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eMobility Insights #9 – Bidirektionales Laden mehr als die Kirsche auf der Torte?

Welches Potenzial hat das bidirektionale Laden? Wie steht es um die Elektromobilität in Deutschland und der Welt? Und warum wollen Teile der Politik unbedingt am Verbrenner festhalten? Das und noch viel mehr haben wir Ex-Volkswagen-Konzernchef Herbert Diess gefragt. Ein spannendes Gespräch!

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Getroffen haben wir Herbert Diess auf der Power2Drive in München. Der weltweit vernetzte Automobil-Manager ist heute Verwaltungsratsvorsitzender bei The Mobility House. Das Unternehmen – ebenfalls aus München – verbindet seit 2019 die Automobil- und Energiebranche mit intelligenten Lade- und Energielösungen. Die Vision: zero emission und zero costs.

Und genau dieses Ziel bekräftigt auch Herbert Diess im Podcast: „Umsonst fahren ohne Emissionen – das ist wirklich möglich!“ Bidirektionales Laden sei „wahrscheinlich der größte Hebel in der Energiewende“ und eine echte „Wunderformel“. Für den Autoexperten ist deshalb klar: „Die Zeit ist reif dafür“, so Diess im Gespräch mit electrive-Chefredakteur Peter Schwierz. Schließlich fahre man im Elektroauto einen Großteil der Zeit „eine völlig überdimensionierte Batterie herum“. Da liege es nahe, diese zu nutzen, rät Herbert Diess.

Natürlich sei noch viel zu tun, doch das bidirektionale Laden sei jetzt nur noch ganz wenige Jahre vom Massenmarkt entfernt, ist Diess überzeugt. „Aber es erfordert natürlich Arbeit, auch politische Arbeit.“

Apropos Politik: Die sei, so Herbert Diess, bei der Elektromobilität im Europawahlkampf dem Populismus verfallen. Aus Angst, noch mehr Wähler an rechte Parteien zu verlieren, hätten sich Konservative und Liberale an den Verbrenner geklammert – und sich alternativer Fakten bedient. „Was wir jetzt erleben, ist eindeutig Populismus“, sagt Herbert Diess. Er habe deshalb vollstes Verständnis für verunsicherte Kunden, die jetzt doch wieder am E-Auto zweifeln.

Die Debatte um Technologieoffenheit und ein Aufheben des Verbrenner-Aus in Europa ordnet der Ex-VW-Chef so ein: „Das kann man schon machen und es ist vielleicht volkswirtschaftlich gar nicht so unsinnig, weil man natürlich damit auch eine sehr ertragsstarke Industrie schützt.“ Es seien nicht nur die Autohersteller und Zulieferer, sondern auch die Tankstellen. Oder wie Diess es formuliert: die ganze fossile Kraftstoffindustrie. „Je länger des profitabel lebt, desto länger werden Steuern bezahlt. Man muss nur aufpassen, dass man dann eben die Zukunft nicht verliert.“

In der Folge – und auch verbunden mit der Haushaltskrise – habe Deutschland aber genau diesen Anschluss gerade verpasst. „Der Leitmarkt für Elektromobilität ist jetzt sicherlich China“, so Diess. Und das sei die Tragik der aktuellen Entwicklung. „Das ist die Gefahr, wenn man zu lang an einer bestehenden, sehr erfolgreichen Technologie festhält, dass man die neue versäumt.“ Und doch räumt Herbert Diess der deutschen Automobilindustrie noch Chancen ein: Wer das nächste superschnell ladende und extrem leichte Premium-Elektrofahrzeuge baue, sei völlig offen. „Das kann gut BMW, Daimler oder auch Porsche oder Audi sein.“

Und er wirbt am Ende des Podcasts nochmal klar für das bidirektionale Laden und die konsequente Umsetzung dieser Technologie hierzulande. „Der Nutzen, den wir damit für den Kunden, aber auch für die Volkswirtschaft, für Deutschland stiften können, ist immens.“

Diese Folge von „eMobility Insights“ ist der Auftakt für eine kleine Sommer-Staffel rund um das bidirektionale Laden. Die Reihe umfasst vier Podcast-Folgen und wird Ihnen präsentiert von The Mobility House. In jeder Ausgabe kommen auch weitere Experten zu Wort. In diesem Fall ist das Jörg Heuer von EcoG, der erklärt, was die Interoperabilität beim bidirektionalen Laden funktioniert.

Viel Vergnügen beim Hören, hinterlassen Sie gern einen Kommentar!

