E-SUV EL8: Neuer Nio-Anführer mit klarem Bekenntnis zum HPC-Laden
Der EL8 führt nur in Deutschland wegen der Marken-Konkurrenz zu Audi ein „L“ in seinem Namen. In anderen Ländern wird er als ES8 vermarktet. Und richtig: Das Modell gibt es u. a. in China und Norwegen schon länger. Auf der aktuellen Plattform und mit großem Update präsentiert Nio es nun aber als rund erneuerten Oberklasse-Anführer seines Portfolios. Das über fünf Meter lange strombetriebene Luxus-SUV mit sechs Sitzen ist ab sofort in Deutschland, Dänemark, den Niederlanden, Norwegen und Schweden bestellbar. Es kostet ab 82.900 Euro ohne Batterie (aber zuzüglich einer dann anfallenden monatlichen Batteriemiete). Oder ab 94.900 Euro mit Batterie. Auf dem Seeweg werden die ersten Exemplare bald von China hergebracht, damit die Auslieferungen im September beginnen können.
Lieferung aus China nach Europa? Ja, Nio ist von den vorläufigen Sonderzöllen betroffen, die die EU-Kommission im Juli auf E-Autos aus China einführen will. In einem offiziellen Statement betont Nio, dass dies seine Europa-Pläne nicht einschränke: „Nios Engagement in Europas Elektroautomarkt bleibt unerschütterlich und wir werden weiterhin unsere Nutzer bedienen.“ In der Nio-Filiale in Frankfurt, wo der EL8 ebenso wie in den anderen europäischen Filialen (sogenannte „Nio Houses“) diese Woche enthüllt wurde, sollen die Zölle die Premieren-Stimmung nicht killen – sind also kein Thema des offiziellen Veranstaltungsteils. Am Rande äußert Stephane Burger, Regional Manager Südwest bei Nio, aber auf unsere Anfrage, dass die Zölle natürlich ein Thema für Nio werden. Nio habe sich aber beim Pricing für den EL8 so positioniert, dass sich dieses auch im Falle der Sonderzölle halten lasse, so der Manager.
Viele technische Daten des EL8 sind vom Antrieb der schon länger in Deutschland erhältlichen Premium-Limousine ET7 bekannt. Beide Oberklassemodelle basieren auf der NT2.0-Plattform, verfügen über zwei Batterieoptionen (100 oder 75 kWh brutto) und den bekannten 480-kW-Doppelmotor. Der EL8 ist also Allradler per Definition. Im Gegensatz zur ET7-Limousine steht das ausgewachsene SUV aber künftig wesentlich kürzer am Schnelllader: Nio spendiert ihm 240 kW DC-Ladeleistung, was den Ladevorgang von 10 auf 80 % SoC auf rund 20 Minuten beschleunigen soll (an Ladern mit 660 Ampere). Dies gilt allerdings nur für den EL8 mit großer Batterie. In der Standard-Version lädt er weiterhin mit den bisher für alle Modelle verfügbaren 125 kW DC. Hoffnung darauf, dass auch die anderen, bestehenden Nio-Stromer bald 240 kW DC laden können, machen die in Frankfurter präsenten Manager übrigens nicht. Die Funktion bleibe vorerst dem EL8 Long Range vorbehalten.
Bisher ist Nio beim Schnellladen nicht wie andere Hersteller an die oberen Limits gegangen, da mit dem Batteriewechsel eine zweite Alternative zur Verfügung steht, um wieder schnell zu einem vollen Akku zu kommen. Umentschieden hat sich Nio beim EL8 nun, da die Ladeleistung im Unternehmen durchaus als Kriterium der Kaufentscheidung identifiziert wurde. Stephane Burger gibt im Gespräch in Frankfurt an, dass es Käufer beruhige, allein zu wissen, dass ihr Fahrzeug so schnell laden könne. Auch wenn der Ladeleistungs-Peak in der Praxis oft weniger relevant ist als gedacht. An der AC-Säule lädt der EL8 die gewohnten 11 kW.
Trotz 2,5 Tonnen Masse in 4,1 Sekunden auf 100 km/h
Was noch? Mit seinen Maßen von 5,10 x 2 x 1,75 Metern und einem Radstand von 3,07 Metern ist der EL8 natürlich eine imposante Erscheinung. Durch die 410 kW (dabei stammen 180 kW von einem SiC-Permanentmagnetmotor und 300 kW von einem Induktionsmotor) soll das Kraftpaket seine 2,5 Tonnen Leergewicht in 4,1 Sekunden von 0 auf 100 km/h bringen. Die Reichweite beziffert Nio je nach Batterie auf 390 bzw. 510 Kilometer nach WLTP, den Luftwiderstandsbeiwert als Indikator für die Aerodynamik auf 0,25 Cw – für einen per se eher hohen SUV ein ziemlich guter Wert.
