smart 3 fahrbericht robin engelhardt 2024 12 min
Bild: Gesine Schurig
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Smart #3 Premium im Fahrbericht: Ein Mercedes ohne Stern

Smart ist als erste, westliche Marke komplett von Verbrennern auf Elektroautos umgestiegen. Nur hat sich Smart bei diesem Wandel auch von seinen Wurzeln – dem zweisitzigen Kleinwagen – weit entfernt. Mit dem #3 ist inzwischen der zweite Elektro-Smart auf dem Markt und kann im Test in zahlreichen, aber nicht allen Punkten überzeugen.

Kaum eine Marke ist mit einem einzigen Modell so sehr verknüpft wie Smart. „Smart“ und das Modell „fortwo“, das ist für viele Menschen ein Synonym. Ein sehr kleiner Cityflitzer, der überall einen Parkplatz findet (gerne auch mal quer zur Fahrtrichtung) und durch jede Lücke im Stadtverkehr hindurchschlüpft. Ein perfekter Zweitwagen, der mangels Platz und Leistung aber nie ein „richtiges“ Auto sein wollte. Und: Geld verdient hat das Mutterunternehmen Mercedes-Benz mit Smart auch nie wirklich.

Beides möchte der chinesische Geely-Konzern ändern, seit dessen Einstieg bei Mercedes und Smart wurde die Modellpalette einmal auf links gekrempelt: Fortwo und forfour gibt es nicht mehr, stattdessen kommen jetzt SUVs. Das zweite Smart-SUV heißt ironischerweise #3, wir hatten ihn zwei Wochen im Test.

Gorden Wagener fährt mit

Ohne Markenlogos könnte man glatt meinen, einen der üblichen Mercedes-SUVs vor sich zu haben. Die geschwungene Linienführung, durchgängige Leuchtbänder und schmale Scheinwerfer vorne wie hinten prägen auch die Designsprache der aktuellen Mercedes-Modellpalette. Kein Wunder, dass der Wagen in China ein Co-Branding von Mercedes-Benz bekommen hat.

Ähnlich setzt sich dieser Eindruck innen fort, Sitze, Lenkrad (samt Lenkstockhebel), Ambientelicht und Mittelkonsole wirken wie bei Mercedes aus dem Regal übernommen.

Dennoch ist der #3 kein umgelabelter Mercedes, er ist ein völlig eigenständiges Modell, das ein bisschen aussieht wie ein Mercedes, technisch aber auf Geelys SEA-Plattform steht.

Durch die sehr wulstige Plastik-Mittekonsole sitzt man etwas verbaut und der Wagen fühlt sich enger an, als er eigentlich ist. Etwas mehr räumliche Offenheit wäre nicht schlecht gewesen. Dafür bekommt man allerdings auch jede Menge Ablagemöglichkeiten inklusive induktiver Ladeschale und klimatisiertem Fach für Getränke oder Ähnliches. Bis auf einzelne Design-Elemente wird großzügig Leder eingesetzt und die Verarbeitung ist besser als in so manchem deutschen Fahrzeug.

Auf der Rückbank wird deutlich, dass der Wagen in und für China produziert wird, denn im Gegensatz zu anderen Märkten sind hier alle Insassen wichtig. So sind Beinfreiheit, Kopffreiheit, Oberschenkelauflage und Beinwinkel vorbildlich – auch größere Menschen sitzen hinten sehr gut. Dafür ist der Kofferraum mit 370 Litern ok, aber nicht üppig, irgendeinen Kompromiss braucht es eben bei gerade mal 4,4 Metern Fahrzeuglänge. Wer mehr transportieren will, hat aber immerhin die Option, bis zu 1,6 Tonnen Zuglast anzuhängen (bzw. 750 kg ungebremst) – gerade bei weniger teuren und nicht extrem großen Elektroautos leider noch eine Seltenheit. Schade ist aber, dass trotz BEV-orientierter Plattform nur ein 15 Liter kleiner Alibi-Frunk verbaut wurde.

