Fraunhofer-Studie prognostiziert schnell fallende Fertigungskosten für E-Lkw
Die Studie des Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI hat sich die zukünftige Kostenentwicklung emissionsfreier Lkw als Analysethema vorgenommen und für die Studie Kosten von Schlüsselkomponenten aus über 200 Quellen untersucht. Die Ergebnisse veröffentlichte das Fraunhofer-Institut dieser Tage in der Fachpublikation „Nature Energy“. Eine der Kernaussagen der Studie ist, dass Batterie-elektrische Lkw die vielversprechendste und kosteneffizienteste Technologie für einen emissionsfreien Güterverkehr sei, wenngleich sich Brennstoffzellen-Lkw als Ergänzung für schwer elektrifizierbare Bereiche oder Spezialanwendungen anböten – „insbesondere, wenn Wasserstoff in größerem Umfang zur Verfügung stehen sollte als bisher erwartet“, wie die Studienmacher schreiben.
Um die künftige Kostenentwicklung der E-Lkw und ihrer Schlüsselkomponenten – insbesondere der Batterien und Brennstoffzellen selbst – zu untersuchen, hat das Fraunhofer ISI im Rahmen einer Meta-Analyse unterschiedliche Kostenentwicklungen aus der Literatur herangezogen und im Hinblick auf Robustheit, zeitliche Stabilität und Ambitionsniveau diskutiert. Außerdem verglichen die Forscher ihre ermittelten Kostenentwicklungen im Anschluss mit
Zielkosten für den technologischen Durchbruch gemäß anderer Studien und betteten sie in eine Gesamtkostenrechnung (TCO) ein, um sie Diesel-Lkw gegenüberstellen zu können. Herausgekommen sind so TCO-Vergleichs- bzw. Prognosewerte zwischen BEV-, FCEV- und Diesel-Lkw für die Jahre 2020, 2030 und 2040.
Kosten für E-Lkw fallen schneller als bisher gedacht
Dabei kommen die Studienmacher zu dem Schluss, dass die Kosten für Batterie- und Brennstoffzellensysteme für schwere Lkw deutlich schneller sinken werden, als in älteren Studien erwartet. So prognostiziert die Studie, dass die Kosten für Batteriesysteme um 64 bis 75 Prozent bis 2050 sinken dürften und die von (den von vorneherein teureren) BZ-Systemen potenziell noch stärker. Konkret haben die Forscher ermittelt, dass Batteriesystemkosten von 275 Euro/kWh in 2020 bald unter 200 Euro/kWh fallen werden und in den späten 2040er Jahren auf 100 Euro/kWh sinken könnten – eine 500 kWh große Batterie eines E-Lkw würde somit 2040 noch 50.000 Euro kosten und nicht 137.500 Euro wie in 2020. Ebenso werden die Kosten für Brennstoffzellensysteme in den späten 2030er Jahren vermutlich deutlich – auf rund 150 Euro/kW – sinken, wobei hier „Prognosen aufgrund der geringeren kommerziellen Reife und Zweifeln hinsichtlich der Realisierbarkeit von Zielkosten mit größerer Unsicherheit behaftet sind“, wie es heißt.
Grafik: S. et al. Nat. Energy https://doi.org/10.1038/s41560-024-01531-9 (2024) under a Creative Commons licence CC BY 4.0.
Die Autorinnen und Autoren der Analyse betonen zudem die großen Herausforderungen, um sowohl die hohen Kostensenkungen als auch technischen Fortschritte für beide Technologien schnell und in der Praxis zu realisieren. Sie geben daher eine Orientierung, wo aus ihrer Sicht der Fokus liegen sollte: „Nach heutigen Kenntnisstand wird der Batterie-elektrische Lkw mit hoher Sicherheit die vielversprechendste Technologie darstellen, um mindestens das Kostenniveau von heutigen Diesel-Lkw zu erreichen“. Und weiter: „Gleichzeitig benötigen sie dafür auch weniger finanzielle Unterstützung als Brennstoffzellen-Lkw, die vermutlich gegen Wasserstoffknappheit und hohe Preise anzukämpfen haben. Neben dem Kostenaspekt profitieren Batterie-elektrische Lkw auch von einer schnelleren, großskaligen Verfügbarkeit der Technologie am Markt. Darüber hinaus zeigen weitere Studien, dass Batterie-elektrische Lkw auch technisch – in Bezug auf erforderliche Reichweiten oder die Nutzlast – für die meisten Anwendungsfälle in der Logistik bereits heute geeignet sind.“
Brennstoffzellen-Lkw sieht das Autorenteam hingegen vor allem als ergänzende Technologie für schwer elektrifizierbare Bereiche oder Spezialtransporte – unter dem Vorbehalt, dass Wasserstoff für andere Sektoren in großem Umfang zur Verfügung stehe. Daher plädiert das Fraunhofer ISI für eine öffentliche Förderung beider Technologiepfade („F&E und Erprobung“), speziell für BEV-Lkw müssen aus Sicht der Studienmacher aber Investitionen in Produktionsanlagen und Ladeinfrastruktur erfolgen, die Stromnetze schneller ausgebaut und die Regulierung emissionsfreier Lkw angepasst werden, um die Marktdiffusion zu fördern. Als Adressaten dieser Forderungen werden die Industrie und die Politik gleichermaßen genannt.
