Renault Trucks macht sich bereit für den elektrischen Güterfernverkehr
Da stehen sie im Nieselregen vor der Halle auf dem Renault-Trucks-Gelände in Lyon: Drei E-Lkw, zwei Transporter mit Elektroantrieb und ein Lasten-Pedelec. Das gesamte elektrische Portfolio des französischen Herstellers. Und ein siebtes Elektro-Fahrzeug ist zwar noch nicht da, wirft aber seine Schatten voraus. Ganz am Rande einer Präsentation im Rahmen der Electromobility Days am Hauptsitz von Renault Trucks in Lyon in Frankreich erwähnt Francois Savoye, VP Electromobility Solution Offer bei Renault Trucks, dass man ab 2026 auch einen Stromer mit 600 Kilometern Reichweite im Angebot haben wird.
Es handelt sich dabei um einen Lkw der Reihe E-Tech T, den Renault Trucks bereits mit bis zu 300 Kilometern Reichweite und drei bis sechs Akkus (360 bis 540 kWh) anbietet. Bei den technischen Details hält sich Renault Trucks zu diesem Zeitpunkt noch zurück. Was man uns am Rande der Veranstaltung verrät: Der neue Langstrecken-Lkw bekommt eine neue E-Achse, vermutlich dieselbe, die Konzernschwester Volvo Trucks 2022 auf der IAA in Hannover vorgestellt hatte. Diese bietet mehr Platz für Akkus, da die Elektromotoren und das Getriebe in die Hinterachse integriert werden. Aus diesem Grund kann der neue E-Lkw von Renault Trucks eben mit acht anstatt nur mit bis zu sechs Batterien ausgestattet werden.
Savoye verrät zudem, dass die Batterien ein anderes Design haben werden, geht aber nicht weiter ins Detail. Es ist also unklar, ob damit einfach das andere Design des Packs gemeint ist, dass in diesem E-Lkw unter dem Fahrzeug und nicht an der Seite montiert werden wird.
Renault Trucks setzt bei den Batterien derzeit auf NCA, also Nickel-Kobalt-Aluminium, und nicht LFP (Lithium-Eisenphosphat) aufgrund des Gewichts. Nur zur Einordnung: Laut Renault Trucks wiegen die sechs Akkus des E-Tech T bereits drei Tonnen. Ein LFP-Akku wäre mindestens doppelt so schwer. Aufgrund der höheren Energiedichte bietet eine NMC-Batteriezelle 230-250 Wh/kg, eine NCA-Zelle sogar 322 Wh/kg. Bei einem LFP-Akku sind es bloß 130-160 Wh/kg.
Auf die Frage, ob man denn auf der Langstrecke auf eine neue Zellchemie setzen wird, kommt nur ein: „Das habe ich nicht gesagt.“ Allerdings fällt auch die Zahl 800 kWh – die voraussichtlich maximale Akkukapazität des neuen E-Tech T für die Langstrecke. Gewissheit dürfte es bereits 2025 geben, denn die ersten Prototypen sollen bereits im kommenden Jahr auf die Straße rollen. Die Serienproduktion soll dann im Laufe von 2026 im Renault-Trucks-Werk in Bourg-en-Bresse, rund 80 Kilometer von Lyon entfernt, beginnen.
Und noch etwas ist bereits in Stein gemeißelt – der Langstrecken-Stromer wird nicht mehr mit Wechselstrom (AC) laden können. Anders als bei anderen Herstellern sind Renault Trucks bisherige E-Fahrzeuge sowohl AC- als auch DC-ladefähig. Beim Langstrecken-Lkw werden dann nur noch eine CCS- und eine MCS-Ladebuchse zu finden sein.
Zum reinen E-Hersteller bis 2040
Renault Trucks ist sich sicher, dass die Zukunft elektrisch sein wird. Und dass sie höchstwahrscheinlich batterieelektrisch sein wird, aber der Lkw-Hersteller prüft auch Lösungen wie Wasserstoff-Brennstoffzellen – nur für den Fall. Aber Marc Lejeune, Business Intelligent Director, betont, dass Biokraftstoffe vermutlich für die Luft- und Seefahrt gebraucht werden, während grüner Wasserstoff, der auch nur in begrenzter Quantität hergestellt werden kann, für die Industrie benötigt wird. Für den Straßengüterverkehr bleibt also die Batterie.
Insgesamt 1.317 elektrisch Fahrzeuge aus dem Hause Renault Trucks sind bereits auf Europas Straßen unterwegs (Stand: 24. Juni 2024). Zusammengerechnet haben diese bereits mehr als 20 Millionen Kilometer zurückgelegt.
„Wir glauben, dass wir an der Dekarbonisierung teilhaben sollten“, sagt Christophe Deshayes, Senior Vice President bei Renault Trucks Europe, über die langfristige Strategie von Renault Trucks in Bezug auf Elektrofahrzeuge. „Wir müssen eine Lösung für die Dekarbonisierung der Logistik anbieten. Wir sehen darin eine einmalige Chance für Renault Trucks, eine andere Position auf den Märkten einzunehmen und unseren Kunden ein komplettes Ökosystem anzubieten, das sie bei der Dekarbonisierung ihres Geschäfts unterstützt. Deshalb investieren wir viel – vielleicht sogar mehr als die Konkurrenz – in Ressourcen und Mitarbeiter und eben in das Produkt, damit wir eine Lösung anbieten können.“
Er erklärt, dass Renault Trucks 2022 in Europa ein Equipment-as-a-Service (EaaS)-Angebot mit dem Namen Vertellus auf den Markt gebracht hat. Dabei handelt es sich um eine Art Mietmodell, bei dem die Kunden einen Elektro-Lkw für eine bestimmte Zeit mieten und nach gefahrenen Kilometern abrechnen können. Nach Angaben von Deshayes wird der Service bereits in Deutschland angeboten. „Es ist wie ein Schnupperprogramm“, sagt er. „Man kann den Lkw drei Monate oder ein Jahr oder beliebig lange behalten, um die Elektromobilität kennenzulernen und auszuprobieren.“ Aber egal, ob der Lkw gemietet oder vollständig bezahlt wird, Renault Trucks möchte seinen Kunden helfen, die Nutzung der Elektrofahrzeuge zu optimieren und bietet vierteljährliche Besuche von Experten an, die die von den Lkw gesammelten Daten über Kilometerstand, Ladevorgänge usw. analysieren.