Infotainment: Leopard statt Fuchs

Das Infotainmentsystem wirkt durch die bunte Farbgebung zwar verspielt, ist aber in sich logischer und klarer strukturiert als bei Mercedes. Statt dem aus dem #1 bekannten Fuchs sitzt im Zentralbildschirm des #3 rechts unten jetzt ein Leopard. Der ist zwar süß, aber auch ohne wirkliche Funktion. Vorbildlich ist, dass Android Auto (oder Apple CarPlay, beide drahtlos) die gesamte Fläche des recht großen Zentraldisplays voll ausnutzt. Das interne Navi hat hingegen deutliches Verbesserungspotential. Routenführung und Ladeplanung sind zwar brauchbar, allerdings zeigt der Ladeplaner nur zu Beginn einer Routenführung alle Zwischenhalte samt Ladedauer und Akkustand an. Ist die Navigation dann einmal in die Fahrtansicht gewechselt, gibt es keine Möglichkeit mehr, den Ladeplaner aufzurufen und z. B. zu überprüfen, ob man gerade zu schnell fährt und den geplanten Ladestopp noch erreichen kann. Hier steht laut Insidern ein Update aber unmittelbar bevor, dann sollte dieser Fehler erledigt sein. Hoffentlich wird dabei dann auch der rabiate Tempo-Warnton geändert. Insbesondere, wenn die Schildererkennung auf der Autobahn plötzlich ein 5 km/h Phantomlimit erkennt, ist das Gequäke einfach nur nervig – da hilft auch der lustig herumhüpfende Leopard nicht.

Viel Fahrspaß mit kleinen Detailabzügen

Ansonsten arbeiten die Assistenzsysteme allesamt brauchbar, dennoch hätte ein bisschen mehr Mercedes-Technik hier wohl nicht geschadet. So läuft der Lenkassistent nur bis 130 km/h, was ja an sich ok wäre. Der Tempomat aber auch. Bei den meisten anderen Fahrzeugen ist es üblich, dass der Lenkassistent zwar limitiert ist, der Tempomat aber bis zur Höchstgeschwindigkeit reicht, damit man nicht permanent den Fuß in exakter Position auf dem Strompedal halten muss, um z. B. 140 km/h zu fahren. Apropos Pedal: Die Rekuperation ist zwar schön stark und würde theoretisch ein gutes One-Pedal-Driving ermöglichen. Praktisch ist die Verzögerung zwischen dem Anheben des Fußes und dem Einsetzen der Motorbremse aber so lang, dass es uns auch nach zwei Wochen nicht gelungen ist, den Wagen weich und flüssig zu fahren, Lastwechsel fühlten sich bis zum Schluss immer etwas „hakelig“ an. Auch das Wechseln auf die niedrigere Rekuperationsstufe hat hier kaum geholfen. Und eine etwas weniger strenge Spurhaltekorrektur täte dem Wagen noch gut, denn wenn man nicht im Formel 1-Stil die Spuren in 0,4 Sekunden wechselt, sondern erst blinkt und dann rüberfährt, greift er oft beherzt ein und will in der alten Spur bleiben.

Richtig Spaß machen dagegen die Beschleunigung (5,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h), der Wendekreis (10,2 Meter) und das sehr gute Fahrwerk. Hier blitzt Mercedes dann wieder sehr deutlich durch, denn bei Tempo 180 auf kurvigen Autobahnen tun sich viele chinesische Fahrzeuge noch schwer – nicht so der #3. Er hält souverän Kontakt zur Straße, ohne zu hart zu sein und bügelt sauber über Unebenheiten, ohne schaukelig zu werden. So muss das sein!

Verbrauch und Laden: Nicht Benchmark, aber Langstrecken-tauglich

Auch der Verbrauch geht dabei in Ordnung, von etwas unter 15 kWh/100 km im Stadtbetrieb über 22 kWh/100 km bei Autobahn-Richtgeschwindigkeit bis hin zu 34 kWh/100 km bei Vollstrom (186 km/h) sind die Werte für die jeweilige Geschwindigkeit völlig ok. Bei 62 kWh nutzbarer Batteriekapazität ergibt sich damit eine Spannweite von 410 Kilometern in der Stadt bis 180 Kilometer, wenn man die volle Power dauerhaft nutzt. Übertreibt man es auf der Autobahn nicht (oder bewegt sich außerhalb Deutschlands), sind etwas über 300 Kilometer Realreichweite mühelos machbar.