Paralleler Rollout von BEV und FCEV kostet Zeit und Geld
Das Fraunhofer ISI gibt an, mit der Studie den Diskurs um die Priorisierung von Technologien voranbringen zu wollen. Während es bei Pkw inzwischen kaum noch Befürworter für den Wasserstoffantrieb gibt, sieht das bei schweren Lkw anders aus. Mehrere Hersteller fahren in diesem Bereich zweigleisig und entwickeln sowohl Lkw mit Batterie- als auch mit Brennstoffzellenantrieb. Das Fraunhofer ISI gibt zu bedenken, dass Roll-out-Vorbereitungen für beide Technologien („Infrastrukturausbau, Netzerweiterungen, Anpassungen im Produktportfolio, Vorschriften zur CO2-Regulierung oder mögliche Subventionen“) viel Zeit und Geld kosten und Investitionsentscheidungen durch die Unsicherheit potenziell hinausgezögert würden. Das Fazit: „Vor dem Hintergrund begrenzter öffentlicher Budgets führt dies zu der Frage der Priorisierung auf vielversprechende Technologien, insbesondere beim Übergang von einer Förderung von Forschung und Entwicklung hin zur Markteinführung, die mit deutlichen höheren Ausgaben einhergeht“.
Laut Steffen Link, Hauptautor der Studie, unterstreichen die Ergebnisse, dass die Kosten für emissionsfreie Lkw erheblich und schneller als erwartet sinken werden. Er fasst zusammen: „Dies erfordert den schnellen Aufbau von großskaligen Produktionsanlagen, um die Marktdiffusion dieser Fahrzeuge zu fördern. Unsere Analyse und der aktuelle Kenntnisstand zeigen, dass Batterie-elektrische Lkw die techno-ökonomische Wettbewerbsfähigkeit mit heutigen Diesel-Lkw für die meisten Anwendungsfälle in absehbarer Zeit erreichen dürften. Die priorisierte Förderung von Batterie-elektrischen Lkw stellt somit eine politische No-Regret-Option dar, die Unsicherheiten verringert, begrenzte öffentliche Budgets besser nutzt und richtungsweisend für den Logistikmarkt agiert.“ Dies sei für einen schnellen Übergang zu emissionsfreien Lkw unerlässlich. „Dafür müssen die Stromnetze und Ladeinfrastruktur schnell ausgebaut werden, um Verzögerungen zu vermeiden. Dies erfordert jedoch sofortige Investitionen.“
Auch „Wirtschaftsweise“ empfehlen Fokus auf BEV-Lkw
Interessant: Erst vor einigen Wochen hatte bereits der deutsche Wirtschafts-Sachverständigenrat der Bundesregierung zur Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs den Fokus auf Batterie-Lkw und die zugehörige Ladeinfrastruktur empfohlen. Die sogenannten Wirtschaftsweisen im Wortlaut: „Um den Straßengüterverkehr schnell und effizient zu dekarbonisieren, sollte der Fokus staatlicher Unterstützung zunächst auf dem Aufbau einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur für Batterie-elektrische Lkw liegen. Eine Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene ist aufgrund mangelnder Kapazitäten im Schienennetz nur begrenzt möglich.“
Als Begründung führten die Wirtschaftsweisen an, dass die Einsatzmöglichkeiten von Batterie-elektrischen Lkw sich in den vergangenen Jahren aufgrund der technologischen Entwicklungssprünge bei der Batterie- und Ladetechnologie deutlich erweitert hätten. „Batterie-elektrische Lkw können bereits heute dazu beitragen, die Emissionen im Straßengüterverkehr zu reduzieren. Andere emissionsarme Antriebe haben nicht dieselbe Marktreife“, präzisierte Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrates Wirtschaft, im Frühjahrsgutachten. „Angesichts knapper öffentlicher Mittel und Planungskapazitäten sollte der Aufbau einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur für Batterie-elektrische Lkw priorisiert werden. Dies wird die Marktdurchdringung von Batterie-elektrischen Lkw beschleunigen.“
Das Fraunhofer ISI argumentiert in seiner Studie fast wortgleich. Übrigens: Wasserstoff als alternativen Technologiepfad erwähnte der Sachverständigenrat in seiner Mitteilung im Mai mit keiner Silbe.
Zum Hintergrund: Der Güterverkehr ist für acht Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen verantwortlich, davon entfallen 98 Prozent auf den Straßengüterverkehr. Und: Lediglich sechs Prozent der straßengebundenen Transporte eignen sich aufgrund der Transportstrecke und der Art der Verladung für eine Verlagerung auf die Schiene.
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