Seit 2021 hat Renault Trucks mit den Baureihen D und D Wide elektrische Light- und Medium-Trucks auf dem Markt. Im Transporter-Segment ergänzen der E-Tech Trafic und der E-Tech Master das Sortiment – beide gerade in neuester Generation herausgekommen. Im November 2023 lief zudem die Serienfertigung der beiden elektrischen Schwerlaster E-Tech T und E-Tech C an.
Die beiden elektrischen Schwerlaster kommen aus dem Werk in Bourg-en-Bresse und genau dort dürfen heute auch die Journalisten bei den Electromobility Days hinter die Kulissen schauen. Momentan laufen dort täglich zwei bis drei E-Lkw vom Band. So wie die Produktionsstätte aufgebaut ist, könnten es bis zu 15 sein.
Es gibt dort insgesamt zwei Produktionslinien. Auf der ersten werden nur 4×2 Zugmaschinen hergestellt, alle anderen auf der zweiten Linie. Es gibt keine reine Produktionslinie für E-Lkw. Die Herstellung dieser ist zu 95 Prozent im „normalen Produktionsablauf“ integriert. Nur für die letzten fünf Prozent, dem Einbau der E-Komponenten, geht es in die sogenannte „Renault Trucks E-Tech Factory“. Die Endabnahme, Leistungstests und Probefahrten auf der Teststrecke des Werks absolvieren Stromer und Verbrenner wieder gemeinsam.
Wie bereits erwähnt könnten in Bourg-en-Bresse täglich bis zu 15 E-Lkw der Reihe T und C gefertigt werden. Das ist nicht viel, wenn man bedenkt, dass dort im vergangenen Jahr insgesamt 28.660 Lkw produziert wurden. Aber das soll sich ändern. In den vergangenen zwei Jahren hat Renault Trucks bereits 70 Millionen Euro in Bourg-en-Bresse investiert. Und zwar nur in die Herstellung des E-Tech C und T.
In den kommenden vier Jahren soll das Werk weiter umgebaut werden. Ab 2040 wollen die Franzosen nur noch emissionsfreie Nutzfahrzeuge verkaufen, bis 2050 sollen alle Renault Trucks emissionsfrei sein. Wichtig hier ist, dass man von emissionsfrei spricht, nicht von Batterie-elektrisch. Nun könnte man sagen, dass Renault Trucks im Bereich E-Mobilität bislang nur Batterie-elektrische Fahrzeuge auf den Markt gebracht hat. Aber durch den Mutterkonzern Volvo Group ist Renault Trucks zum Beispiel indirekt am BZ-Joint-Venture Cellcentric beteiligt, das wiederum an der Brennstoffzelle arbeitet. Immer wieder wird von Managern betont, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen sei. Für andere scheint die Sache wiederum klar. Von außen scheint es, als sei man sich intern also noch nicht so ganz einig.
Mit gutem Beispiel vorangehen
Einig oder nicht, momentan sind von Renault Trucks nur E-Lkw mit Akku auf der Straße oder überhaupt käuflich zu erwerben. Und der französische Hersteller will zeigen, dass diese das Diesel-Pendant im Alltag bereits ersetzen können, weswegen er zwischen dem Achsenwerk in Lyon und der Lkw-Produktionsstätte in Bourg-en-Bresse nun selbst fünf seiner Stromer einsetzt.
Dabei handelt es sich um fünf E-Lkw vom Typ E-Tech T. Jede der 4×2 Sattelzugmaschinen kann 22 Tonnen Material von Lyon zum 80 Kilometer entfernten Lkw-Werk transportieren. Sie absolvieren jeweils zwei Hin- und Rückfahrten von je 180 km und legen so 360 km pro Tag oder 88.000 km pro Jahr zurück.
Renault setzte eine Software namens Range Simulator ein, um die Energiemenge vorherzusagen, die jeder Lkw für den täglichen Betrieb benötigen würde. Dabei werden zum Beispiel die Entfernung und die Topografie berücksichtigt. Das Ergebnis: Die Fahrzeuge werden über Nacht im Depot aufgeladen, müssen aber auch während der Schicht für eine kurze 45- bis 50-minütige Gleichstromladung (und eine Fahrerpause) anhalten.
Die Ladestation befindet sich in der Nähe des Werks in Lyon. Da die Lkw lediglich einen vollgeladenen Anhänger in Bourg-en-Bresse abliefern und einen leeren zurückbringen, ohne auf die Entladung des Anhängers zu warten (und umgekehrt), entschied sich Renault, die Lkw nicht in einem der Werke aufzuladen. Daher installierte der Hersteller am Standort Saint-Priest zwei 360-kW-Terminals (mit jeweils 2 Ladepunkten) der Firma Power Electronics.
Die aktuell fünf Elektro-Lkw in der innerbetrieblichen Logistik könnten übrigens noch Verstärkung bekommen. Der Hersteller gibt an, dass die Zahl bei Bedarf auf sieben erhöht werden könnte. Für die überregionale Verteilung sind die Spediteure Dupessey&Co Group und Transports Chazot zuständig.
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