Erste Ausfahrt im Ford Explorer: So fährt sich der MEB-Stromer aus Köln
Der Name klingt nach Amerika, Freiheit und Abenteuer und aus den Tiefen der Mittelkonsole grüßt die Silhouette des Kölner Doms – wenn Ford jetzt zu ausgesprochen selbstbewussten Preisen ab zunächst 49.500 Euro den neuen Explorer verkauft, dann soll an dessen pflaumenblauem Blut keiner zweifeln.
Doch ganz so einfach ist die Genese des elektrischen Crossovers nicht. Denn um Zeit zu sparen bei der Entwicklung und als Retourkutsche für den Bau des nächsten VW-Transporters auf der Plattform des Transit hat Ford den Explorer eben nicht selbst entwickelt, sondern sich des MEB aus Wolfsburg bedient – und den Start dann doch gehörig verstolpert. Obwohl sie für den Neuzugang schon im vergangenen Sommer den Fiesta geopfert und das Stammwerk am Rhein für zwei Milliarden Euro umgebaut haben, kommt der Hoffnungsträger erst jetzt in den Handel und muss das dicht besetzte Feld in der Kompaktklasse von hinten aufrollen. Schließlich hat die elektrische Revolution bei Ford bis dato noch nicht so recht gezündet: Der Mustang Mach-E fährt unter ferner liefen, der F-150 Lightning ist nur ein teurer Blickfang in der Nische und der elektrische Transit läuft gerade erst an.
Immerhin ist der Explorer für seine Mission als Rettungswagen gut gerüstet. Denn Ford hat mit 4,47 Metern Länge nicht nur ein geschicktes Format gewählt, das ziemlich genau zwischen den Wolfsburger Vettern ID.3 und ID.4 liegt. Sondern sie haben dem Explorer in Köln auch eine eigene Form und damit einen eigenen Charakter gegeben. Mit stolzem, aufrechtem Bug, einer eigenwilligen Fenstergrafik und einem kantigen Heck erinnert er deshalb tatsächlich eher an den amerikanischen Explorer aus der Liga der großen Geländewagen als an die seifenweich gezeichneten VW-Modelle.
Auch innen gehen die Kölner ihren eigenen Weg. Zwar bleibt es bei den Sensortasten am Lenkrad, die VW gerade so langsam ausmustert, und auch der Rest des Cockpits wirkt sattsam vertraut. Aber die Mittelkonsole hat man so noch nicht gesehen – und selbst Skoda sollte da mal ganz genau hinschauen. Denn egal ob das an die Zentralverriegelung gekoppelte Geheimfach hinter dem senkrecht montierten 15-Zoll-Bildschirm, die multifunktionale Konsole mit ihren vielen, verschachtelten Einsätzen oder die Datenpakete zum kostenlosen Download, mit denen sich die Kunden weiteres Zubehör am 3D-Drucker bauen können – viel simpler und cleverer kann man den Stauraum im Auto kaum gestalten. Schade nur, dass die Kreativität nicht auch noch für zumindest einen klitzekleinen Frunk gereicht hat. Nicht, dass der Kofferraum mit 536 Litern zu klein wäre und es dort kein Souterrain fürs Ladekabel gäbe. Aber spätestens, wenn man im Regen auf dem Weg in den Urlaub vor dem Aufladen erst einmal alles ausladen muss, weiß man, wie wertvoll das wäre.
Vor allem aber fährt der Ford anders. Obwohl Antrieb und Akkus gleich sind, weil da schließlich die Zeit und das Geld gespart werden sollte, haben sie in Köln eine eigene Abstimmung gemacht und dem Explorer dabei etwas mehr Engagement mit auf den Weg gegeben. So, wie der selige Fiesta immer schon besser, weil leidenschaftlicher fuhr als ein Polo, fühlt man sich auch im Explorer enger mit Fahrzeug und Fahrbahn verbunden und kutschiert nicht ganz so teilnahmslos dem Ziel entgegen – selbst wenn die Unterschiede in der elektrischen Welt natürlich nicht ganz so groß sind.
In Fahrt bringen den Ford dabei im vorläufigen Basismodell eine an der Hinterachse montierte E-Maschine mit 210 kW, die bis zu 180 km/h ermöglicht und ihren Strom aus einem 77 kWh großen Akku zieht. Der reicht für bestenfalls 602 Norm-Kilometer und kann danach mit maximal 135 kW geladen werden. Wer 4.000 Euro mehr ausgibt, bekommt bei identischer Höchstgeschwindigkeit zwei Motoren und dann 250 kW Leistung sowie einen 79 kWh großen Akku für bestenfalls 566 Kilometer, der immerhin mit 185 kW geladen werden kann. In beiden Fällen reichen damit knapp 30 Minuten für den Hub von zehn auf 80 Prozent. Und wer aufs Geld schaut, der muss noch bis zum letzten Quartal warten, wenn Ford die 125 kW-Version mit 54 kWh-Akku für 384 Kilometer nachreicht – für 42.500 Euro.
Explorer RWD | Explorer AWD | |
---|---|---|
Antrieb | RWD | AWD |
Leistung | 210 kW | 250 kW |
Drehmoment | 545 Nm | 134+545 Nm |
Beschleunigung | 6,4 s | 5,3 s |
Höchstgeschwindigkeit | 180 km/h | 180 km/h |
WLTP–Reichweite | 602 km | 566 km |
Batteriekapazität | 77 kWh | 79 kWh |
Ladeleistung DC | 135 kW | 185 kW |
Ladezeit DC 10-80% | 28 min | 26 min |
Preis | 49.500 Euro | 53.420Euro |
Zwar fällt der Vergleich mit VW schwer, weil der Explorer zwischen ID.3 und ID.4 sitzt. Aber egal wie man es rechnet, liegt der Ford preislich im Einstieg deutlich über beiden Modellen aus Niedersachsen. Immerhin hat Ford übersichtlich strukturiert: Denn zu den anfangs zwei und später drei Antriebsvarianten gibt es nur die zwei Ausstattungsniveaus Explorer und Premium (zusätzlich mit Matrix-Licht und Ambiente-Beleuchtung, elektrischer Heckklappe und ein bisschen mehr Chichi), ein Paket mit Assistenzsystemen und sieben Einzeloptionen vom Panoramadach über die elektrisch ausklappbare Anhängerkupplung bis zur Wärmepumpe. Und damit der Alltag an der Ladesäule nicht zum Abenteuer wird, gibt’s mit dem Explorer Zugang zum Blue Oval Charge Network, das in Europa aktuell rund 600.000 Ladesäulen umfasst.
Das mag Vielfahrern auf ihrem Weg kreuz und quer über den Kontinent helfen. Doch für Lexie Limitless war das nur ein kleiner Trost. Die Influencerin hat die vergangenen Wochen mit einer werbewirksamen Weltumrundung bewiesen, wie weit der Explorer tatsächlich kommt. Allerdings war die Fahrt durch Patagonien oder zu den Pyramiden nichts gegen die Abenteuer, die dem Explorer im weiten Feld zwischen Skoda Enyaq, VW ID.4, Opel Frontera, Peugeot e-3008, Hyundai Kona Elektro und Kia Niro EV hier bei uns ins Haus stehen. Immerhin ist er dabei anders als Lexie nicht auf sich alleine gestellt. Denn schon zum Jahresende stellt im Ford einen elektrischen Puma beiseite und danach kommt als zweites MEB-Modell ein schnittiger gezeichneter Sport-Crossover.
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