18 Kommentare

zu „eMobility Insights #9 – Bidirektionales Laden mehr als die Kirsche auf der Torte?“
E. Wolf
12.07.2024 um 08:57
Schon interessant, wie hier wieder Bidi sofort fast ausschließlich mit V2G (Auto zum Netz) zusammen gebracht wird, und das naheliegende V2H (Auto zum Haus - Eigenverbrauchsoptimierung) in den Hintergrund gebracht wird.Der wichtigste Unterschied: V2H ist regulatorisch sofort machbar. Basis ist die VDE-AR 4105, mehr nicht !Bei V2G gilt diese auch, aber alles weitere und insbesondere die energiewirtschaftliche Seite ist komplett ungeklärt, seit über 15 Jahren !Bei PV & V2H ist Eigner und Betreiber in einer Person / ein Haushalt, "behind the Meter", analog zum eHeimspeicher - keine Dritten, die die Hand aufhalten (wollen).Aber was bei Beiden auch fehlt: Effizienz im eAuto - Der Eigenverbrauch beim (DC-) Laden ist deutlich zu hoch ! Bis zu 600 W - bei der Druckbetankung an der DC Schnellladesäule (30-40 min) kein Problem - aber zu Hause, bei 23/7.Damit sind die Hausaufgaben klar: - eAuto's: Runter mit dem Eigenverbrauch beim DC-Laden - mit kleinen Leistungen - Wallbox-Hersteller: Baut DC-Bidi Wallboxen und bringt sie in den Markt, gerne erst für einzelne eAuto's - es steht eh zu Hause keine eFlotte. - PV Dachbesitzer und eMobilisten: Fragt dezidiert beim eAuto-Händler nach.Merke: Die Photovoltaik wurde auch nicht von den Energiekonzernen vorangebracht. V2H kommt auch nur durch Druck der Interessenten voran !
Stefan F.
13.07.2024 um 21:42
Das der Eigenverbrauch beim DC- Schnelladen so hoch ist, liegt an der notwendigen aktiven Kühlung der Akkus. Da laufen Pumpen und Lüfter auf Hochtouren. Generell wird ja auch beim AC -laden Gleichstrom (DC) erzeugt. Nur eben im Ladegerät des Fahrzeuges. Da diese oft nur 11 kW oder weniger leisten, muss der Akku nicht so intensiv gekühlt werden. Verluste fallen natürlich auch dabei an. Richtig ist, dass es noch an kleinen Wallboxen mangelt, die DC bidirektional beherrschen. Und an Fahrzeugen, die damit klar kommen.
E. Wolf
15.07.2024 um 09:53
... und beim DC-Laden mit kleinen Leistungen benötigt es auch keine Wärmepumpe.
J. Moser
12.07.2024 um 12:33
Ich fahre einen Tesla und habe eine PV-Anlage auf unserem Dach. Trotzdem muss ich hier fragen: Hat irgend jemand verstanden, was uns E. Wolf sagen will?
Herbert
15.07.2024 um 12:11
Dass er AC (Alternating Current - Wechselstrom, also langsam laden an der eigenen Wallbox mit maximal 11kW) und DC (Direct Current - Gleichstrom, also Schnellladen unterwegs ab 50kW) verwechselt hat. Das BMS der E-Autos zieht nun mal 250-600W, je nachdem welche Akkukonditionierung (Kühlung/Heizung) halt benötigt wird. Die Alternative ist, auf die Konditionierung zu verzichten und langsamere Ladegeschwindigkeit, längere Ladezeit und verkürzte Batterie-Lebensdauer aufgrund Stress für den Akku in Kauf zu nehmen (oder mit Batteriepflege dennoch die Ladeleistung zu beschränken). Wobei die 0,2kWh bei Ladeleistungen von 150-300kW innerhalb 15 Minuten nicht ins Gewicht fallen…
E. Wolf
15.07.2024 um 09:57
Das ist schön.Nur werden sie vemutlich festgestellt haben, das der Strom nur IN das eAuto fließt. Das ist soweit okay.Nur, wenn der Wagen vor der Tür steht, und - die Batterie voll ist - und keine Sonne scheint - und ein Strombedarf im Haus bestehtdann wäre es doch schön, wenn der Strom aus dem eAuto in das Haus fließen könnte.Dies nennt sich V2H (Vehicle to Haus)
U. Rocker
12.07.2024 um 12:13
