutschen Autobahnnetz offen zu halten, „um zukünftig möglichen Engpässen bei der stationären Ladeinfrastruktur entgegen wirken zu können“.

Das Umweltbundesamt gibt sich in ihren Ausblick am Ende ihrer Fachbroschüre überzeugt, dass umweltschonender Güterverkehr machbar ist – international, national und auch urban. „Die zwei tragenden Säulen auf dem Weg zu nachhaltigeren Transporten sind die Energiewende im Güterverkehr, sie umfasst eine umfassende Elektrifizierung und die Abkehr von fossilen Kraftstoffen, und die Verkehrswende, also die gezielte Stärkung von umweltverträglicheren Verkehrsmitteln wie Bahn und Binnenschiff.“ Zur Verkehrswende gehöre ganz wesentlich auch die Vermeidung von Transporten – etwa durch Bündelung von Stoffströmen und Kapazitäten, durch konsequenten Einsatz digitaler Technologie, durch regionalen Konsum und nachhaltige Beschaffung, führt das Amt aus.

Allein in Deutschland sind in der gesamten Logistikbranche mehr als drei Millionen Mitarbeiter beschäftigt. Da das Umweltbundesamt seine Vision diesen nicht einfach überstülpen will, ist deren Erarbeitung „durch fachliche Austausche mit Stakeholdern aus der verladenden Wirtschaft, der Politik und Gesellschaft begleitet“. In einer Kolloquienreihe mit 18 Veranstaltungen und einem Expertenworkshop habe man – auch jenseits der bekannten Diskurse – Wege diskutiert, wie der Güterverkehr umweltschonender aufgestellt werden kann, teilen die Autoren mit.

Ausgangspunkt der Vision ist die Tatsache, dass der Güterverkehr rund ein Drittel der Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors in Deutschland verursacht und zudem deutlich stärker wächst als der Personenverkehr: Der Güterverkehr nahm genau genommen zwischen 1991 und 2022 um rund 75 Prozent zu, im Personenverkehr fiel das Wachstum mit 22 Prozent deutlich geringer aus. Aktuelle Verkehrsprognosen zeigen, dass die ⁠Verkehrsleistung⁠ des Güterverkehrs bis zum Jahr 2051 um 46 Prozent zunehmen wird im Vergleich zum Jahr 2019 – wenn nicht umgesteuert wird.

Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes (⁠UBA⁠) betont: „Die Entwicklungen im Güterverkehr zeigen deutlich, dass die Verkehrswende trotz der sektorübergreifenden Betrachtung im überarbeiteten Klimaschutzgesetz dringend notwendig ist. Mit einer Zunahme des Güterverkehrs werden wir die Klimaziele ohne stärkeres Handeln nicht erreichen. Politik und Wirtschaft sind jetzt gefordert, die Weichen für einen umweltschonenden Güterverkehr zu stellen – auch wenn sich die Effekte zeitlich verzögert einstellen. Gleichzeitig können wir alle unseren Beitrag leisten, indem wir hinterfragen, ob und wie schnell wir ein bestimmtes Gut tatsächlich brauchen.“

umweltbundesamt.de, umweltbundesamt.de (Studie, PDF)

3 Kommentare

zu „Umweltbundesamt legt seine Vision des Güterverkehrs für 2045 vor“
Hannes Lüttringhaus
13.06.2024 um 14:21
"Gleichzeitig können wir alle unseren Beitrag leisten, indem wir hinterfragen, ob und wie schnell wir ein bestimmtes Gut tatsächlich brauchen." Dieser Schlusssatz ist vergiftet. Das ist wie mit dem CO2 Fußabdruck von BP oder der Recycling Kampagne der petrochemischen Industrie. Die Schuldverlagerung auf den Endverbraucher ist ein lohnender Zeitgewinn gegen den unbequemen Wandel. In Zeiten der "Just-in-Time" Produktion ist Lagerhaltung nirgends mehr gewünscht. Der Verbraucher spart auch keine Emissionen, wenn er mit dem Auto zum Einzelhandel einkaufen fährt, anstatt zu bestellen. Im Übrigen stirbt der Einzelhandel im Bereich der Fachgeschäfte gerade aus.
Battie
15.06.2024 um 20:07
21% Gesamtwirkungsgrad beim E-Fuel Lkw, das möchte ich sehen. Und wo bitte kommt dann das CO2 für das E-Fuel her? Aus einer Brauerei etwa (siehe Wikipedia "Haru Oni")? Na denn Prost ...
erFahrer
17.06.2024 um 07:52
Danke - Ob es eine signifikante Reduzierung zur Folge hat, wenn #AMAZON und Co. Ihr Pakete nur noch mit der Hälfte an Luft und dafür mit mehr Inhalt je Karton versehen? Eine kräftige Kartonagensteuer oder. Verpackungsvolumensteuer wäre für die gesamte EU und alle 3 Mio. Logistiker und Facheinzelhändler wohl ein Segen?

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