Beim Laden erweist der Smart sich als recht robust, die 150 kW Ladeleistung aus dem Datenblatt übertrifft er mühelos und reproduzierbar um einige Kilowatt. Von 10 bis 35 Prozent bleibt die Leistung über 150 kW, ab dann wird in Treppenstufen heruntergeregelt. Fünf bis 80 Prozent sind in knapp 35 Minuten erreicht. Was beim Thema Laden auch positiv auffällt: Der 22 kW Lader (ab der „Pro+“ Ausstattung immer mit an Bord), dank welchem die Ladezeit selbst an „langsamen“ AC-Säulen auf unter drei Stunden sinkt. Das ist deswegen schön, weil immer mehr Hersteller, gerade in günstigen Segmenten, ein großes AC-Ladegerät wegsparen. Wer viel öffentlich lädt, kommt mit einem langsamen AC-Ladegerät schnell in Konflikt mit möglichen Blockiergebühren. Das passiert mit dem #3 nicht und könnte ihn so z. B. für Laternenparker interessant machen.

Mercedes für Sparfüchse

Für 46.490 € ist der #3 Premium ein guter Deal. Hier gilt übrigens: Basispreis = Testwagenpreis. Eine ellenlange Aufpreisliste gibt es bei Smart nicht mehr. Nur noch die verschiedenen Ausstattungslinien, ein paar Farboptionen, fertig. Assistenzsysteme, Navi, Sitzheizung, Head-up-Display, 360-Grad-Kamera – alles Serie. Zum Vergleich: Für einen EQA (der recht ähnliche Abmessungen hat) will Mercedes-Benz in der zum Smart #3 Premium vergleichbaren Motorisierung fast 10.000 € mehr (und da sind noch nicht mal ein einfacher Abstandsregeltempomat oder ein volldigitales Cockpit inklusive).

Vier Erwachsene finden bequem Platz, Ladezeit und Reichweite passen auch für längere Urlaubsfahrten gut. Diese sollten dann aber lieber leicht bekleidet ans Meer statt in voller Ski-Montur in die Berge gehen – für Letzteres ist der Kofferraum dann doch etwas zu knapp bemessen. So oder so: Schon mit dem #1 ist aus dem Nischenanbieter Smart ein ernsthafter Autobauer geworden, der #3 unterstreicht diesen Anspruch nochmal deutlich. Smart könnte für den einen oder anderen europäischen Hersteller ein ernstzunehmender Konkurrent werden – vielleicht sogar für Mercedes-Benz?

4 Kommentare

zu „Smart #3 Premium im Fahrbericht: Ein Mercedes ohne Stern“
Oliver
14.07.2024 um 13:27
Schöner Bericht, aber kleiner Fehler im Test: ich fahre selbst den #3, der Lenkassistent (SmartAssist) funktioniert tatsächlich nur bis 130km/h, aber der Abstandstempomat (ACC) funktioniert bis 150km/h und ist damit deutlich alltagstauglicher als im Test beschrieben.
Gabriela Eigster
14.07.2024 um 16:15
Guten Tag; Um den Sanktionen für-:E-Autos zu entkommen und den im Internationalen Autogeschäften:"Favoritnen"zu erleben,sollten diese nummerierten Autos des: -"MERCEDS BENZ"- zugänglicher sein(LEASING); etc.p.p.:auch andere Automarken,die im konventionellen E-Auto-Modus investiert haben,den neuen konditionen entsprechen(PORSCHE;TESLA;CITROEN;PEUGEOT;RENAULT;VOLVO;SEAT;); MfG Gabriela Eigster
Carlito
15.07.2024 um 09:40
Kannst du den Kommentar bitte nochmal in verständlicher Sprache wiederholen?
Jens
15.07.2024 um 10:05
Wir fahren seit über einem Jahr einen #1 Premium. Smart hat massive Probleme mit der Software und es kommen immer wieder neue Fehler ins System bei den Updates. Ein Kundenservice ist kaum vorhanden und auch die Händler sind massiv überfordert und werden auch alleine gelassen. Von der Qualität der Assistenzsystem ist Smart doch noch sehr weit von Mercedes entfernt (wir hatten einen EQA).

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