Mich ärgert im Zusammenhang mit der Elektromobilität immer wieder, dass (mindestens) die Hälfte der deutschen Autofahrer schlicht und ergreifend "vergessen" wird. So auch in diesem Podcast.Wallbox-Laden, auch bidirektional, ist nur für die interessant und möglich, die entsprechenden Besitz zur Verfügung haben, auf dessen Grund und Boden auch die Möglichkeit der Wallbox-Montage und -Nutzung möglich ist, im Optimalfall in Kombination mit einer PV-Anlage. Damit fallen auch Reihenhausbesitzer schlicht durchs Raster, die zwar eine Solaranlage auf dem Dach, aber keine sinnvolle Parkmöglichkeit in elektrischer Erreichbarkeit haben. Wohnungseigentümer und Wohnungsmieter stehen oft oder gar in der Regel noch schlechter da.Ja: Es ist ein wichtiger Anfang, in mehr oder weniger frei stehenden Häusern lebenden Menschen die Elektomobilität und die sich darum herum entwickelnden Technologien zur schadstoffarmen Stromerzeugung schmackhaft zu machen, aber der überwiegende Rest der Bevölkerung wird dadurch abgehängt. Öffentliche Meinung und Gesetze werden aber oft so gemacht, als ob die jeweiligen Themen für alle relevant, existent und nutzbar sind.Was nicht heißen soll, dass diese Themen nicht angegangen werden müssen und sollen! Gerade auch Bidirektionales Laden. Im Gegenteil. Wenn aber keine Perspektiven erwähnt werden, wie das Problem für ALLE gelöst werden kann, werden sich viele entweder nicht interessieren oder schlicht und ergreifend verweigern.
Mike
14.07.2024 um 10:37
Deutschland steht im Vergleich zu anderen Staaten sehr schlecht da, was Wohneigentum betrifft, obwohl in anderen Staaten dieses teils (in Relation zu den Löhnen) noch teurer ist. Warum wird da einfach immer gejammert, statt einfach langfristig das Ziel setzen, Wohneigentum zu bekommen? Weil dann der tolle Urlaub auf den Seychellen nicht mehr drin ist?Was ich bei der ganzen Diskussion vermisse, ist der Wille am Istzustand etwas zu ändern. In der DDR waren bspw. viele Dinge nicht einfach kaufbar. Dann schloss man sich z.B. in Genossenschaften zusammen und machte es einfach, z.B. Garagen bauen. Warum soll das nicht heute auch möglich sein? Weil jeder nur noch an sich und seinen unmittelbaren Vorteil denkt?
Stefan F.
13.07.2024 um 22:38
Eine Perspektive wären z.B. Parkhäuser mit bidirektionalen Ladestellen. Wenn so ein Parkhaus mit z.B. 150 Stellplätzen damit ausgestattet wäre, könnte der Betreiber ein schönes Zusatzgeschäft mit dem Stromhandel betreiben. Und die Kunden könnten für den Anteil des Akkus, den sie zur Verfügung stellen, einen Bonus kassieren. In der Praxis stelle ich mir das so vor: Ich buche einen Stellplatz und gebe an, von meinen 50 kWh Autoakku brauche ich zu jedem Zeitpunkt 30 kWh, der Rest steht zur Verfügung. Dafür bekomme ich den Ladestrom günstiger. Oder ich stelle 40 kWh zur Verfügung, brauche aber am nächsten Morgen 100% Ladezustand. Da ist Vieles denkbar. Auf jeden Fall eine Win- Win- Situation für alle, wenn es richtig umgesetzt wird. Dazu zähle ich neben den technischen auch die gesetzlichen Regelungen. Neben Parkhäusern funktioniert das natürlich auch mit Tiefgaragen und Laternen- Ladestellen. Wenn bidirektionales Laden ein Geschäftsmodell wird, werden sich auch für Mieter und Reihenhausbesitzer die Umstände verbessern. Momentan beobachtet man die Errichtung von großen Batteriespeichern aus wirtschaftlichem Gründen. Viel lukrativer wäre es doch, wenn die Kunden die Akkus bereitstellen und man nur die entsprechende Infrastruktur schaffen müsste. Das ist schon eine Entwicklung mit spannendem Potential.
erFahrer
13.07.2024 um 17:52