Innen bietet das Modell drei Sitzreihen mit je zwei Sitzen – insgesamt also sechs Sitze. In der Standardausführung sind die beiden Sitze der zweiten Reihe per Mittelgang getrennt. Im „EL8 Executive“ thront anstelle des Gangs eine Mittelkonsole samt Kühlschrank, der übrigens auch das Gegenteil beherrschen soll – nämlich Essen aufwärmen. Diese Version ist im Basispreis 5.000 Euro teurer als die Standardausführung. Grundsätzlich erlaubt die Konfiguration mit je zwei Sitzen nebeneinander eine noch akzeptable Fahrzeugbreite. Benjamin Steinmetz, Nios Product Experience Director für Europa, spricht von einem neuen „Interieur-Package“, wodurch die knapp zwei Meter Breite der ET7-Limousine gehalten werden können – obwohl der SUV mit seiner obligatorischen Karosserieform wuchtiger daherkommt.
Viel Raum für Passagiere – weniger fürs Gepäck
Nio verortet sein neues Flaggschiff als Luxus-Familienauto oder – siehe die Executive-Variante – als Businesswagen. In der dritten Sitzreihe sitzen Passagiere unter 1,80 Metern bequem, wer größer ist, bekommt aber den Dachhimmel zu spüren, da die Dachlinie des Modells nach hinten leicht absinkt, ehe sie zum Heck steil abfällt. Die dünnen Rücksitze lassen sich umklappen, sodass das Kofferraumvolumen von 265 Litern auf 810 Litern wächst. Das zeigt: Als Gepäck-Raumwunder ist der EL8 nicht konzipiert. Viel mehr versucht Nio, den Passagieren den größtmöglichen Platz zu gewähren und die Fahrt mit mannigfaltigen Sitzeinstellungs- und Massagemöglichkeiten so bequem wie möglich zu machen. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Anhängelast zwei Tonnen beträgt.
Optisch folgt der EL8 der Designsprache der bereits erhältlichen Nio-Stromer. In Deutschland sind dies die etwas kleineren E-SUVs EL6 und EL7 sowie die Limousinen ET7 und ET5 (samt dessen Kombi-Ableger ET5 Touring). Allesamt fallen mit schmalen Front-Scheinwerfern, bündigen Türgriffen und einem insgesamt minimalistisch-stromlinienförmigen Auftritt auf. Im EL8 sind unter anderem noch flächenbündige Fenster, in die Kotflügel integrierte Kameras sowie in den Karosseriekomponenten versteckt integrierte Blinker und Front- und Heckscheibenwischer zu nennen. Die obligatorischen Ausbuchtungen über der Windschutzscheibe zeugen zudem von LiDAR und weiteren Sensoren. Was die vernetzten und intuitiven Fahrfunktionen angeht, greift der EL8 auf das bekannte Smart-Driving-Gesamtpaket des Herstellers zurück.
Üppige Serienausstattung – nur wenige Extras
Als weitere Merkmale des Luxus-SUV nennt Nio unter anderem das Fahrwerk mit Zweikammer-Luftfederung und „Continuous Damping Control“ für vom Untergrund unabhängigen Fahrkomfort. Außerdem eine 5-Zonen-Heizung, ein Surround-Soundsystem, spezielle Beleuchtung und serienmäßig 20-Zöller, die aber optional gegen 21- oder 22-Zöller getauscht werden können. Wert legt Nio zudem auf Sicherheitsfeatures – sei es durch Airbags oder die insgesamt 24 Sicherheits- und Fahrassistenzsysteme.
Debütieren wird in dem EL8 laut Nio ein verbessertes 16,3-Zoll-Head Up Display, das ein 12,8-Zoll-Display in der Cockpit-Mitte und ein 6,6-Zoll-Display im Heck ergänzt. Mit an Bord ist ferner Nios bekannte KI-Sprachassistenz NOMI Halo „mit einer aktualisierten und verbesserten Version von NOMI Mate, die für beide NIO EL8-Modelle optional erhältlich ist“, wie der Hersteller mitteilt. Konkret wurde die Sprachsteuerung mit neuen GPT-Funktionen ausgestattet.
Der NIO EL8 wurde in Frankfurt in einem Dunkelgrün namens Nebula Green enthüllt. Grundsätzlich steht das Modell in fünf Außen- und drei Innenfarben zur Verfügung. Zur optionalen Ausstattung gehören neben den 21-Zoll- oder 22-Zoll-Felgen, eine Anhängerkupplung sowie ein Premium-Comfort Package (Hot-Stone-Massage-Funktion in der ersten und zweiten Reihe, belüftete Sitze in der zweiten und beheizte Sitze in der dritten Reihe).
Abschließend noch ein paar Worte zum Pricing, das bei Nio durch die angebotene Batterie-Miete immer etwas komplex ist. Der Basispreis von 82.900 Euro gilt interessanterweise für beide Varianten des EL8 – egal ob mit kleiner oder großer Batterie. Dafür müssen Käufer dann unterschiedlich viel für die Monatsmiete der Batterie zahlen, nämlich 168 Euro für die kleine und 289 Euro für die große Batterie. Hinzu kommen etwaige Kosten für die Nutzung der Wechselstationen. Wer das Modell samt Batterie kaufen möchte (und im Umkehrschluss auf das Batterie-Swapping verzichtet), zahlt ab 94.900 Euro für die Standard- und ab 103.900 Euro für die Long-Range-Version.
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