Vielen Dank, sie zeigen gute Punkte auf. Meiner Ansicht nach sind wiederum ein überwiegender Teil derer die in Abhängigkeit (Miete oder ETW) wohnen, diesen Weg aus ihrer Persönlichkeitssstruktur heraus gegangen. Man will eben gar nicht selbst "anpacken", sondern fühlt sich bequem aufgehoben im Umfeld von Hausmeistern, Verwaltern, Vermietern , Gärtnern u.v.a.m und ist sehr gut im Bereich, Ansprüche an andere heranzutragen. Die eigenen Hemmungen Entscheidungen zu treffen, werden mit dem Bezahlen von diesen Dienstleistungen kaschiert. eine Art erkaufte Freiheit. Die wenigsten wollen Handeln, weder beim Klimaschutz noch bei anderen Dingen. Die HTW-Berlin hat aufgezeigt, dass die steckerfertigen Kleinsolaranlagen eben nicht von den Mietern (für die diese den größten Nutzen bieten) verwendet wird, sondern erneut im ländlichen Raum von Eigentümern. Also es ehrt sie diese große Personengruppe mit einbeziehen zu wollen, aber das ist eher vergeben Liebesmüh - viele sind auf "Ansage" konditioniert. Die andere Personengruppe (mit Besitz) ist es, die Dinge ein Marktvolumen geben.
W. Müller
12.07.2024 um 13:44
Eigentlich kann jeder PV Wechselrichter aus 400 V Gleichspannung Wechselstrom für das Haus erzeugen. Es fehlt nur noch die Steuerung zur Kommunikation mit dem Auto.
E. Wolf
15.07.2024 um 10:01
Genau.Und deshalb ist es notwendig hier Lösungen einzufordern:a) bei den eAuto Herstellernb) bei den Wallboxen-Herstellern.
Jupp
12.07.2024 um 18:34
Ja man hätte es abkürzen können: Wir sind in Deutschland und mit V2H verkauft dir der Versorger weniger, denn du verbrauchst was du nicht für Peanuts sonst einspeisen würdest. Bei V2G verlagern die Netzbetreiber Ihre Investion in Speicher zu deinen Lasten, und weil hierzulande die Wirtschaft und die Gewinne Prio1 haben wird logischerweise letztere Lösung vorangetrieben.
Marius
13.07.2024 um 12:57
Ein BEV mit AC zu laden ist ineffizient, da der Verbrauch beim Laden hoch ist im Verhältnis zur Ladeleistung. Besser als V2G, also das einspeisen von Strom aus der BEV Batterie ins öffentliche Netz, ist V2H, das Einspeisen des Strom aus der BEV Batterie ins Eigenheim um den Eigenstrombedarf abzudecken.
erFahrer
13.07.2024 um 18:22
ja, es geht um einen viele Mrd. € Markt, der jetzt schon besteht. Diese Kirsche wollen sich die jetzigen Geschäftsinhaber nicht einfach nehmen lassen, zumal diese (z.B. EnBW) große Investitionen in der Schweiz und Österreich tätigen, deren Rendite eben durch BDL und den einfachen Bürger bedroht werden. Bleibt zu hoffen, dass es wie bei der PV, trotz aller politischen Verzögerungen sich dennoch etabliert.
Moebio
14.07.2024 um 08:46
Wenn ein erfahrener Taktiker wie Diess eine technischen Lösung (BiDi) lobt, während deren Inbetriebnahme (mittels EV) langfristig den eigenen Margenbringer (ICE) gefährdet, so kann das nur bedeuten, dass er nicht an deren Einführung glaubt.Und er wird recht behalten: Sowohl Netzbetreiber als auch das Finanzministerium müssten auf Einnahmen verzichten, der potentielle Anwenderkreis für V2H/G ist derzeit mangels Aufstellmöglichkeitfür eine entsprechende Wallbox sowie deren Preis klein.
E. Wolf
15.07.2024 um 10:04
" ... der potentielle Anwenderkreis für V2H/G ist derzeit mangels Aufstellmöglichkeitfür eine entsprechende Wallbox sowie deren Preis klein."Nun wir haben 15+ Mio E/2FH, das ist schon ein bemerkenswerter Markt. Und fast jedes Haus hat ein oder 2+ (e)Auto('s).Der Markt von PV Modulen und Wechselrichtern begann auch einmal bei Null ;-)
ebertus
15.07.2024 um 14:48
"Schließlich fahre man im Elektroauto einen Großteil der Zeit „eine völlig überdimensionierte Batterie herum“. " Das stimmt, soweit man ein E-Mobil primär und wohl bestimmungsgemäß als Brötchenholer verwendet. Auf der Langstrecke dagegen hat man ganz andere Probleme mit Ladezeiten und Infrastruktur etc. Mein Schadstoffmobil macht vollgetankt rund 1.000 Kilometer, ist in 10 Minuten wieder randvoll und Diesel gibt es überall.

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